Sarah Malhus schreibt mit ihrem Debüt-Roman eine Liebeserklärung an die deutsche Mittelalter-Musikszene. Im Interview verrät sie, wie sie zur Mittelaltermusik gekommen ist und welche der Fabelwesen die die Leser*innen in ihrem Roman kennen lernen können, die Sarah auch selbst einmal gerne treffen würde.
Zauberwelten: Dein Debüt-Roman „Von Fabelwesen und Königen – Aus dem Leben eines Barden“ ist dem Genre Low Fantasy zugeordnet. Was ist das Genre Low Fantasy und wieso hast du es für dein Buch gewählt?
Sarah Malhus: Das Genre Low Fantasy ist der Gegenpart von High Fantasy. Man könnte es auch ein bisschen mit Lautstärke gleichsetzen. Meines Erachtens hat High Fantasy einen sehr opulenten Sound. Und Low Fantasy ist das leise Gegenstück. In diesem Subgenre der Fantasy steht der*die Protagonist*in im Fokus und ist nicht dazu auserkoren, die Welt zu retten, eine Prophezeiung zu erfüllen oder Ähnliches. Man begleitet den Hauptcharakter im Alltag und hat auch mal Zeit, stehen zu bleiben, die Umgebung zu genießen und sich länger an einem Ort aufzuhalten. Oft ist das Setting des Romans an das europäische Mittelalter angelehnt, aber ohne den Anspruch an historische Korrektheit. Zudem gibt es kaum bis keine Magie, nur wenige Völker und der Handlungsradius ist eher klein. Man bleibt nah an den Personen und daraus ergibt sich die Geschichte. Man könnte Low Fantasy auch Cozy Fantasy nennen. Und genau das ist meine Geschichte um den Barden Aramil – cozy.
ZW: Welchen Leser*innen würdest du deinen Roman empfehlen? Gibt es eine bestimmte Zielgruppe?
Sarah: Grundsätzlich kann ich den Barden allen Lesenden ab 14 Jahren empfehlen. Besonders wohlfühlen werden sich alle, die, wie ich, eine große Liebe zum Mittelalter und zur Mittelaltermusik haben, Mein Buch ist mit viel Musik von In Extremo, Faun, Schandmaul und d'Artagnan im Hintergrund entstanden. Ich habe versucht, mit dem Barden die Stimmung der deutschen Mittelalterszene einzufangen und das, so hörte ich aus sicheren Quellen, ist mir gelungen. Mein Buch ist zudem casual queer, weil mir die Repräsentation des Regenbogen-Spektrums sehr wichtig ist.
ZW: Dein Roman ist eine Liebeserklärung an die deutsche Mittelaltermusikszene. Wie hast du zur Mittelaltermusik gefunden? Gibt es eine Inspiration für deinen Barden Aramil und seine Lieder aus der Szene?
Sarah: Ich habe 2003 durch das Computerspiel „Gothic“ zum ersten Mal Mittelaltermusik gehört. Das Spiel ist immer noch große, große Liebe. Ich freue mich sehr auf die Remastered Version, die hoffentlich nächstes Jahr erscheint. In Akt 3 von Gothic tauchen In Extremo auf und spielen dort in Dauerschleife „Herr Mannelig“. Seit diesem Moment ist In Extremo meine absolute Lieblingsband. Deshalb stehen auch im Buch am Anfang und Ende Liedzitate von ihnen. Das haben sie mir freundlicherweise erlaubt, und ich bin sehr, sehr dankbar dafür. Ich habe später über die Mittelaltermusik und meinen ersten Freund auch zum Larp gefunden, wofür ich mittlerweile leider nicht mehr die Zeit habe. Aber zu larpen war auch eine ganz besondere Erfahrung, weil es richtig Spaß macht, ein ganzes Wochenende jemand anderes zu sein.
Aramil war eines Tages plötzlich in meinem Kopf, als ich für ein anderes Projekt recherchiert habe. Und mein zweiter Gedanke nach dem Namen „Aramil Flitterer“ war: „Er ist ein Barde“. Zwischen der ersten Idee und dem ersten geschriebenen Wort von Aramils Geschichte verging jedoch nochmal ein Jahr. Da mir die deutsche Mittelalterszene so viel gegeben hat und immer noch gibt, habe ich ihr mit meinem Buch eine Liebeserklärung geschrieben. Es gibt einige Lieder, die mich zu bestimmten Szenen inspiriert haben. Um ein Beispiel zu nennen: „Luring“ von Faun und Patty Gurdy habe ich in Dauerschleife gehört, als ich das Kapitel „Der verschwundene Ring“ geschrieben habe, weil das gut zu dem Fabelwesen passt, das darin vorkommt. Ich habe auf YouTube eine öffentliche Playlist zusammengestellt, die diese Lieder beinhaltet.
ZW: Was hat dir beim Schreiben deines Romanes am meisten Spaß gemacht?
Sarah: Mir war es eine große Freude, Aramil auf seinem Weg zu begleiten und zu den Fabelwesen zu recherchieren, denen er begegnet. Vor allem fand ich unglaublich spannend, was diese Fabelwesen ausmacht. Die ganzen Interaktionen zwischen Aramil und den Personen, die er im Laufe seiner Geschichte begegnet, unterhielten mich schon beim Rohentwurf ungemein. Während des Schreibens hatte ich dann auch noch solche Einfälle wie zum Beispiel ein Kartenspiel zu entwickeln, das Aramil mit dem „Letzten Ritter“ spielt. Auch das Dichten von Aramils Liedern mochte ich sehr. Ich habe als Teenager viele Gedichte verfasst und reime sehr gerne. Im Buch wollte ich nicht nur erzählen, dass Aramil singt. Ich wollte die Lesenden mit seiner Musik verzaubern, so gut es mit dem Medium „Buch“ eben geht. Zusammengefasst: Die ganze Geschichte zu schreiben, hat mir unglaublich viel Spaß gemacht.
ZW: Wie können wir uns deinen Schreibprozess vorstellen? Gibt es etwas, dass beim Schreiben für dich nie fehlen darf oder ein bestimmtes Ritual, das du beibehältst?
Sarah: Mein Schreibprozess ist tatsächlich recht schnörkellos. Ich muss mir nicht erst eine Tasse Tee machen und eine Kerze anzünden. Ich setze mich hin und fange an zu schreiben. Musik ist aber immer wichtig. Zum Glück gibt es auf YouTube unglaublich viele Ambience-Stücke, die so lang sind, dass ich mir stundenlang keine Gedanken um das nächste Lied machen muss. Und im Zweifel ist da immer noch der Skyrim-Soundtrack mit einer Laufzeit von zehn Stunden.
Zum fokussierten Schreiben brauche ich weiße Schrift auf dunklem Hintergrund und meine Post-Its mit den Hinweisen „Show, don’t tell“, „Wer? Warum? Wie? Wozu?“ und dem wichtigsten Spruch „Just keep writing!“. Wenn ich steckenbleibe und nicht weiter weiß, hilft mir oft ein Blick darauf.
ZW: Dein Roman ist nicht in die üblichen Kapitel sondern in fünfzehn Kurzgeschichten gegliedert, in denen Aramil der Zuhörerschaft über sich und sein Leben erzählt. Gibt es eine, die du besonders gerne magst, und kannst du uns eine Kleinigkeit über die Kurzgeschichte verraten?
Sarah: Am liebsten habe ich „Funkenflug“. Das ist ein Zwischenspiel, in dem Aramil zum ersten Mal auf Orik, den Torwächter der berühmt-berüchtigten Taverne „Zum fauchenden Fuchs“ trifft. Auch „Die Mutprobe“ ist einer meiner Favoriten. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber die Geschichte spielt in einem Ort namens Trollbrücken. Der Name ist Programm. In „Der verschwundene Ring“, der dritten Geschichte, bekommt Aramil seinen eseligen Gefährten Herrn von Grau. Er ist seine Stimme der Vernunft, sein Kompass, er gibt die Geschwindigkeit der Reise vor und ist ein wichtiger Gesprächspartner für Aramil. Wer hätte nicht gern einen Esel, der für einen da ist?
ZW: Du und dein Barde, ihr habt mit eurer Liebe zu Met und Musik einige Gemeinsamkeiten. Wie würde deine Beziehung zu Aramil aussehen, wenn ihr euch treffen würdet? Habt ihr noch mehr, das euch verbindet?
Sarah: Aramil und ich hätten uns sicherlich viel aus unser beider Leben zu erzählen: Wofür unser Herz schlägt und was wir noch erleben wollen, um nur zwei mögliche Themen zu nennen. Wir würden bei einem guten Mahl und kühlem Met im „Fauchenden Fuchs“ sitzen, uns über das Dichten und Weben von Geschichten, Musik und tierische Gefährten austauschen. Ab und an würde Aramil seine Laute in die Hand nehmen und eine Weise spielen, „Des Recken Liebe“ vielleicht oder „Ich zog einst aus“. Er hat auf jeden Fall einiges von mir, denn wie das mit Autor*innen und Protagonist*innen oft ist, schreibt man –auch unbewusst – die eigenen Charakterzüge und Vorlieben seinen Figuren auf den Leib. So fällt es auch leichter, sich in sie hineinzuversetzen und ihre Gefühle nachzuvollziehen. Wir sind beide sehr loyal, finden, dass Gewalt keine Lösung ist und wir unseres eigenen Glückes Schmied*in sind.
ZW: Du magst den Gedanken, dass Fabelwesen unerkannt um uns herum leben. Welches der in deinem Roman vorkommenden Fabelwesen würdest du denn selbst einmal gerne treffen und wieso?
Sarah: Auf jeden Fall einen Brückentroll. Ich würde gerne wissen, ob ich ihr Wesen bei meinem Kies‘l gut eingefangen habe. Mit einer Sirene würde ich auch gerne einmal sprechen und fragen, was sie so erlebt, ihr Spaß bereitet und sie jeden Tag antreibt. Da gibt es bestimmt genug abseits der mythologischen Erzählungen zu berichten. Über die Begegnung mit einem Hauswichtel würde ich mich auch sehr freuen! Wenn man welche im Heim hat und ihnen mit Respekt und kleinen Gaben begegnet, wird das Zusammenleben harmonisch verlaufen. Im Gegenzug kümmern sie sich vor allem um die Tiere, die mit im Haushalt leben. Entgegen dem weit verbreiteten Wunsch, einem Drachen zu begegnen, würde ich darauf lieber verzichten, weil ich mit ihrem hochmütigen Wesen nicht umzugehen wüsste und bestimmt recht schnell als Snack enden würde.
ZW: Neue Ideen nennst du gerne „Plotbunnys“. Gibt es denn schon ein neues „Plotbunny“, das in deinem Kopf rumhoppelt? Auf was für neue Projekte können sich denn deine Leser*innen als nächstes freuen?
Sarah: Plotbunnys sind Fluch und Segen zugleich. Bei mir stehen auf jeden Fall eine ganze Reihe neuer Projekte in den Startlöchern. Seit Juli diesen Jahres arbeite ich an „Projekt York“, und das ist, Überraschung, im York der viktorianischen Zeit angesiedelt. Aufgabe der beiden Protagonisten ist es, Geister zu vertreiben. Mehr möchte ich noch nicht verraten, aber es wird wieder cozy, gruselig und natürlich queer. Ich hoffe, das Buch Ende 2024 veröffentlichen zu können. Dann gibt es noch „Projekt Bombe“. Das wird eine Novelle, die aus einer Kurzgeschichte entstanden ist. Dieses Projekt hat dystopische Züge, ist aber auf jeden Fall auf eine positive Zukunft ausgelegt. Zwei, drei andere Projekte sind noch nicht so weit ausgereift. Ich habe definitiv mehr Ideen als Zeit, sie zu schreiben. Ich freue mich sehr auf jedes einzelne Projekt und möchte am liebsten alle gleichzeitig schreiben.
ZW: Gibt es noch etwas, dass du allen Interessierten über dich und deinen Debüt-Roman erzählen möchtest?
Sarah: „Von Fabelwesen und Königen – Aus dem Leben eines Barden“ wäre nicht ohne die vielen tollen Menschen entstanden, die im Sommer 2022 mein Crowdfunding unterstützt haben, mit dem ich die Kosten für Lektorat, Korrektorat, Cover und Illustrationen finanziert habe. Ich bin unendlich dankbar, dass sie alle an mich und meinen Barden geglaubt haben. Im Selfpublishing, also beim Veröffentlichen ohne Verlag im Rücken, hat man alle Freiheiten, was Inhalt und Gestaltung des Buches angeht, muss aber auch alle Kosten tragen. Ich habe zum Beispiel eine Landkarte, ein Eseldaumenkino und Kapitelendgrafiken im Buch. Das alles kostet entsprechend Geld und ich konnte all das nur realisieren, weil meine Crowd mir dabei geholfen hat. Neben meinem Debütroman habe ich mittlerweile einige Kurzgeschichten veröffentlicht, unter anderem in den Genres Steampunk, Urban Fantasy und Romance und Anthologien herausgegeben. Schaut gerne auf meiner Website vorbei, dort findet ihr alle meine veröffentlichten Texte. Und wer immer auf dem Laufenden sein möchte, kann mir auf Instagram folgen. Ihr findet mich dort unter dem Namen „schreibmaid“.
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