Zum 20jährigen Jubiläum von Age of Empires 2 veröffentlicht Microsoft die finale, grafisch auf den neusten Stand gebrachte Version mit allen Inhalten, die jemals erschienen sind. Wie kann ein Spiel, das aus einem völlig anderen Jahrtausend stammt, noch heute faszinieren?
Age of Empires zählte Ende der 90er zu meinen ersten Strategiespielen. Zwar hatte ich vorher schon mit Command&Conquer und Dune erste Schritte in die Echtzeittaktik gemacht, doch das vergleichsweise entschleunigte Prinzip des kulturellen Wachstums mit seinen verschiedenen Zeitaltern und dem wirtschaftlichen Aspekt der Age-of- Spiele offenbarte sich mir persönlich als Novum. In keinem anderen Spiel fand ich simple Skirmish-Missionen abseits der Kampagnen so spannend wie bei AoE. Da war der Nachfolger Age of Empires 2: The Age of Kings natürlich ein Pflichtkauf. Jetzt spielte man nicht mehr in der Antike, sondern im Mittelalter. Es gab sinnvolle Neuerungen wie die Reitformationen, völkerspezifische Spezialeinheiten und eine für damalige Verhältnisse aufpolierte Grafik.
Seiner Zeit Voraus
Wie kommt es aber, dass Age of Empires 2 trotz eines dritten Nachfolgers im Kolonialzeitalter und eines Fantasy-Spin-of namens Age of Mythology weiterhin der populärste Teil blieb? Sicherlich lag dies auch am Zeitgeist und der damaligen Flut an ähnlichen Spielen, die das Konzept kopierten und individuell verbesserten. Schließlich war Age of Empires 3 unter Konkurrenzprodukten wie Rise of Nations, Empire Earth, oder der mittlerweile dominierenden Total War-Reihe und sogar der Anno-Serie nur noch mehr vom Gleichen und konnte sich auf dem nun übersättigten Markt nicht dauerhaft behaupten.
Age of Empires 2 hatte jedoch bei vielen Spielern einen Stein im Brett, war es doch eines der zugänglichsten Echtzeit-Taktik-Spiele für einen kompetitiven Multiplayer-Modus. Die Balance war einfach perfekt: leicht zu erlernen, hart zu meistern. Man startet mit einem Dorfzentrum und ein paar Bewohnern. Diese beschaffen Nahrung und Holz, um mehr Bewohner zu erschaffen. Neue Häuser müssen her, um die Populationsgrenze zu erhöhen. Ein Späher kundschaftet derweil die Gegend aus, um den Gegner, neue Rohstoffe oder Reliquien zu finden. Das Dorf wächst, die Wirtschaft boomt. Nach einer Weile steigen wir ins nächste Zeitalter auf. Damit werden neue Bauoptionen verfügbar, mit denen wir Vorteile gegen den Feind freischalten. Je nach Spielziel müssen wir uns anders spezialisieren. Wer auf einen Reliquiensieg hofft, muss mindestens ins vierte Zeitalter vordringen, um ein Kloster zu bauen, denn nur Mönche können Reliquien bergen. Wer es auf die totale Vernichtung abgesehen hat, zieht möglichst schnell seine militärische Streitmacht hoch. Für einen Weltwundersieg braucht es viele Ressourcen und Zeit und wer seinen König beschützen will, entwickelt starke Abwehrtechnologien.
Grafisches Upgrade
Nicht jedes der mittlerweile 35 Völker spielt sich gleich. Die Technologiebäume unterscheiden sich teilweise enorm. So können einige Völker zum Beispiel keine Steinwälle bauen, haben aber dafür taktische Boni für bestimmte Einheiten. Trotz der zahlreichen Verbesserungen zum ersten Teil war Age of Empires 2 nicht zeitlos perfekt. Gerade die künstliche Intelligenz konnte auf den höheren Schwierigkeitsgraden nur gewinnen, wenn sie schummelte. So zauberte sich die alte KI zusätzliche Ressourcen herbei und wusste stets, wo sie neue finden konnte. Auch die grafisch aufpolierte HD-Neuauflage von 2013 litt noch unter diesen Problemen. Ein echter Gegenspieler verhielt sich völlig anders als eine künstliche Intelligenz, die sämtliche Parameter bereits kannte und zu ihrem Vorteil nutzte. Dazu kamen zahlreiche fehlende Komfortfunktionen, die im Laufe der zwei Jahrzehnte zum Standard wurden. Age of Empires 2 brauchte eine Generalüberholung, die all dies änderte, ohne dabei den Kern des Spiels zu beschädigen. 20 Jahre nach dem ersten Release spielen wir die Age of Empires 2: Definitive Edition. Für Nostalgiker scheint der neue Look genau so zu wirken, wie man sich das Ur-Age-of-Empires-2 mit verklärtem Blick in die Blütezeit des Originals von 1999 vorstellt und seitdem nicht mehr angerührt hat. Mit dem Enhanced-HD-Graphics-Pack, das wir automatisch als DLC erhalten, können wir AoE2 nun auch in 4K spielen. Aber auch für 1080p-Spieler wird die Grafik dadurch ein wenig schöner. Allerdings erhöht sich der Hardwarehunger dadurch auch enorm. Obwohl AoE2 nur ein 2D-Spiel ist, geht die Bildrate selbst bei neuen Rechnern manchmal in den Keller, wenn auf dem Bildschirm viel los ist und das Bevölkerungslimit von bis zu 1000 Einheiten voll ausgenutzt wird. Das Enhanced-HD-Graphics-Pack ist aber nur optional und auch ohne sieht die Darstellung jetzt eindeutig besser aus. Die Einheiten bewegen sich geschmeidiger, die Gebäude werden während ihrer Bauphase jetzt per Gerüst dargestellt, um erkennen zu lassen, um welches Gebäude es sich handelt. Zerstörte Gebäude fallen jetzt in einer aufwändigen Animation in sich zusammen. Zudem können wir stufenlos an das Geschehen heranzoomen.
Neue Inhalte
Die Verbesserungen sind aber nicht allein optischer Natur. Die Rohstoffanzeigen enthalten nun auch die Info, wieviele Dorfbewohner sich um welche Ressource kümmern, und die Entwicklungen, die sich in der Warteschleife oder im Prozess befinden, werden am oberen Bildrand aufgereiht. Die wohl angenehmste Neuerung ist die Automatikfunktion zum Neubesähen der Felder, sobald diese abgeerntet wurden. Viele Prozesse können nun automatisiert werden und ermöglichen somit eine schnellere Entwicklung, ohne lästiges und repetetives Micromanagement. Für ganz hektische Spieler können fast alle Aktionen auf Hotkeys vordefiniert werden.
Mit den Ursprungskampagnen des Hauptspiels, dem kurz darauf veröffentlichten Add-On The Conquerors, den Kampagnen der HD-Neuauflage, den drei DLCs The Forgotten (2013), The African Kingdoms (2015) und Rise of the Rajas (2016) hat sich die Anzahl der historischen Kampagnen, die auf wahren historischen Feldzügen und ihren Feldherrren/innen basieren, auf eine stolze Anzahl von 22 Kampagnen addiert. Sämtliche Kampagnen sind neu vertont worden. Während einige Kampagnen in der Vergangenheit noch gar keine Vertonung hatten, wurden die alten mit bereits vorhandener Vertonung noch einmal runderneuert. Neben neuen Artworks während der Zwischensequenzen lesen neue Sprecher die alten Texte in verbesserter Qualität. Dadurch ist allerdings auch der Akzent der ursprünglichen Protagonisten gestrichen worden. Alle Figuren sprechen nun perfektes Hochdeutsch, wodurch ein wenig Atmosphäre verloren geht.
Neu in der Definitive Edition enthalten sind zudem sogenannte Herausforderungskarten. In Die Kunst des Krieges bestreiten wir einzelne Herausforderungen, die mit Hilfe der brandneuen KI auf den Multiplayer vorbereiten sollen. Je nach Abschneiden enthalten wir dadurch Bronze-, Silber- oder Goldmedaillen. Die neue KI punktet mit einem deutlich menschlicheren Spielerverhalten. Endlich spielt der Computer fair und nachvollziehbar. In Wiederholungen können wir seine Taktiken nachvollziehen und daraus wertvolle Tricks für die Zukunft mitnehmen. Allerdings gilt dies nur für die höheren Schwierigkeitsstufen. Und auch hier ist die neue KI noch lange nicht perfekt. Gegen die alte KI mit ihren unlauteren Mitteln verliert die neue manchmal in nicht-militärischen Szenarien wie der Reliquienjagt. In militärischen Szenarien agiert die neue KI aber weitaus cleverer, nutzt die Schwächen des Gegners und zeigt eine bessere Wegfindung. Hier macht der Kampf gegen den Computer jetzt weitaus mehr Spaß. Wer aber weiterhin mit der KI von 1999 oder der 2013-HD-Version spielen will, kann das jederzeit tun.
Der Multiplayer enthält nun nicht nur ein verbessertes Matchmaking, sondern auch zusätzliche Modi, wie die Reichskriege, in denen wir bereits ein kleines Dorf besitzen, sodass wir direkt mit den Schlachten beginnen können.
Fazit:
Age of Empires 2 ist ein Ausnahmespiel, das trotz etlicher Erweiterungen und Verbesserungen niemals seine Seele von 1999 verloren hat. Wer es damals gespielt hat, wird nichts vermissen. Wer heute erst anfängt, findet genügend Komfortfunktionen, um es nicht als veraltet zu empfinden. Die zahlreichen Kampagnen sind vor allem spannend für Geschichtsinteressierte. Wer einfach nur spielen will, findet mit den 35 Völkern und ihren Technologiebäumen eine reichhaltige Fülle an unterschiedlichen Kulturen. Die 22 Kampagnen und die Herausforderungsmaps beschäftigen für mehr als 100 Stunden und der Skirmish-Mode bietet sowohl online als auch offline genügend Abwechslung für zahllose Sitzungen. Einzig die schwache Performance des optionalen Enhanced-HD-Graphic-Packs ist enttäuschend. Für einen Preis von 20 Euro bekommt man jedoch eines der populärsten Spiele der Videospielgeschichte im neuen Gewand.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de