50 Clues: Sigrids Suche – Ein Escape Drama in 3 Akten
Mit 50 Clues verbindet Reihenautor Jeppe Norsker düstere Drama/Crime Elemente mit Escape-Room Mechaniken. Dass das Konzept zu funktionieren scheint, bestätigt das Erscheinen der bereits dritten Trilogie und die Tatsache, dass diese nun beim renommierten Pegasus Verlag erschienen ist. Anders als bisher steht jedoch kein Mordfall im Mittelpunkt, sondern ein Biowaffen-Experiment. Geht das Konzept auch mit Endzeitstimmung auf?
Die Prämisse von Sigrids Suche (engl. Sunshine Island) fällt gleich mit der Tür ins Haus. Unsere Schwester arbeitet an einem geheimen Projekt, das etwas mit biologischer Kriegsführung zu tun hat, und hat sich seit 8 Tagen nicht gemeldet. Das wäre nicht sehr besorgniserregend, hätte sie uns nicht beauftragt, sie zu suchen, wenn sie sich nicht mindestens wöchentlich meldet.
So beginnt eine Suche, die uns in ein militaristisch düsteres Endzeitszenario versetzt und natürlich auf die Spur einer weitaus größeren Gefahr bringt als nur das Verschwinden unserer Schwester…
Drama
Das Thema ist nicht gerade neu und weist auch nicht mit allzu großen Innovationen auf. Das Titelbild des ersten Teils ist ein Soldat mit Gasmaske; es geht in Bunkeranlagen und durch Sperrzonen. Trotz aller Klischees punktet die Reihe durch eine gewisse Immersion. So sind die zahlreichen Rätsel hier nicht auf einen (Escape-)Raum beschränkt, sondern führen uns in einer Handlung voran. Die Autoren sprechen nicht umsonst von einem Escape Game Drama. Und dieser Drama-Aspekt kommt in einigen sehr krassen Szenen nicht zu kurz, wenn gleich wir einer linearen Handlung ohne Entscheidungsmöglichkeiten folgen. Als Protagonistin der Reihe sind unsere Schritte vorgegeben. Trotzdem motiviert es, den jeweils nächsten Storyabschnitt zu enträtseln und gibt dem Spiel einen dramatischeren Flair als den meisten Puzzle-Räumen.
Macht auch im Bücherregal was her: der Rücken der Spielboxen ergibt ein Biohazard Symbol
Die 50 Clues leben überhaupt von ihrer etwas herberen Atmosphäre und Ästhetik. Daran ändert sich auch im dritten Teil nichts grundlegend. Das Artwork setzt weiterhin auf dunkle schwarz/weiß-Zeichnungen, bei denen rätselrelevante Hinweise in Blutrot hervorgehoben werden. Die vereinzelten Farbtupfer – gelegentlich kommt auch mal ein Giftgrün hinzu oder ein Farbcode – sind geschickt eingesetzt und helfen, das Material zu strukturieren. Mir sagt der semirealistische Stil sehr zu, familientauglich ist jedoch was anderes. Wenigstens ist der endzeitliche Stil paradoxerweise etwas leichter verdaulich, als die sehr finstere Krimigeschichte der ersten beiden Teile. Traumatisierende Szenen kommen meinem Empfinden nach nicht vor, wenngleich Tod, schwere Krankheit und Selbstmord thematisiert werden. Man merkt aber, dass Jeppe Norsker es liebt, uns mit Extremsituationen zu konfrontieren. Aber wen es etwas beruhigt: Er kann auch ganz anders und familentaugliche Legespiele entwickeln. So viel Überraschung muss sein …
Rätseldesign
Das Herz jeder Escape-Reihe macht natürlich die Rätsel aus. Hier machen es sich die Autoren Jeppe Norsker und Jakob Bang nicht leicht. Die mit Abstand meisten Rätsel funktionieren ausschließlich auf Basis der Karten. Die notwendige App dient lediglich dazu, die Verbindung von Gegenständen und Lösungscodes zu überprüfen oder ganz gelegentlich ein Soundfile abzuspielen. Die Schachtel oder Internetseiten kommen ebenso wenig zum Einsatz, wie Material zerschnitten werden muss. 50 Clues ist hier ganz minimalistisch. Umso beeindruckender, dass das Konzept bei mittlerweile 9 Teilen aufgeht. Und das, obwohl die Rätselfrequenz sehr hoch ausfällt.
Das klare Kartendesign hat seinen eigenen Stil
Auch wenn mich nicht jedes Rätsel restlos überzeugt, gelingt es den meisten, ein Aha-Moment auszulösen und ohne große Fleißarbeit auszukommen. Dabei bewegt sich die Schwierigkeit im angenehmen mittleren Schwierigkeitsgrad. Herausfordernd fanden wir jedoch die räumlichen Rätsel, insbesondere wenn sie auf den beidseitig genutzten Karten zum Einsatz kamen. Hier kommt der Minimalismus dann doch etwas an seine Grenzen, da wir ohne Auf- oder gar Abzeichnen der Elemente kaum weiterkommen. Aber natürlich gibt es für solche Fälle auch Tipps und Lösungen, die ebenfalls per App ausgespielt werden.
Besonders gelungen sind die Rätsel, wenn sie sich geschickt in die Geschichte einweben. Etwa indem wir uns auf eine Landkarte orientieren müssen und Bewegungsinformationen interpretieren müssen, ein Haus auf einem Stadtplan identifizieren, die richtige Buslinie wählen müssen oder Objekte sinnvoll kombinieren. Das gelingt allerdings längst nicht allen Rätseln. Wir müssen schon akzeptieren, dass sich ein ranghoher Militär Hinweise auf seinen Türcode gut sichtbar auf den Handrücken schreibt und mehr oder weniger obskure Hinweise zu Zahlenschlössern in den Räumen verteilt sind. Aber das ist natürlich das Grundprinzip des Genres.
Fazit:
Durch das etwas ernstere Design und den narrativen Ansatz gefällt mir die 50 Clues Reihe seit dem ersten Teil sehr gut. Und auch die dritte Staffel kann die durchaus hohen Erwartungen halten. Dem Spiel gelingt es durch die Abwechslung von Objekt-Kombinationsrätseln und komplexeren Code-Rätseln eine hohe Abwechslung bei minimalem Materialaufwand zu erreichen. Während ich die Leopold und Maria Trilogie aufgrund teils sehr krasser Gewalt nur mit Bauchschmerzen empfehlen konnte, sagt mir das etwas fiktionalere Setting der Sigrid-Reihe etwas besser. Das Thema erlaubt uns etwas Abstand von den weiterhin erwachsenen Themen zu nehmen. insofern kann ich Staffel 3 sogar mit einem noch besseren Gewissen empfehlen. Wer Escape Spiele mit guten Rätseln und einem etwas härteren Thema sucht, ist hier graurichtig. Und wer noch schwankt, kann übrigens einen ersten Fall selber ausdrucken.
Der Rezension lag die englischsprachige Version zugrunde, die mit der deutschsprachigen Website von Pegasus gespielt wurde.
Dieser Artikel ist erschienen bei: Zauberwelten-Online.de
Weiterführende Links zu "50 Clues: Sigrids Suche":
Kommentare
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