Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Liebe Petra, du bist 1. Vorsitzende des "Spielecafés der Generationen", das gerade eine Spendenkampagne zur Digitalisierung startet. Bevor wir darauf zu sprechen kommen, würde ich gerne mit einer persönlichen Frage einsteigen: Wie kamst du denn zum Spiel und was hat dich dabei gehalten?
Petra Fuchs: Ich habe zwar bereits in der Kindheit erste Berührungspunkte mit Spielen gehabt, aber Feuer und Flamme war ich da noch nicht. Da ich im Spiel das Glück nie auf meiner Seite habe, habe ich bei Risiko, Monopoly und Mensch-Ärgere-Dich-Nicht immer verloren, das hat mehr frustriert als Spaß geweckt. Über Freunde, ich war Anfang 20, spielten wir dann regelmäßig Die Siedler von Catan. Ein paar Jahre später etablierten sich Bohnanza-Runden. Als ich dann vor ca. 10 Jahren das erste Mal auf den Spieletagen in Eggenfelden war, war es um mich geschehen. Dort traf ich Menschen, die mir ganz andere Spiele zeigten, Spiele, die spannend waren und wahnsinnig viel Freude machten. Diese Menschen gründeten dann vor drei Jahren mit mir das Spielecafé der Generationen als gemeinnützigen Verein.
Andreas (ZW): Du bist 1. Vorsitzende dieses Spielecafés. Beim Recherchieren bin ich erstmal auf Organigramme und eine erstaunliche Anzahl an spielebegeisterten Ehrenamtler*innen gestoßen. Stellt euch doch einmal kurz vor. Was ist Ziel des Vereins und wo traf man euch vor Corona an?
Petra: Wie wir zusammengefunden hatten, habe ich ja eben beschrieben. Auch heute sind noch einige der Gründer*innen in der Vorstandschaft und alle sind Mitglieder des Vereins. Wir haben eine Begegnungsstätte, in der wir uns (wenn nicht gerade Corona ist) mit Jung bis Alt zum Spielen treffen. Wir haben einen generationenübergreifenden Ansatz und so kann wirklich von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen hin zu Senior*innen jede*r zu uns kommen. Aber auch Vielspieler*innen sind mit dabei. Zusätzlich gehen wir in Schulen, Pflegeheime, Kliniken und initiieren Spieleangebote. Aber auch überregional engagieren wir uns: Wir rezensieren Spiele, verfassen wissenschaftliche Artikel (und forschen seit Neuestem). Zudem wollen wir das Gesellschaftsspiel als Kulturgut fördern und vergeben das Generationenspiel-Siegel an Spiele, die für das gemeinsame Spiel unterschiedlicher Generationen geeignet sind. Unser Ziel ist es, die Kommunikation und das Verständnis zwischen den Menschen und den Spaß und die Freude am Spiel zu fördern.
Andreas (ZW): Kaum ein Interview kommt gerade ohne die beiden großen C-Wörter aus. Eurer Website kann man entnehmen, dass ihr euer Angebot fast komplett einstellen musstet. Aber anstatt die Verluste zu zählen: Was habt ihr für Schritte unternommen, um euch an die veränderte Situation anzupassen?
Petra: Lokal bieten wir an, Spiele auszuleihen (sie zu versenden). Ansonsten versuchen wir, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Wir bieten z. B. mittlerweile über 30 Online-Spieleangebote, an denen teilgenommen werden kann.
Andreas (ZW): Wie muss ich mir so ein Spielen aus der Ferne vorstellen. Nutzt ihr Brettspiel-Simulatoren? Spezielle Konferenzsysteme oder andere Tricks?
Petra: Wir spielen tatsächlich zu 95% in Videokonferenzen (Zoom) miteinander. Zum einen kommt das dem Gefühl, gemeinsam am Tisch zu sitzen sehr nahe. Man schaut sich ins Gesicht, lacht gemeinsam und unterhält sich, während man spielt. Brettspielsimulatoren nutzen wir selten. Viele überfordert der Umgang mit der Software und wir wollen den Zugang so einfach wie möglich halten.
Andreas (ZW): Welche Spiele funktionieren denn besonders gut aus der Ferne?
Petra: Es gibt viele Spiele, die gut funktionieren. Hier findet Ihr eine Liste, die ständig erweitert wird: Gesellschaftsspiele für Videokonferenzen | Spielecafé der Generationen (jungundaltspielt.de)
Am Beliebtesten sind Quizspiele wie z. B. Smart10 und Roll&Write-Spiele wie z. B. Trails of Tucana. Aber auch Escape-Spiele werden gerne gespielt.
Andreas: Hat das auch dazu geführt, dass ihr nicht mehr nur lokal aktiv wart?
Petra: Unsere Spieleangebote sind jetzt natürlich internationaler. An unseren Spiele-Angeboten können Menschen von egal woher teilnehmen. Wir haben Menschen aus ganz Deutschland, aus Österreich und sogar aus Kanada schon zu Gast gehabt. Das gab es so natürlich vorher nicht. Von daher sehe ich die Digitalisierung auch als Chance.
Andreas (ZW): Die Initiative “spielend digital” kann man vermutlich als ein direktes Ergebnis dieser Erfahrung verstehen. Welche Maßnahmen wollt ihr mit den Spendengeldern denn umsetzen?
Petra: Zum einen sollen auch niedrigschwellig und begleitete Spieleangebote in Videokonferenzen stattfinden. Damit auch Senior*innen teilnehmen können. Dennoch kann Technik und der Umgang mit digitaler Software abschreckend und überfordernd sein, gerade für ältere Menschen. Daher bieten wir Schulungen an. Wir helfen z. B. Zoom einzurichten und den Umgang zu üben. Weiterhin wird es nicht nur eine barrierefreie Website geben (einfachere Menüführung, kürzere Texte, Bilder mit Texten hinterlegt für Vorleseprogramme), sondern wir werden auch barrierefreie Regel-Erklärvideos erstellen. Mit einfachen Bildern und Text und langsamer Abfolge können sich dann auch Senior*innen, die mehr Zeit benötigen, die Regeln in aller Ruhe daheim erarbeiten.
Andreas (ZW): Das klingt sehr spannend. Ihr schreibt auch, dass euer gemeinsames Spielen die digitale Chancengleichheit verbessern soll. Was meint ihr genau damit?
Petra: Für jüngere Menschen ist es ein leichtes, den Umgang mit digitalen Medien zu erlernen. Sie können somit frei wählen, ob Sie digitale Angebote nutzen können und somit Alternativen während des Lockdowns finden. Es ist somit leicht möglich, Kontakte zu finden. Diese Möglichkeit haben aber gerade ältere Menschen nicht. Der Umgang mit digitalen Medien kann abschrecken und anstrengend sein. Somit ist die Chance geringer, dass über digitale Angebote Kontakte und Austausch entstehen. Dem entgegenzuwirken ist sehr wichtig. Natürlich werden wir nicht alle Menschen damit erreichen, aber wir können bewirken, dass ein paar mehr wieder Austausch erleben. Der Einsamkeit entgegenzuwirken ist uns sehr wichtig. Und das betrifft eigentlich alle Altersstufen.
Andreas (ZW): Wie und bis wann kann man euch mit Spenden unterstützen? Sucht ihr auch andere Unterstützung durch engagierte Spieler*innen?
Petra: Die Kampagne läuft noch bis Anfang März. Jede Spende würde uns helfen, selbst wenn es nur der symbolische eine Euro ist. Das Spendenziel von 5000 € müssen wir erreichen, da wir sonst gar keine Spenden erhalten. Von daher freuen wir uns wirklich sehr über jede Unterstützung. Zu Zeiten Coronas ist das ein recht schwieriges Unterfangen.
Unterstützung können wir zudem brauchen, in dem sich Spieler*innen melden, die Lust haben, Spielerunden über uns anzubieten und natürlich indem unsere Spieleangebote verbreitet werden. Diese sind übrigens alle gratis.
Andreas (ZW): Als generationsübergreifendes Spielecafé deckt ihr vermutlich fast alle Arten von Spielen ab. Als Fantasymagazin interessiert uns natürlich auch, ob das phantastische Genre vertreten ist. Gibt es sogar schon Rollenspielangebote oder plant ihr sowas? Gerade kinderfreundliche Rollenspiele werden ja gerade stark.
Petra: Rollenspiele nehmen bei uns sogar einen sehr entscheidenden Teil ein. Pen&Paper-Runden waren bereits in der Begegnungsstätte und der Jugendgruppe sehr beliebt. Aber auch online wird gespielt. Diese Runden sind immer schnell ausgebucht und wir könnten noch mehr Spielleiter*innen brauchen ;). Wir spielen im Übrigen die verschiedensten Systeme. Meist One-Shots, sodass auch Neulinge mitspielen können und vor allem, da wir es lieben, verschiedenstes auszutesten.
Andreas: Wirklich schön zu sehen, wie das kleine Hobby doch immer bekannter wird. Ich danke dir für das interessante Interview und wünsche Jung und Alt eine erfolgreiche Spendenkampagne!
Titelfoto by Jan Ehlers/Deutsche Fernsehlotterie.
Screenshots und Logo von www.jungundaltspielt.de