Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Liebe Jacqueline, du bist Science-Fiction Autorin, Herausgeberin und Cosplayerin. Darüber hinaus hast du sicher noch eine ganze Reihe an phantastischen Überraschungen. Stell dich uns doch einmal kurz vor.
Jacqueline Mayerhofer: Lieber Andreas, vielen Dank dafür, dass ich Teil deines Genretalks sein darf! Ich bin 1992 in Wien geboren, studiere aktuell Deutsche Philologie im Masterstudiengang und lektoriere nebenbei für Kund*innen und Verlage. Mit dem Schreiben habe ich schon früh begonnen, 2008 erschien – als ich 15 war – mein erster Roman. Seither hat sich viel getan und ich habe für mich persönlich entdeckt, dass ich mich im Science-Fiction-Genre am wohlsten fühlte. Wieso ich da erst 2014 durch ein Projekt draufkam, das mit meinem Roman Brüder der Finsternis zu tun hat, frage ich mich bis heute, war ich doch bereits im Kindergarten ein riesiger Star Wars-Fan und habe den Weltraum immer schon geliebt. Hauptsächlich schreibe ich also im Genre der SF (vor allem Space Operas) und in dem des Horrors. Im Laufe der 13 Jahre, in denen ich mittlerweile veröffentliche, ergaben sich fast 40 Veröffentlichungen (darunter Romane, Novellen und zahlreiche Kurzgeschichten) sowie ein geschlossenes Pseudonym, unter dem ich in anderen Genres tätig bin.
Meine erste Herausgeber*innenschaft habe ich 2020 mit der Anthologie Geschichten aus dem Keller zusammen mit Melanie Vogltanz und Werner Graf beim Verlag ohneohren herausgebracht. Mal auf der anderen Seite zu sitzen, und nicht nur als Autorin zu schreiben, sondern fast 200 eingereichte Geschichten von anderen Autor*innen zu lesen und bewerten, war eine interessante wenngleich aufwendige Erfahrung.
Wie du bereits angesprochen hast, cosplaye ich auch gerne. Mein bekanntestes Kostüm ist wohl meine mandalorianische Rüstung aus Star Wars, auf die ich sogar bei Buchmessen angesprochen werde. Immerhin bleibt man so in Erinnerung!
Andreas (ZW): Dein Schwerpunkt ist die Science-Fiction und du wolltest gerne mit mir über Space Opera plaudern. Was fasziniert dich denn so an der Science Fiction und womit fing deine Leidenschaft für die Science Fiction an?
Jacqueline: Genau! Meine Vorliebe für Science Fiction hat mir zwar schon den Ruf eingebracht, nur in diesem Genre tätig zu sein (obwohl ich in anderen auch schreibe), aber es ist eine Kategorisierung die mich nicht stört, weil sie tatsächlich meine größte Leidenschaft darstellt. Auch was Filme, Bücher oder Videospiele betrifft. Vor allem das Subgenre der Space Opera ist genau mein Fall, da der Fokus dabei auf den Charakteren und deren Geschichten liegt, und nicht zu sehr auf Physik und Technologie. Zwar kann man einfach neue Technologie, Gerätschaften und Raumschiffe erfinden, doch wenn man einen oder eine Kenner*in in diesem Bereich vor sich hat, könnten jene Fans der Hard Science-Fiction sich vor den Kopf gestoßen fühlen, wieso die genaue Funktionsweise diverser Gerätschaften weniger wichtig ist in meinen Werken.
Was ich an der SF liebe … Eine gute Frage: alles! Meine Leidenschaft für die SF begann wohl tatsächlich im Kindergarten mit Star Wars – dieses riesige Universum fesselt mich bis heute. Ich finde es außerdem wahnsinnig faszinierend, wenn ich in den Sternenhimmel blicke und mich frage, was es dort draußen alles zu entdecken gibt. Natürlich ist mir bewusst, dass uns fast jeder unserer Planeten in diesem Sonnensystem töten würde, sollten wir auf ihm landen, dennoch finde ich gerade Geschichten außerhalb der Erde am spannendsten. Diese Vielfalt von Kulturen, Spezies und Raumschiffen begeistert mich. Zwar können wir auch hier auf der Erde Orte entdecken, die uns mit ihrer Vielseitigkeit und Schönheit in den Bann ziehen, aber meine Liebe liegt einfach dort draußen, in einer – jedenfalls für uns erscheinenden – weit entfernten Galaxis. Außerdem liebe ich Androiden, Roboter, Maschinen sowie künstliche Intelligenzen. Mag sein, dass der Androide Data aus Star Trek diese Liebe in Kindheitstagen entfacht hat, trotzdem finde ich das, was wir heutzutage in diesen Bereichen zu leisten in der Lage sind, unglaublich.
Andreas (ZW): Du bist Star Trek-Cosplayerin, wo du eine Mandalorian verkörperst und mit Yoda posierst. Nachdem du dich vom Schreck der Verwechslung erholt hast: Ist Star Wars eine Space Opera? Und: Wieso Star Wars und nicht Star Trek?
Jacqueline: Damit hattest du mich wirklich! Doch der Schock ist überwunden.Star Wars zu kategorisieren und in ein passendes Genre zu packen ist keine einfache Sache, weil die Meinung der Masse teilweise gespalten ist. Für die einen ist das Universum Space Fantasy (eine Fantasygeschichte im Weltraum), für die anderen ist es eine Space Opera oder auch ein Heldenepos sowie eine Familiengeschichte. Ich persönlich würde Star Wars der Space Opera zuordnen (mit Elementen von allem der oben genannten Kategorien), da der Erzählungsschwerpunkt immerhin auch handlungsorientiert ist, der Fokus auf den Charakteren und deren Problemen liegt. Zwar gibt es technisch gesehen dutzende Erklärungen zu Raumschiffen, Antrieben und weiterer Technologie, die man der Hard Science-Fiction zuschreiben könnte, aber gerade in den Filmen liegt das Augenmerk auf etwas komplett anderem.
Wieso Star Wars und nicht Star Trek – eine Frage, die mir öfter gestellt wird. Und wenn die meisten draufkommen, dass ich beides mag, fügt sich noch eine weitere hinzu: “Wie kannst du nur beides mögen?“ Wieso nicht? Muss man sich immer für ein Universum entscheiden und das andere somit ausschließen? Ich habe auch eine Star Trek-Uniform daheim und finde diese Welt ebenso spannend. Vor allem gefällt mir der Punkt, dass der Weltraum sowie dessen Planeten und Galaxien erforscht werden. Zusätzlich wird der Diskurs behandelt, ob künstlich geschaffenes Leben wirklich als Leben betrachtet werden kann – wie man an Data sieht. Obwohl beide Franchises so unterschiedlich sind, gefallen sie mir gut, da wir dadurch eine größere Bandbreite an fiktionalen Science-Fiction-Erlebnissen präsentiert bekommen.
Andreas (ZW): Nachdem wir die große Gralsfrage hinter uns gebracht haben: Was macht eine Space Opera aus? Welche Elemente hat die typische Space Opera (so es sie denn gibt)?
Jacqueline: Auch das sind Fragen, bei denen sich viele um die passende Definition streiten (obwohl sie festgelegt ist). Wie bereits angedeutet liegt der Schwerpunkt von Space Operas auf der Handlung, den Charakteren, deren Befindlichkeiten und ihren Konflikten. Oft finden diese Konflikte im gesamten Weltraum statt, in anderen Galaxien oder im selben Sonnensystem. Weitere Punkte sind persönliche Abenteuer der Held*innen, imposante Raumschiffsschlachten und fremde Welten/Völker. Zumeist folgen wir einem Erzählungsstrang, der von Anfang an gerade bis zum Ende führt – mit einer ordentlichen Portion von interplanetaren, planetaren oder gar intergalaktischen Problemen/Abenteuern für die Protagonist*innen, ganze Planeten oder Völker. Dasselbe gilt auch für einzelne Crews auf einem Raumschiff oder einer fremden Spezies auf einem anderen Planeten. Space Operas sind oftmals in Serien und Zyklen oder zumindest Mehrteilern angelegt.
Der Fokus liegt, wie bereits gesagt, nicht auf der Erklärung des Zusammenbaus diverser Superraumantriebe, Raumschiffe, Raumstationen oder wie beispielsweise Lichtgeschwindigkeitsantriebe funktionieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist, wofür ich jedoch auch schon kritisiert wurde, dass die Charaktere oftmals beim Steuern einfach Schalter umlegen, Knöpfe drücken und das Steuerrad bedienen, ohne deren genaue Funktionen zu erläutern. In Werken wie Perry Rhodan zum Beispiel, die ich auch sehr gerne lese, wird haargenau erklärt, wie Raumschiffe, Antriebe und weitere Technologie funktioniert. Für mich persönlich ist das eher mühsam zu lesen und ich merke mir viel davon nicht, obwohl man im Laufe der Zeit zumindest einen kleinen Überblick bekommt.
Andreas (ZW): Und welches davon findest du am spannendsten?
Jacqueline: Am spannendsten finde ich, dass der Fokus auf den Figuren und der planetenübergreifenden Handlung liegt. Gerade wenn wir Reihen präsentiert bekommen, bietet der größere Umfang mehr Gelegenheit dazu, Charaktere, Völker und Kulturen besser zu etablieren, was das immersive (Lese-, Spiele- oder Seh-)Erlebnis sowie die Motivationen diverser Figuren vertieft. Ich finde fremde Kulturen auf anderen Planeten spannend. Deshalb habe ich auch in meinem SF-Roman Brüder der Finsternis (Verlag ohneohren) mit den Pokis, Jhissieri und weiteren Spezies neue Kulturen erschaffen. Die Pokis bekamen sogar eine eigene Sprache, die mir als Germanistin und Sprachwissenschaftlerin irrsinnig viel Spaß gemacht hat, zu entwerfen. Ich finde es faszinierend, welchen Humanoiden wir begegnen könnten oder es in fiktionalen Werken sogar tun. Auch Lebensformen, die mit Humanoiden nichts mehr gemeinsam haben, sind interessant und fordern die Kreativität ihrer Schöpfer*innen geradezu heraus.
Andreas (ZW): Das Genre verbinde ich immer mit Fernsehserien (bzw. jetzt natürlich auch Netflix und Co.). Ich bin selber alles andere als sattelfest im Genre, mir fallen aber sofort eine Reihe an epischen Serien ein: Star Trek, Raumschiff Orion, Battlestar Galactica, Firefly, The Expanse etc. Sind das überhaupt alles Space Operas und was ist deine persönliche Lieblingsserie davon?
Jacqueline: Tatsächlich sind nicht alle davon Space Operas, da diese ja nur eine Unterkategorie der SF darstellt und SF allgemein eine große Bandbreite an Kategorisierungen bietet. Star Trek und Firefly mag ich persönlich aber gerne, zumal Firefly wie die Star Wars-Serie The Mandalorian auch in eine Space-Western-Kategorie zu packen ist. Meine Lieblingsserie ist wohl The Mandalorian, da ich vor dieser schon lange – wie man glaube ich anhand meines Mando-Cosplays sehen kann – ein Fan von Mandalorianer*innen sowie deren Kultur war. Sonst würde ich an dieser Stelle noch unbedingt BioWares Mass Effect-Reihe empfehlen. Eine Videospielreihe, die mit Final Fantasy zu meinen absoluten Lieblingsspielen gehört und zahlreiche Planeten sowie andere Völker mit einer guten Handlung bietet.
Andreas (ZW): Ist denn die Space Opera ein primär visuelles Phänomen, oder gibt es auch starke Buchreihen die wir kennen sollten?
Jacqueline: Da gibt es definitiv eine große Menge an Büchern und Reihen! Meine Empfehlungen wären etliche der dermaßen vielen neuen Star Wars-Kanonbücher, die die Filme unterstützen und Charaktere sowie Geschichten ausbauen, erweitern oder neue einführen. Dan Simmons‘ Die Hyperion-Gesänge-Reihe (die mir die liebe Faye Hell empfohlen hat) oder Douglas Adams Per Anhalter durch die Galaxis ebenso. Mein persönlicher Favorit im Star Wars-Universum ist – neben allen Thrawn-Büchern von Timothy Zahn – Karen Traviss‘ Republic Commando-Reihe, in der, einfach ausgedrückt, der Fokus auf dem sklavenhaften Leben von Klonkriegern sowie auf Mandalorianer*innen allgemein liegt. Auch der schottische Autor Ian Banks schreibt gerne und viel in diesem Bereich.
Andreas (ZW): Wenn ich recht informiert bin, waren Science-Fiction-Cons die ersten großen Nerdveranstaltungen. Hat die Space Opera eine Avantgardefunktion für die Phantastik eingenommen?
Jacqueline: Ich stimmte dir mit den SF-Veranstaltungen zu, deren Besucher*innen und Organisator*innen damals wohl noch einen anderen Status von „Nerds“ trugen, als es heute der Fall ist. Heutzutage, mit all den etablierten Comic Cons und Manga-/Anime-Events, sieht sich niemand mehr nach einer Gruppe von Kostümierten um, die möglicherweise Star Trek-Uniformen tragen, hebt dabei spöttisch eine Braue oder verdreht die Augen. Gerade SF-Veranstaltungen wurden und werden oft von Fangruppierungen organisiert, um unter Gleichgesinnten die Leidenschaft für ein Universum zu teilen.
Ich finde das Genre der SF hat allgemein Avantgardefunktion – nicht nur für die Phantastik. Gerade in solchen Werken werden oftmals zeitgenössische Probleme und Konflikte eingebaut. Nicht nur der steigende Fortschritt der Technologisierung, der für damalige Zeiten – vor allem im 18. und 19. Jahrhundert – beängstigend wirken mochte, sondern auch Kriege, die die Menschen in Sorgen stürzten und wohl den Wunsch weckten, in ein Raumschiff zu steigen, um von der konfliktgeplagten Erde zu entkommen. Die Space Opera macht da keinen Unterschied – auch sie bietet wie das beliebte Fantasy-Genre eine Möglichkeit, in ferne Realitäten zu fliehen, um vom Alltag abschalten zu können. In dem einen Genre begegnen wir Raumschiffen und fremden Planeten, im anderen eben Magie und Märchenhaftem.
Andreas (ZW): Ich hatte bereits erwähnt, dass du ambitionierte Cosplayerin bist. Cosplay in seiner Form kommt ja aus dem Anime/Manga-Bereich. Wie groß ist denn die Sci-Fi-Cosplay-Szene? Und kann man behaupten, dass die alten Star Trek-Cons schon eine Form von Cosplay waren?
Jacqueline: Da Cosplays allgemein immer etablierter werden, gibt es natürlich auch etliche SF-Cosplays. Ich denke, dass sich die SF-Cosplay-Szene mit jener der Anime/Manga-Szene mischt. Nicht selten gibt es dort themenspezifische Stände mit Kostümierten, die in Star Trek-Uniformen stecken und sich unter Cosplayer*innen von Animes und Videospielen mischen. Meiner Meinung nach könnte man durchaus behaupten, dass die alten Star Trek-Cons schon eine Form des Cosplays waren, da es ja darum geht, sich zu verkleiden und in die Rolle einer beliebten Figur zu schlüpfen. Selbst wenn es in diesem Fall vielleicht nicht Data, Picard, Spock, Kirk oder gar andere Charaktere sind, die verkörpert werden. Manchmal reicht es schon, sich eine Uniform überzuwerfen und Teil der Crew zu werden. Meine mandalorianische Rüstung ist zum Beispiel eine Eigenkreation, ein eigener Charakter namens Sheyla Beroya, der bloß den Mandalorianer*innen aus Star Wars angehört und aus diesem Universum stammt.
Andreas (ZW): Du selber schreibst Science-Fiction, aber nicht nur. Welche Bücher von dir sollte man kennen und was dürfen wir in naher Zukunft von dir erwarten?
Jacqueline: Was ich zumeist empfehle sind mein SF-Roman Brüder der Finsternis (Verlag ohneohren) sowie meine SF-Novellenreihe Hunting Hope (Verlag in Farbe und Bunt), von der demnächst Abschlussband Nummer 4 erscheint. In beiden Universen plane ich noch weitere Geschichten zu schreiben. Was die Veröffentlichungen der Zukunft betrifft, ist angesichts der derzeitigen Situation das meiste recht schwierig festzulegen. Neben einigen Kurzgeschichten und Novellenprojekten wird noch mein historischer Dark-Fantasy-Roman Fremder Wille erscheinen, in dem ein Barde von einem Dämon besessen ist und von diesem zu etlichen Morden gezwungen wird. Wenn ich nicht gerade SF schreibe, ist es vermehrt Horror, weshalb ich auch schon den Ruf habe, nicht sonderlich zimperlich zu meinen Figuren zu sein – oder meine blutrünstige Ader wird angesprochen. Was diese Ader betrifft, möchte ich, ohne noch zu viel verraten zu dürfen, auf die neue Novellenreihe des Verlags in Farbe und Bunt hinweisen, die sich Sorrowville nennt. Wieso? Das wird die Zukunft noch verraten.
Vielen lieben Dank an dieser Stelle für deine tollen Fragen und nochmal für deine Einladung, bei deinen Genretalkbeiträgen mit an Bord sein zu dürfen! Es hat wirklich Spaß gemacht und ich hoffe, ich konnte den einen oder die andere, der/die sich mit Science Fiction – oder speziell der Space Opera – noch nicht intensiver auseinandergesetzt hat, zumindest etwas für das Genre interessieren.
Fotos von Peter Gludovatz
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