Als Gears of War seinerzeit die Grafikmuskeln der Xbox360 spielen lassen sollte, blieb Deutschland außen vor. Auch der zweite Teil durfte hierzulande nicht verkauft werden. Erst mit dem dritten Teil wurde auch in Deutschland die berühmte Trilogie von Markus Fenix und Dominic Santiago gegen die fiesen Locust abgeschlossen, ohne jedoch dabei die Vorgänger freizugeben. Mittlerweile ist die Gears-Reihe fest etabliert und auch deutsche Spieler konnten mit dem Gears-of-War-Remaster einen Teil der Trilogie nachholen. Erst im vergangenen Jahr erschien mit Gears 5 für PC und XboxOne der neuste Teil der Shooterreihe. Doch nun können wir die Gears auch in einem völlig neuen Genre herumkommandieren: Als taktisches Rundenstrategiespiel im Stile der X-Com-Reihe, aber doch irgendwie anders. Willkommen bei Gears Tactics.
Sofort steigt die Angst: Wird Gears jetzt zu einem langweiligen und sterilen Schachspiel ohne die übliche Dosis Adrenalin? Wir können euch versichern, dass dem nicht so ist. Das spektakuläre Intro verdeutlicht dies.
Tod von oben
Wir befinden uns zwölf Jahre vor den Ereignissen von Gears of War. Die Locust fallen über die Menschen auf dem Planeten Sera her und dezimieren gnadenlos ihre Bevölkerung. In den Zeiten des herannahenden Untergangs beschließt die Regierung ihre tödlichste Waffe einzusetzen, wohl wissend, dass diese Entscheidung nicht auf Gegenliebe stoßen wird. Der Hammer der Morgenröte, eine orbitale Strahlenwaffe, bahnt sich seinen Weg durch die überrannten Siedlungen und macht keinen Unterschied zwischen Freund oder Feind.
Das Ergebnis lässt zu wünschen übrig. Viele Menschen sterben und viele Locust überleben. Wir steuern Gabriel "Gabe" Diaz, den Vater von Cait, der Protagonistin aus Gears 5. Der Grund, warum wir beinahe ebenfalls vom Hammer geröstet werden, ist unsere Mission, in der wir wichtige Dokumente bergen müssen. Zusammen mit Major Sid Redburn folgen wir dem Tutorial, in dem wir alles wichtige lernen. Gears Tactics verschont uns in keiner Weise. Wenn wir etwas falsch machen, wartet meist der unausweichliche Tod. Das ist am Anfang noch kein großes Problem, da die Missionen kurz sind. Später wird es dann kritischer, wenn wir von der Leine gelassen werden und mit unseren Punkten clever planen müssen. Kurz zwischenspeichern können wir nicht. Werden wir aufgerieben, müssen wir die Mission erneut angehen. Im Ironman-Modus bleibt uns nicht einmal diese Option.
Altbekannt und doch neu
Die Wurzeln der X-Com-Reihe sind nicht von der Hand zu weisen. Doch macht Gears Tactics einige Dinge entscheidend anders. Das beginnt bereits bei der Spieleumgebung. Anders als im Vorbild gibt es kein quadratisches Raster, auf dem wir uns bewegen. Die Fortbewegung erfolgt organisch über den kürzesten Weg. Jede Figur hat drei Aktionspunkte, die wir in beliebiger Reihenfolge einsetzen können. So ist es auch möglich, uns zu Punkt A zu bewegen, kurz zu schießen, und dann zur nächsten Deckung zu hetzen. Angeschlagene Locusts können mit einer Nahkampfexekution niedergestreckt werden. Versäumen wir dies, kann es sein, dass sie uns später wieder gefährlich werden können. Eine Nahkampfexekution schenkt jedem unserer Soldaten einen zusätzlichen Aktionspunkt. Ist die Situation zu heiß, können wir den angeschlagenen Gegner aber auch aus der Distanz erledigen, dann allerdings ohne Extrapunkt. Durch die Exekutionen können wir im Bestfall mehrere Kombos aneinanderreihen und die Horde ausdünnen, bevor sie am Zug ist.
Ist der Gegner an der Reihe, sind wir allerdings nicht grundsätzlich wehrlos. Oftmals lohnt es sich, den letzten Punkt in den Overwatchmodus zu investieren. Damit legen wir einen Überwachungskegel unserer Figur fest. Betritt der Gegner diesen Kegel, schießen unsere Soldaten eigenständig auf die sich im Kegel befindlichen Truppen. Aber Vorsicht: Der Gegner nutzt die selbe Möglichkeit oft und effektiv. Mit der richtigen Taktik kann der Overwatchmodus aber unterbrochen werden.
Für jede Situation die richtige Klasse
Jetzt zahlt es sich aus, die richtigen Soldatenklassen im Team zu haben. Im Laufe des Spiels schalten wir insgesamt fünf Klassen frei: Vorhut, Späher, Sanitäter, Waffenexperte und Schafschütze bringen ihre individuellen Fähigkeiten und Talentbäume mit. Nach erfolgreicher Mission verbessern wir unsere Klassen in vier verschiedene Richtungen. Oftmals lohnt es sich, die selbe Klasse zweimal zu rekrutieren und sie in zwei verschiedene Richtungen zu entwickeln. Damit auch jeder Soldat sein nötiges Training bekommt, erhalten wir die Chance, Nebenmissionen anzunehmen. Hier gilt es z. B., möglichst viele Stellungen für eine feste Anzahl von Runden zu halten und anschließend sicher zum Extraktionspunkt zu kommen. Zwischen den Missionen können wir unsere Marines mit der eingesammelten Ausrüstung ausstatten und sogar optisch verändern. Darüber hinaus gibt es jedoch keine weiteren Aktionen, wie etwa Basisbau, außerhalb der Missionen. Die nächste Mission ist, sofern man keine Nebenmission spielen will, stets die nächste Hauptmission in der Geschichte.
Die Hauptmissionen sind spannend inszeniert und stellen uns vor jede Menge knackige Herausforderungen. Haben wir ein Gefecht erfolgreich geschlagen, sind wir noch lange nicht in Sicherheit. Oftmals werden wir gerade zum Schluss einer Mission nahezu überrannt. Als Gegnerklassen stellen wir uns den aus dem Shooter bekannten Locustmutationen, von denen einige in großer Stückzahl kommen oder vereinzelt, aber dafür gut gepanzert, angreifen. Manchmal kommen sie aus der Luft, manchmal greifen sie aus Erdlöchern an, die wir mit einer Granate schließen müssen. Versäumen wir letzteres, kommen jede Runde mehr Locust aus der Erde. Diese Elemente sorgen für zusätzlichen Zeitdruck, in dem wir ohne offensives Vorgehen keine Chance haben.
Am Ende der drei Kapitel gibt es sogar Bosskämpfe bei denen wir unser taktisches Gehirn auf die Probe stellen müssen. Mit knapp 30 Stunden ist Gears Tactics erstaunlich lang. Und selbst dann können wir uns im Endgame noch weiteren Herausforderungen stellen, um unsere Soldaten aufzuleveln. Einen Multiplayer- oder Coopmodus gibt es nicht.
Stärken und Schwächen
Grafisch bringt Gears Tactics die für die Reihe bekannten Merkmale. Jeder Akt bringt seine eigenen Umgebungsdetails. Allerdings sind diese nicht sonderlich abwechslungsreich. So stoßen wir immer wieder auf die gleichen Ruinen, Befestigungen und Gebäude, die wir als Deckung benutzen. Spielerisch stört dies nicht wirklich, der große Wow-Effekt für den die Gears-Reihe bislang immer bekannt war, bleibt hier aber aus. Innerhalb des Rundentaktikgenres muss sich Gears Tactics aber vor niemandem verstecken, denn sowohl Storytelling als auch Gameplay können auf ganzer Linie überzeugen.
Die Steuerung per Maus und Tastatur geht gut von der Hand. Wir können das ganze Spiel allerdings auch mit einem Controller steuern. Eine Konsolenumsetzung für die XboxOne ist für Dezember geplant. Hierbei will The Coalition jedoch mehr als eine simple Portierung liefern.
Fazit:
Gears Tactics inszeniert eine für sein Genre unerwartet dichte Geschichte voller Spannung und Action. Das Gameplay geht intuitiv von der Hand, bleibt aber nie anspruchslos. Das Fehlen einer strategischen offenen Welt und des Basisbaus dient einer strafferen Erzählstruktur, die mit seinen Hauptcharakteren genau die Atmosphäre widerspiegelt, die man aus den Shootern gewohnt ist. Mit einer Länge von 30 Stunden und einem anspruchsvollen Endgame unterhält Gears Tactics sehr gut, verliert seinen Appeal aber durch sich wiederholende Assets. Für Fans der Gears-Reihe ein Muss, sofern das Interesse an Rundentaktik besteht. Wer aber nur an den Shootern interessiert ist, verpasst nichts essentielles, da das Geschehen 12 Jahre vor Gears of War stattfindet und das offene Ende von Gears 5 somit nicht fortführt.
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