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Heftromane sind anspruchsvolle und intensive Arbeit!

Uschi Zietsch im Genretalk über phantastische Heftromane

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Kategorie: Literatur

Heftromane haben nicht unbedingt den besten Ruf. Für wenig Geld, wenn auch nicht mehr für den typischen Groschen, sollen uns die Romane für ein paar Stunden aus dem Alltag entfliehen lassen. Bei teils mehreren tausend Heften entsteht schnell der Eindruck hier bloße Massenware zu bekommen. Und während die gehobene Literaturlandschaft schon beim Wort Phantastik zurückzuckt, werden Heftromane erst recht ignoriert. Dabei haben wir es mit einem erstaunlich auflagenreichen Genre zu tun und jeder Heftroman ist ein durchaus intensiv erarbeitetes literarisches Werk von echten Autor*innen. Uschi Zietsch ist eine davon und kann darüber hinaus als vielleicht erste Heftromanautorin der deutschsprachigen Szene gelten. Sie gibt uns spannende Einblicke in die Geschichte des Genres und ihre Arbeit als dauerschreibende Autorin.

Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Liebe Uschi – oder sollte ich lieber sagen Susan Schwartz? – du hast im April deinen 100. Perry Rhodan Roman veröffentlicht und bist Miteigentümerin im Fabylon Verlag. Bevor ich dir zum 100-Heftigen gratuliere: Stell dich uns doch kurz einmal vor. Wie kamst du zur Phantastik und was begeistert dich bis heute daran?

Uschi Zietsch: Hallo Andreas, Uschi passt schon – auch wenn wir hier über Heftromane reden.

Solange ich zurückdenken kann, quasi seit ich lesen kann, sammle ich Märchen und Sagen aus aller Welt, dazu hatte ich schon immer einen intensiven Bezug. Im jugendlichen Alter habe ich neben den Klassikern auch Science Fiction gelesen, dann habe ich für ein paar Jahre die Fantasy aus dem "Hobbit-Presse"-Imprint von Klett Cotta gesammelt, das ja durch den Herr der Ringe-Boom Mitte der 70er gegründet wurde. Das waren nicht nur schön aufgemachte Bücher, was mir immer sehr wichtig ist, sondern auch so großartige Titel wie Gormenghast, Der König auf Camelot, Das letzte Einhorn und so weiter.

Ich habe zwar zwei DSA-Romane und die Trilogie zu SpellForce veröffentlicht, aber ich bin keine Rollenspielerin und zocke auch heutzutage nicht. Die Zeit dafür habe ich nicht und ich habe auch zu sehr Sorge, süchtig zu werden. Das habe ich seit den Atari-Spielen hinter mir.

Ich schreibe Geschichten seit meiner Kindheit, zum ersten Mal professionell veröffentlicht habe ich 1986 mit einem Fantasy-Roman bei Heyne, nämlich Sternwolke und Eiszauber. Das war der Startschuss für meine professionelle Karriere, seither habe ich ununterbrochen veröffentlicht und kann auf über 250 diverse Publikationen in diversen Genres zurückblicken. Oder sind es schon 300? Ich zähle nicht nach. ;-)

Dazu gebe ich Schreibseminare, habe Stoffentwicklungen fürs TV gemacht, war auf Fotoreportage, habe Fabylon seit 1987 und bin Partnerin der Literaturagentur Ashera … und was da sonst noch alles so war und ist.

Andreas (ZW): Damit gehörst du zu den ganz wenigen weiblichen Urgesteinen der Szene. Kannst du uns noch ein paar Worte dazu sagen, wie man sich diese Pionierzeit vorstellen kann und was sich heute geändert hat?

Uschi: Ja * lach *, Urgestein kann man sagen, da ich ja seit Ende der 70er (da ging ich noch zur Schule …) in Kontakt mit den Lektoraten der Publikumsverlage stand und ab Anfang der 80er auch zur Congängerin wurde. Das ist doch schon ein Weilchen her.

Zum Glück hat sich ab Beginn 2010 durch das eBook enorm viel getan, Werke zu publizieren.

Als ich im blutjungen Alter anfing, meine Manuskripte anzubieten, waren zwar die meisten Lektoren in den Publikumsverlagen sehr angetan, aber die Programmplätze waren einfach zu rar. Vor allem hat man damals hauptsächlich auf Lizenzen gesetzt, weil man der Ansicht war, die verkaufen sich besser. Klar – wenn man nur Bestseller einkauft. Aber als deutsche*r Autor*in hatte man es wirklich sehr schwer und benötigte eine gehörige Portion Glück neben dem Talent. Hinzu kam, dass die deutsche Leserschaft selbst nicht gern zu deutschen Autor*innen griff. Man schrieb zwar gern SF&F, wollte es aber von Deutschen nicht lesen. Da gab es damals durchaus kontroverse Podiumsdiskussionen.

In der männlich dominierten Science Fiction waren Autorinnen auch in den 80ern und nicht nur im deutschsprachigen Raum noch richtiggehend verpönt, weshalb öfter mal ein männliches Pseudonym gewählt wurde. Weil Frauen nämlich "viel zu emotional" sind und "eigentlich nur Kitsch" schreiben können. Ein Vorurteil, mit dem Autorinnen seit Anbeginn des Buchdrucks zu kämpfen haben. Dass Autorinnen irgendwann teils auf die Romance-Schiene umgeschwenkt sind, um wenigstens etwas Geld aufs Konto zu bekommen, mag da nicht wundern. Heutzutage noch sind Autorinnen „unsichtbar“, wenn man bedenkt, dass ein Wikipedia-Eintrag mit der Liste der deutschsprachigen Autorinnen gelöscht wurde. So etwas in der heutigen Zeit, das ist unfassbar und erscheint eher dem Anfang des 20. Jahrhunderts zugerechnet. Ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht selbst mitbekommen hätte.

Uschi 1988 bei einer Lesung in Rodgau

Es waren aber die Autorinnen, die sehr schnell die Zeichen der Zeit erkannten, als das eBook seine ersten Schritte unternahm. Sie hatten es satt, ständig ausgegrenzt zu werden oder Absagen zu erhalten und sagten sich: Das kann ich auch allein. Ich brauche keinen Verlag und keine Buchhandlung mehr, wenn ich digital veröffentlichen kann und alles selbst in der Hand habe! Zu dem frühen Zeitpunkt ist Amazon auch den Self Publishern entgegengekommen mit fairen Konditionen und der guten Präsentation im Shop und außerhalb davon. Beide Seiten haben enorm davon profitiert, und die Absatzzahlen sowie die Einkünfte waren nicht selten sechsstellig. Ich habe meine Chroniken von Waldsee-Trilogie als Amazon-Werbung selbst auf Seiten wie Spiegel online gesehen, der Titel ging ab dem Erscheinungsdatum durch die Decke. Als ich die erste fünfstellige Abrechnung bekam, bin ich vom Sessel gefallen. Und dabei gehörte ich damals noch zu den eher schlecht verkaufenden Titeln, andere waren gleich im sechsstelligen Bereich, oder sogar noch höher.

Bevor die unflexiblen Großverlage darüber nachgedacht hatten, was ein „digitales Buch“ überhaupt ist, haben die Selfpublisherinnen schon hunderttausende digitaler Bücher verkauft, gefolgt von einigen männlichen Kollegen, die schon länger eigene Publikationen unternommen hatten und nun ebenfalls große Erfolge feierten.

Belächelt und nicht ernstgenommen wurden sie zuerst alle gleichermaßen – bis die Umsatzzahlen öffentlich wurden.

Aber nicht nur Autor*innen, auch Indie-Verlage hatten es in den 80ern noch sehr schwer. Die Buchhandlungen weigerten sich, die Titel reinzunehmen, man wurde belächelt, ausgegrenzt, schlechtgeredet. Damit hatten wir mit der Gründung von Fabylon auch gerechnet, das hat uns aber nicht gestört. Wir hatten gut geplant, uns einer Vertriebsorganisation angeschlossen, sind auf Messen gegangen, und durch Rezensionen und Buchpreise haben wir uns schnell nicht nur einen guten Namen gemacht, sondern auch Verkäufe gesichert. Wir wurden zu Lesungen und Podiumsdiskussionen eingeladen, die Presse hat über uns berichtet, und wir hatten gute Kontakte zu Buchhandlungen.

Damals gab es nur Offset-Druck, der Satz wurde noch auf Film gezogen, das war eine sehr kostspielige Angelegenheit. Da konnte einem schon schnell die Luft ausgehen, weswegen wir von Anfang an auf Qualität, nicht auf Quantität gesetzt hatten, und nicht mehr als 2-4 Titel pro Jahr auflegen wollten. Wir haben uns also zäh durchgekämpft, aber mit dem digitalen Satz und dann auch dem digitalen Druck haben sich die Kosten so enorm reduziert, dass das Programm erweitert werden konnte. Inzwischen haben wir trotz unseres kleinen jährlichen Programms über 300 Titel publiziert.

Die geringeren Produktionskosten sind natürlich eine enorme Erleichterung und Verbesserung. Durch den Online-Handel und eigene Shops ist man nicht mehr zu 100% auf den stationären Buchhandel angewiesen und kann seine Werke auch so an die Leserschaft bringen. Auch was die Werbung betrifft, kann man sehr viel selbst unternehmen.

Dadurch bedingt ist aber natürlich auch allgemein die Flut an Publikationen enorm gewachsen – was wiederum die Behauptung am Markt heutzutage erneut extrem schwierig macht. Außerdem wird weniger gelesen durch die vielen Ablenkungen in der Freizeit, sowie Streamingdienste und so … aber das ist eine andere Geschichte.

Andreas (ZW): Jetzt aber endlich zu dir als Autorin. Herzlichen Glückwunsch erst einmal zum 100. Perry Rhodan Heft. Eine mehr als beachtliche Leistung. Wie kamst du denn zu Perry Rhodan? Was begeistert dich an dem Universum?

Uschi: Als Jugendliche habe ich mit Beginn der 4. Auflage einige Zeit Perry Rhodan gelesen. Für das Team stand ich bereits in den 80ern schon eine Weile im Gespräch, aber ich war ja noch Anfängerin, wollte erst mal eigene Wege gehen und war mir nicht sicher, ob ich diese Art „Bindung“ überhaupt wollte. Man muss ja nach Vorgaben schreiben, das ist nicht für jeden etwas. Aber 1991 war es dann soweit, als ich gefragt wurde, fühlte ich mich dazu in der Lage, etwas nach fremden Vorgaben zu verfassen. Ich kannte ja die meisten des damaligen Teams schon seit Jahren, vor allem mit Ernst Vlcek war ich schon seit zehn Jahren sehr befreundet und war dadurch irgendwie mit der Serie verbunden. Es blieb auch nicht aus, wenn man auf Cons ging, da war Perry immer ein Thema, und eines Tages war es eben soweit. Schade nur, dass wir damals dann doch nicht wenigstens zwei Frauen im Team waren. Das hat sich ja zum Glück inzwischen geändert.

Andreas (ZW): Ich mache vermutlich ein Faß auf, dass ich bei über 5.000 Bänden und mehreren Zyklen nicht mehr geschlossen kriege, aber: Was sind denn die Kernelemente des Perry Rhodan Universums? Und wenn es mich jetzt packt: Wie nähere ich mich denn am besten dem Opus? Vorne anfangen dürfte ja keine realistische Option sein.

Uschi: Worum geht’s? Nun, Perry Rhodan ist unsterblich, und zusammen mit anderen Unsterblichen rettet er permanent die Milchstraße und manchmal auch das Universum. ;-) Er war 1971 (! Ja, dahingehend wurde die Serie von der Wirklichkeit überholt) der erste Mann auf dem Mond, begegnete dort Außerirdischen, und los ging das Abenteuer hinaus in den Weltraum.

Die Kernelemente sind Abenteuer im Weltraum, jede Menge Geheimnisse, der Wunsch nach interstellarem Frieden und die konstruktive Zusammenarbeit und der Zusammenhalt so vieler Völker wie nur möglich gegen zerstörerische Mächte.

Bei der Hauptserie sind wir ja bei >3100 ;-) Mit Band 1 anzufangen empfehle ich nicht, da die heutige Lesart sich extrem von der damaligen Erzählart unterscheidet. Aber man kann das nachholen, wenn man sich fürs Perryversum begeistert und "mehr" möchte und wissen möchte, wie es "damals" war. Das machen tatsächlich viele, denn die eBook-Pakete ab Band 1, meistens in 100er-Schritten, die bis zum aktuellen Zyklus alle lieferbar sind, laufen auch heute noch gut. Aber ich würde nicht chronologisch so vorgehen, wenn ich anfange, das ist dann irgendwie zum Scheitern verurteilt, weil es einfach zu viel ist, was man vor sich hat.

Natürlich ist eine im September 2021 60 Jahre bestehende Serie immer dem jeweiligen Zeitgeist verhaftet. Man kann ja nur schreiben, was man kennt, selbst wenn es um die Zukunft geht. Der Stil und auch die Ideen reichen bis zu einer gewissen Grenze. An Handys beispielsweise hat damals niemand gedacht, die Kommunikation geschah und geschieht über Armbänder. Zu Beginn wurden die Schiffscomputer noch mit Lochkarten gefüttert, was damals der modernste Schrei war.

Lange Zeit gab es ja auch die Taschenbücher, die in sich abgeschlossene Geschichten aus dem Perryversum erzählten, die der Autor frei fabulieren durfte, und weitere Nebenserien. Heutzutage kann man sich über die stets zwölfteiligen Miniserien herantasten, um einen "Geschmack" von dem zu bekommen, was einen in der Hauptserie, auch Erstauflage genannt, erwartet. Dazu gibt es auch ab und zu „Extras“, in sich abgeschlossene Geschichten, oder ebenfalls in sich abgeschlossene eBook-Minireihen. Ich habe selbst mal eine Miniserie machen dürfen, Olymp, und da absichtlich Wert auf "Perry light" gelegt, mit vielen Abenteuern und historischem Überbau, der verständlich ist. Das hat tatsächlich ein paar Neuleser*innen gebracht.

Im Prinzip kann man jederzeit einsteigen. Gerade mein 100. Beitrag mit Band 3113 beispielsweise ist ziemlich frei, da er von zwei Fremdvölkern handelt, und wie sie "die Welt sehen". Also praktisch die Sicht von unbedarften Neuleser*innen auf das Perryversum.

Solche Romane gibt es immer wieder. Aber auch bei einem "komplizierten" Band ist es kein Problem, man versteht halt die Hälfte nicht, aber das macht nichts, das blendet man einfach aus – das ergibt sich schon mit der Zeit, wenn man weiterliest. Klare Einschnitte für Neuleser*innen sind immer die 50er und 00er Bände, wo man ohne Vorkenntnisse einsteigen kann, denn meistens ist ein kleines Kompendium enthalten, das zusammengefasst erzählt, worum es geht.

Andreas (ZW): Bei 100 Bänden: Kannst du dich noch an jede Geschichte erinnern und welche ist dir am besten in Erinnerung geblieben? Auf welche deiner Stories bist du am meisten Stolz?

Uschi: Ich kann mich nur sporadisch an die Geschichten erinnern – meistens weiß ich das schon kurz nach Abgabe nicht mehr, da ich dann längst im nächsten Manuskript stecke, manchmal auch bei der Schwesterserie Neo, die ja einen Neustart mit völlig eigener Geschichte gewagt hat und noch in der Mitte des 3. Jahrtausends steckt. Ohne dieses "Vergessen" wäre es unmöglich, umzuschalten, ob nun im selben Genre oder in einem anderen.

Ein wenig Erinnerung habe ich natürlich noch an den ersten Roman 1652, weswegen ich ein Wort daraus auch in 3113 versteckt hatte, sozusagen als Reminiszenz an mich selbst.

Ich habe mich im Verlauf der drei Jahrzehnte, die ich nun dabei bin, mit sehr vielen Themen, neuen Völkern, lustigen wie auch tragischen Geschichten auseinandergesetzt.

Sehr wichtig war für mich Band 2694, Todeslabyrinth, den ich damals als Gastautorin verfasst hatte. (Ich war ja von 2004-2016 nicht im Team.) Der Roman erschien 2013 und behandelte in der ersten Hälfte des Romans den geistigen Zerfall eines Menschen; dass ich das Thema erhielt, war reiner Zufall, aber für mich eine willkommene Aufarbeitung meiner einstigen familiären Situation, da ich durch Pflege über 20 Jahre lang, bis 2011, in der Familie meines Mannes und meiner Familie mit Demenz verschiedener Personen zu tun hatte. Als meine Pflege begann, gab es den Begriff "Demenz" noch nicht mal und auch keine Einrichtungen, die sich um die speziellen Bedürfnisse solcher Pflegefälle kümmerten. Man bekam auch als Angehöriger keine Unterstützung und musste allein mit allem fertigwerden (und auch mit jeder Menge Anfeindungen). Es ist schwer, mit etwas umgehen zu lernen, das man überhaupt nicht kennt, und den geistigen Zerfall Nahestehender praktisch täglich mitzuerleben ist abgesehen von der körperlichen und seelischen Belastung eine sehr emotionale Angelegenheit.

Ich konnte im Rahmen des Romans natürlich nur ganz wenig unterbringen, aber viele positive Rückmeldungen Betroffener damals zeigten mir, dass ich das Richtige getan hatte.

Aber was ich sagen will: Trotz der Exposévorgaben hat man als Autor*in (fast) immer die Möglichkeit, auch etwas einzubringen, das einem am Herzen liegt, natürlich dezent und angemessen. Insofern kann ich keine der mehr als 100 Geschichten besonders hervorheben, sie haben alle in gewisser Weise ihre Besonderheit. In jüngster Zeit habe ich mich sowohl in der Erstauflage als auch bei Neo mit dem Thema Wüste sehr wohlgefühlt, denn ich bin mal eine Woche auf dem Kamel durch die Wüste unterwegs gewesen und dort bin ich "ein bisschen" zu Hause.

Andreas (ZW): Perry Rhodan ist bei weitem nicht die einzige deutschsprachige phantastische Groschenromanreihe. Welche Reihen sollte man sich denn anschauen? Wo hast du selber beigesteuert und ist Groschenroman überhaupt ein Begriff den du magst?

Uschi: Den Begriff Groschenroman mochte ich noch nie. Er wurde natürlich einst dadurch geprägt, dass es sich ursprünglich bei dem Produkt um sehr preisgünstige "Hefterl" handelte, die sich jeder leisten und für zwei Stunden oder einen Tag in fremde Welten eintauchen konnte, weg vom Alltag. Als Erholungsphase und zum Akku aufladen.

Groschen gibt es aber schon seit der Währungsumstellung nicht mehr, und wir bewegen uns inzwischen auch im Euro- und nicht mehr im Cent-Bereich.

Dennoch wurde trotz des ungebrochen großen Erfolgs seit jeher der Begriff abwertend verwendet, weil diese Art Literatur (ja, das ist sie, auch wenn das von gewissen Gelehrten bestritten wird) natürlich nicht feuilletonfähig ist. Aber das will und soll sie auch gar nicht sein. Diese Art Literatur will entführen und unterhalten, nicht mehr, nicht weniger. Die Auflagenhöhen belegen, dass diese "Schundhefterl" sich auch heute noch in Ebenen bewegen, die "normale" Buchautor*innen (nicht Bestsellerautor*innen) niemals erreichen. Und es ist eine Sicherung der Existenzgrundlage der schreibenden Zunft. Viele heutige Bestsellerautoren*innen haben im Heftromanbereich angefangen.

Korrekt ist, wie oben schon erwähnt: Heftroman.

Welche Reihen noch? Es gibt die Frauenromane, es gibt Krimis, es gibt Western, es gibt Dark Fantasy, Horror … also für jeden etwas. Eine Weile habe ich bei Maddrax mitgearbeitet, wo ja SF und Dark Fantasy-Elemente miteinander verknüpft werden. Da habe ich mich bevorzugt auf dem Mars getummelt, die Kultur dort zuerst aufgebaut und dann zertrümmert. ;-) Andere SF-Serien wie Bad Earth und Sternenfaust, die von Teams bestritten wurden, sind ja längst eingestellt. Dann gibt es noch Serien, die nur von einer*m Autor*in verfasst werden.

Man soll lesen, was einem gefällt :)

Andreas (ZW): Mit so viel Vorlauf können wir dann endlich zum eigentlichen Genretalk kommen. Heftromane sind zwar kein Genre im strengen Sinn, sondern vielleicht eher eine Gattung. Dennoch: Was macht denn einen Heftroman üblicherweise aus? Gibt es bestimmte Kernelemente und Strukturen?

Uschi: Ein Heftroman ist absolut klassisch aufgebaut und dient daher gut zum Erlernen des Handwerks. Man muss den Spannungsbogen aufbauen, stets nah an der Geschichte und dem Handlungsfortschritt bleiben, der Stil muss möglichst klar und präzise und so gehalten sein, dass er für alle gut lesbar ist, die Charakterzeichnungen kurz aber prägnant … und dann muss man natürlich noch die Verpflichtung sozusagen der "freiwilligen Selbstkontrolle" einhalten, dass nichts Jugendgefährdendes enthalten ist. Auf wenigen Seiten soll eine möglichst spannende Geschichte beschrieben werden, ohne epische Ausschweifungen oder seitenlange Diskurse. Kurz, knapp, präzise, in sich schlüssig und den Leser mitnehmend auf die Reise. Bei einer Serie sollte möglichst mit Cliffhanger beendet werden, innerhalb der Kapitelstruktur bieten sie sich auch an, um "Pageturner" zu sein.

Uschi 1997 in Ausgburg. Natürlich bei einer Lesung

Andreas (ZW): Mich würde brennend interessieren wie denn deine Praxis als Heftroman-Autorin aussieht. Wie gehst du an einen Heftroman heran? Ist es für dich vergleichbar mit klassischer literarischer Arbeit oder wird es manchmal doch etwas mechanischer?

Uschi: Nein, mechanisch ist das nie, denn es ist ja immer eine andere Geschichte mit anderen Emotionen, in die man sich hineindenken und hineinfühlen muss. Es gibt viele Vorgaben, die beachtet werden müssen, handwerklicher Art und dann natürlich auch inhaltlicher. Zum einen durch den Überbau und Hintergrund, zum anderen durch das Exposé. Wer glaubt, so ein „Raketenhefterl“ reißt sich mal eben so runter, täuscht sich gewaltig, das ist anspruchsvolle und intensive Arbeit, die stets unter Zeitdruck stattfindet. Eine Verschiebung des Termins ist nicht möglich, da das Heft pünktlich erscheinen muss. Natürlich entwickelt man mit der Zeit und wachsender Erfahrung eine gewisse Routine, das muss auch so sein, aber das ist bei jeder literarischen Arbeit so. Man kennt seine eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten und weiß, worauf es ankommt. Das ist bei einem belletristischen Buch nicht anders. Bei letzterem muss man sich halt selbst organisieren und strukturieren, es wird kein Exposé vorgesetzt. Das ist in der Hinsicht aufwendiger, aber man hat ja auch mehr Zeit für die Entwicklung und seinen Lektor, der einen unterstützt, wenn man irgendwo hängt, und natürlich kann man frei draufloslegen und muss sich nur an eine Regel halten: lesergerecht zu schreiben.

Andreas (ZW): Heftromanuniversen nehmen ja schnell einen exorbitanten Umfang an. Wie stellt man denn sicher, dass der Kanon konsistent bleibt und zumindest die gröbsten Widersprüche vermieden werden?

Uschi: Es gibt Datenblätter und bei Perry Rhodan zum Glück auch die Perrypedia, die einem zumeist weiterhelfen kann, und natürlich das Fachteam: Exposéautor*innen, Redaktion, Faktenchecker*innen, Lektor*innen. Und natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen, falls mehrere Romane zusammenhängend sind. Da muss man sich absprechen.

Natürlich passiert es trotzdem ab und zu, dass trotz vieler Augen was "durchrutscht", aber schließlich sind wir alle Menschen. Grobe Schnitzer kommen nur sehr selten vor.

Andreas (ZW): Direkt an meine letzte Frage anschließend. Du bist ein durchaus politischer Mensch, wie politisch sind Heftromane und kann es trotz eines so massiven Kanons Raum zur Modernisierung geben?

Uschi: Es ist sehr wichtig, Politik und Religion aus den Heftromanen herauszuhalten, denn es darf niemand vor den Kopf gestoßen werden. Die persönlichen Ansichten oder Zugehörigkeiten der Autor*innen haben darin ebenso nichts verloren. Das ist auch gar nicht möglich, sobald mehrere Autor*innen an einer Serie beteiligt sind.

Natürlich sind die Geschichten immer Kinder ihrer Zeit, man kann über die Jahrzehnte hinweg immer den jeweiligen Zeitgeist feststellen. Und natürlich färben die Autor*innen auch ab. Aber das darf nie zu offensichtlich werden oder für Kontroversen sorgen. Das ist nicht Aufgabe des Heftromans, der soll und muss jeden gleichermaßen unterhalten, er muss gefällig sein und falls er zu Diskussionen anregt, dann über fachspezifische Inhalte, aber nicht über den Alltag der realen Welt. Allgemeines wie der Wunsch nach Frieden oder der eine oder andere philosophische Spruch, dagegen ist nichts einzuwenden. Aber keinesfalls darf unmittelbar aktuelle Politik oder jetzt etwa die Pandemie und ihre Auswirkungen stattfinden, und nicht nur wegen der eben zu vermeidenden Kontroversen. Die Geschichten sollen ja auch noch in Jahren gelesen werden können, wo sowieso wieder alles ganz anders ist.

Andreas (ZW): Vielen Dank schon einmal für das intensive Gespräch. Mit Fabylon und als umtriebige Autorin gibt es sicher viel über deine Zukunftspläne zu berichten, oder?

Uschi: Ja, aktuell haben wir die zehnbändige Elfenzeit als wichtigstes Projekt, und ich selbst möchte in den nächsten Jahren auch gern das eine oder andere Projekt, das in der Schublade schlummert, angehen, aber das ist noch nicht spruchreif. Es gibt immer viel zu tun! Am besten einfach auf Facebook dem Verlag folgen oder mich abonnieren oder Freundschaftsanfrage schicken, ich bin auch auf Instagram und hoffe auch, wieder regelmäßiger meinen Blog bedienen zu können. Es ist halt einfach immer zu wenig Zeit. Wahrscheinlich stehlen mir die grauen Herren die unentwegt. :)

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