Ritualmorde, ein eigensinniger Serienmörder oder auch mal ein obsessiver Zahnarzt: In den sogenannten Escape- oder Exit-Spielen scheinen sich absurd-makabre Übeltäter durchzusetzen. Dabei ist der Grund, warum wir genau eingeschlossen wurden, meist irrelevant. Im Endeffekt gilt es aus einem mehr oder minder obskuren Grund in kurzer Zeit eine Reihe von Rätseln zu lösen, um aus einem Raum zu entkommen. Nicht so bei 50 Clues.
Ganz so simpel stellt sich die Landschaft der Escape-Spiele heute nicht mehr dar. Kenner wissen, dass Escape-Rooms mittlerweile auch im Freien stattfinden oder einer Schnitzeljagd entsprechen können. Und thematisch ist vom kindergeeigneten Thema über die Umsetzung von Buchvorlagen bis hin zu brutalen und gut organisierten Entführern alles dabei. Fast immer ist das Thema dabei zweitrangig. Im besten Fall greifen die Rätsel das Thema auf, eine wirkliche Handlung findet aber eigentlich nie statt. Genau hier setzt 50 Clues – also 50 Hinweise – von Jeppe Norsker an, indem es sich auf eine besonders starke Handlung konzentriert.
Das Spiel
Genau genommen haben wir es bei 50 Clues nicht mit einem Spiel, sondern einer Spielreihe zu tun. Das 50 Clues-System ist ähnlich wie etwa Unlock! die Grundlage für unterschiedliche Escape-Szenarios. Der Vergleich mit Unlock! ist dabei nicht zufällig gewählt, denn einige der Grundideen von 50 Clues ähneln dem französischen Platzhirsch. Auch in 50 Clues nutzen wir so etwa technische Unterstützung, um zu prüfen, ob Rätsel korrekt gelöst wurden oder was die Kombination von Gegenständen ergibt. Statt auf eine eigene App setzt Norsker dabei auf eine Browserlösung. Für die müssen wir unser Spiel je Durchgang einmal per Code aktivieren, wobei wir ein Spiel insgesamt 30-Mal aktivieren dürfen. Diese künstliche Beschränkung soll vor Kopien schützen, sorgt in der Community aber für etwas Kritik. Praktisch sollte es kaum Auswirkung haben, denn jede Gruppe kann das Spiel nur einmal sinnvoll spielen und selbst wenn man das Spiel weitergibt, hat man mit 30 Durchgängen einiges zu tun. Damit kommt man trotz Einschränkung besser weg als in anderen Exit-Spielen, die teilweise in einer Partie zerstört werden oder für die Materialien neu gedruckt werden müssen. Die Browserlösung sollte außerdem dafür sorgen, dass das Spiel auch noch lange nutzbar ist; ein bei Hybridspielen nicht zu vernachlässigender Aspekt.
Spielablauf und Anwendung sind für Vielspieler fast selbsterklärend, und für alle anderen steht ein professionelles Erklärungsvideo zur Verfügung. Grundsätzlich können Objekte miteinander kombiniert werden, indem wir deren Zahlenwerte eingeben, und Zahlenrätsel werden gelöst, indem wir den Lösungscode eintippen. Minispiele existieren nicht, es gibt aber Situationen, in denen wir unter Zeitdruck gestellt werden.
Bei Erfolg gelangen wir jeweils an neue Karten, sodass wir am Ende die namengebenden 50 Karten gesehen haben sollten. Je nachdem, wie schnell und fehlerlos uns das gelingt, erhalten wir eine andere Bewertung. Da es kein fixes Zeitlimit gibt, hat man auch bei schlechten Ergebnissen nie das Gefühl zu scheitern.
Alles, was wir für die Rätsel brauchen, finden wir gewöhnlich auf den stimmigen Illustrationen.
Das Rätseldesign kann dabei überzeugen. Die Rätsel aller drei Teile sind plausibel, gut lösbar und abwechslungsreich. Hängt man fest, gibt es – wie üblich – abgestufte und hilfreiche Hinweise im Browser. Besonders gelungen ist, dass die Kartenillustrationen stark einbezogen werden. Ein kleiner Text beschreibt das Bild oder wie wir zu der Szene gekommen sind, im Spiel selbst arbeiten wir aber fast nur mit den Bildern, die die Rätselmaterialien geschickt integrieren. Zusammen mit der motivierenden Handlung sorgt das für Immersion.
Die Leopold-Trilogie
Zurzeit liegen neben einem Promo- und einem Demofall drei Szenarien für 50 Clues vor, die zusammen die Leopold-Reihe bilden. Die Folgen spielen sich in je ca. 90 Minuten und sollten dringend mit der gleichen Gruppe und in der richtigen Reihenfolge bespielt werden. Es sind eben drei Folgen einer übergreifenden Handlung. Diese Handlung hebt die Reihe auch am markantesten von anderen Produkten ab, da sie mehr ist als bloßes Beiwerk für Rätsel.
In seine Einzelteile zerlegt handelt es sich auch bei 50 Clues dabei immer noch um eine Reihe von Rätseln. Szene für Szene wollen Zahlenrätsel gelöst werden und müssen die richtigen Objekte miteinander verbunden werden. Dabei geht es recht linear voran, wir gehen von Szene zu Szene, wobei es immer genau eine Lösung gibt. Entscheidungspunkte oder gar parallele Handlungsfäden wie in Spielbüchern oder Abenteuerspielen suchen wir also vergeblich. 50 Clues ist im Endeffekt ein als Geschichte inszenierter Escape-Room. Und dennoch gelingt der Fokus auf die Handlung überzeugend. Erinnert man sich an die Spielabende zurück, entstehen gleich Bilder im Kopf und man denkt weniger an die einzelnen Rätsel als an die Etappen der Handlung. Und auch während des Spiels ist die Story ein durchgehender Motivator. Wir wollen nicht nur die nächste Tür öffnen, sondern wissen, wie es weiter geht ...
Die Teile der Leopold-Trilogie bilden eine durchgängige Handlung.
Dass die Handlung im Kopf bleibt, hängt auch mit dem besonderen Stil zusammen. Ein gelber Warnhinweis rät gut präsent vom Spielen mit Kindern ab. Und das sollte man durchaus ernst nehmen. Die drei Teile von Leopold setzen explizit und manchmal etwas exzessiv auf Gewaltdarstellungen und moralisch fragwürdige Entscheidungen. Die Handlung weist einige Schockmomente auf, die sich weniger durch ein Übermaß an Blut, sondern mehr durch krasse und teils perfide Entscheidungen auszeichnen. Gerade für wen die Thematisierung von Gewalt gegen Kinder ein besonders sensibles Thema darstellt, sollte einen Bogen um das Spiel machen. Und auch die Darstellung von Geisteskrankheit fällt hier etwas drastischer aus als in vergleichbaren Spielen. Leopold arbeitet mit einem düsteren und brutalen Stil und versetzt uns dabei in eine ungewohnte Rolle. Hier soll aber nichts weiter vorweggenommen werden.
Getragen wird das Erlebnis von den durchweg sehr gelungenen Illustrationen. Jede Karte wird von einer Graustufenzeichnung dominiert, die meist alles Notwendige für die Rätsel enthält. Als Kontrastfarbe wurde ein schneidendes Blutrot gewählt, das besondere Details der Karte und natürlich Verletzungen darstellt. Der Stil ist einprägsam und auch spielerisch äußerst gelungen. Statt Karten nach verborgenen Details abzusuchen, ist immer klar, worauf es ankommt. Hier merkt man, dass sich der Autor sowohl für Rätsel und Handlung als auch Homepageprogrammierung und Illustrationen verantwortlich zeigt. So ergibt sich ein beeindruckendes Gesamtpaket, das perfekt ineinander greift.
50 Clues ist zur SPIEL in kleiner Auflage auf Deutsch erschienen und kann zur Zeit nur in einzelnen Mayersche-Filialen erworben werden, die Erste große Auflage kommt Anfang April in den Handel.
Schockierend gut
Die erste Reihe der 50 Clues gehört zweifelsohne zu den besten Escape-Spielen. Der Fokus auf die einzigartige Handlung gelingt und motiviert, selbst wenn man sich einmal an einem Rätsel festgebissen haben sollte. Die Rätsel selbst sind durchweg gelungen und die Abwechslung zwischen Objektverwendung und Zahlenrätseln sorgt für einen angenehmen Spielfluss. Auch Material und Übersetzung halten mit den großen Verlagen mit. Die Boxen sind im Thrillerbuch-Design gehalten und mit edlem Glanzdruck aufgewertet, der Illustrationsstil ist ebenso stimmig wie klar und die Handlung ist zweifelsohne ein Alleinstellungsmerkmal.
Für Neulinge im Genre wie Escape-Room-Fans, die entweder schon alles kennen oder etwas ausgefallenes suchen, ist die Reihe also eigentlich ein Blindkauf. Wenn da dann nicht das Thema wäre. Das hebt das Spiel ab, ist aber nichts für jeden und richtet sich zweifelsohne an eine erwachsene und Thriller geübte Gruppe. Hier geht es deutlich expliziter zu als in anderen Spielen und wir selbst führen mehr als fragwürdige Aktionen aus. Für das Escape-Genre fällt dieser Gewaltgrad doch ungewöhnlich hoch aus. Wer das ertragen kann und Rätselspiele schätzt, sollte den Schritt in die morbide Leopold-Trilogie definitiv wagen!
50 Clues ist zur SPIEL in Kleinauflage auf Deutsch erschienen und kann zur Zeit nur in einzelnen Mayersche-Filialen erworben werden. Die Erste große Auflage kommt Anfang April in den Handel.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de