Jeder der 18 im Band vorgestellten Götter hat drei Seiten spendiert bekommen, die Glauben, Kirche und Zeremonialgegenstand beschreiben. Dabei folgt die Beschreibung immer dem gleichen Schema: Zuerst wird auf einer Seite der Glaube behandelt, mit einem Bild des Gottes beginnend werden hier die Gebote aufgeführt, verschiedene Aspekte des Glaubens dargelegt und die Tradition der Geweihten geregelt. Auf der nächsten Seite wird dann die Kirche genauer dargestellt. Hier werden Heilige der Kirche, ihre wichtigsten Tempel, die Ränge innerhalb der Kirche und vieles mehr kurz zusammengefasst.
Die Zeremonialgegenstände, die auf der dritten Seite vorgestellt werden, sind eine der großen Neuerungen im Vergleich zu DSA 4. Jede Kirche hat einen Gegenstand, der dem Gott geweiht ist. Darunter sind ikonische Gegenstände wie das Sonnenszepter oder der Rondrakamm, aber auch Kirchen die bisher kein besonderes Symbol hatten, besitzen nun besondere Gegenstände. Beispielhaft sind hier die Grünen Handschuhe der Perainegeweihten oder der Rote Schleier der Rahjakirche. Diese können mit Fähigkeiten versehen werden, die dem Geweihten entweder dauerhaft nutzen oder durch stärkere Auswirkungen des negativen Zustands Trance aktiviert werden können. Der Nutzen schwankt dabei leider etwas, sodass manche Fähigkeiten nur einmalige Erleichterungen auf eine Attacke bringen, während andere einen permanenten Rüstungsschutz gegen bestimmte Wesenheiten verleihen. Jede Kirche hat eine Auswahl von sechs dieser Fähigkeiten, von denen man aber nur zwei wählen darf. Sie passen jedoch schön zu den Geboten der Kirche und je nach Konzept des Charakters können sie sehr nützlich sein.
Geweihte von sogenannten Halbgöttern haben übrigens keine größeren Nachteile gegenüber den Geweihten der Zwölfe. Sie müssen zwar auf ein paar Segnungen verzichten und haben manchmal weniger Auswahl bei den Liturgien, aber an Karma oder der Mächtigkeit der Tradition mangelt es ihnen nicht.
Erweiterte Hintergründe und Regeln
Das nächste Kapitel trägt den Titel „Erweiterte Liturgieregeln“, was etwas irreführend ist, da hier von Kirchenbräuchen bis zum Phänomen der Zeloten alles beleuchtet wird. Direkt mit Liturgien haben hier nur die Liturgiestile zu tun.
Unter Kirchenbräuche wird erläutert, was die wichtigsten Berührungspunkte zwischen dem Volk und den Kirchen sind. Kurz wird hier beschrieben, wie Geburt, Heirat, Bestattung und geschworene Eide von den Kirchen begleitet werden. Interessant ist hier vor allem der Kasten über Pantheons, der deutlich macht, dass viel mehr als der einzelne Gott für die jeweilige Glaubensgemeinschaft wichtig ist. Ein thorwalscher Travia-Geweihter kann also Probleme haben, einen Initiaten des Zwölfgötter-Pantheons zu segnen.
Spieler, die DSA 4 gespielt haben, dürften sich noch daran erinnern, in verschiedenen Regelwerken die Bruchstücke zu gesegneten, geweihten, zweifach geweihten und heiligen Gegenständen und Orten zusammensuchen zu müssen. Freundlicherweise hat Aventurisches Götterwirken einen Teil des Inhalts genau diesem Themenkomplex gewidmet, sodass man dort die genauen Auswirkungen einfach nachschlagen kann. Darauf folgt ein Abschnitt über die Makel, die eine Seele erleiden kann. Alle, die zum Spaß paktieren wollen, seien hier gewarnt: Einmal verdammt kann die Seele nun nur durch ein göttliches Eingreifen erlöst werden.
Im Gegensatz zu früheren Editionen hat dieses Mal auch der finstere Widersacher aller guten Götter ein komplettes Regelset spendiert bekommen. Neben verschiedenen Varianten von Kulten kann man auch nachlesen, wie kultische Handlungen und der Weg in die Arme des namenlosen Gottes aussehen. Es gibt also Regeln zu den Gaben, die durch verschiedene Stufen des Selbstopfers verliehen werden, sowie Beispiele, was angemessene Opfergaben sind.
Was wären Geweihte ohne Visionen oder Predigten, die Massen bewegen? Zu diesem Zweck gibt es neuerdings auch diverse Möglichkeiten, Visions- oder Predigtsonderfertigkeiten zu erwerben. Diese sind im Grunde Schicksalspunkte-Sonderfertigkeiten, mit denen man besondere Aktionen durch Schicksalspunkte durchführen kann. Wer das interessant findet, aber keinen Geweihten bauen möchte, kann auch einen Zeloten spielen. Diese können besagte Fertigkeiten auch erwerben, ohne das komplette Paket kaufen zu müssen.
Zu guter Letzt widmet sich das Kapitel verschiedenen Kirchenströmungen, die unterschiedliche Aspekte der Gottheit ehren und für besonders wichtig erachten. Manche davon passen sehr in das klassische Bild, wie die Traditionalisten der Rondrianer, die besonders auf Ehre und Tapferkeit achten. Andere sind schon fast Antagonisten, wie die Bilderstürmer der Tsa-Kirche, die umstürzlerische Aktivitäten predigen und Kunstwerke zerstören. Dazu kommt die ein oder andere überraschende Ansicht, wie die Graugänse, die heimlich Menschen in gefährlichen Regionen versorgen und dort das Wort Travias predigen. Zu den eigenen Strömungen gibt es auch Liturgiestile, die Erleichterungen, aber teilweise auch Erschwernisse in bestimmten Situationen bringen können und ähnlich den Zauberstilen in Aventurische Magie aufgebaut sind.
Die besonderen göttlichen Fertigkeiten
Natürlich gibt es einen ganzen Haufen neuer Sonderfertigkeiten, die alle etwas an Aventurische Magie erinnern. Im Prinzip tun sie nämlich dasselbe für Karma wie ihre Äquivalente für Astralpunkte. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, wie die Fähigkeit, nicht durch Dämonen angegriffen werden zu können, solange man sich konzentriert.
Hier gibt es auch die Regeln zu den oben erwähnten Liturgiestilen, welche weitere Sonderfertigkeiten freischalten. Diese sind deutlich kreativer als im Magieband. Von neuen Varianten, Karma einzusetzen, bis zur Missionierung von treuen Jüngern gibt es reichlich Möglichkeiten.
Die Macht der Götter anzurufen
Natürlich gibt es reichlich neue Liturgien und Zeremonien. 86 neue Liturgien und 66 Zeremonien haben es in den Band geschafft. Die Zeremonien schummeln hierbei aber ein bisschen, da jede Verwandlung in das heilige Tier der Gottheit eine eigene Zeremonie bekommen hat, die jedoch alle nur Kopien der Löwengestalt aus dem Grundregelwerk sind. Da die Liturgien und Zeremonien auf Götter beschränkt sind, haben die einzelnen Geweihten nur eine beschränkte Auswahl, was aber immer noch für einen eindrucksvollen Karmalzauberer reichen sollte.
Auch in diesem Band gibt es kleine Erweiterungen für die einzelnen Liturgien sowie Zeremonien, die einmal erworben dauerhafte Vorteile bringen. Und selbstverständlich wurden auch die Liturgien aus dem Grundregelwerk nicht vergessen. Dabei folgt man durchgehend dem Schema aus Aventurische Magie und hat für jede Liturgie oder Zeremonie drei Erweiterungen zur Auswahl.
Im Dienst höherer Mächte
Natürlich gibt es auch zu allen 18 vorgestellten Göttern Baukästen für Geweihte im Buch. Das bedeutet natürlich, dass auch die Diener des Namenlosen Gottes eine Profession haben. Diese ist zwar ausdrücklich für das Erstellen von Meisterpersonen gedacht, dürfte Spieler aber wie immer auf Ideen bringen. Zusätzlich haben es auch die Orden der Amazonen, Draconiter und Golgariten in den Band geschafft.
Wer keine Zeit zum Bauen hat, kann auch einen der acht Archetypen wählen, die wieder mit einer kleinen Geschichte verbunden sind. Diese ist diesmal aber mehr ein Prolog zu einer größeren Verschwörung, weshalb nicht einmal alle der Helden am Ende aufeinander treffen.
Dazu findet man das wichtige Regelmaterial für den reisenden Priester. Damit sind Waffen und Rüstungen gemeint, die den verschiedenen Traditionen zu Eigen sind. Auch Kampfstile sind in dem Band vorhanden, die Amazonen, Golgariten und den Kor-Jüngern ganz eigene Vorteile verleihen. Leider hat man darauf verzichtet, den Kampfstil der Rondrianer aufzulisten, was der Vollständigkeit des Bandes sicher gutgetan hätte.
Und zum Schluss – das Fazit!
Insgesamt ist Aventurisches Götterwirken ein sehr gelungener Band. Er wirkt nicht so unvollständig wie der Band zur Magie und verfeinert das Spiel mit Geweihten. Das manche Liturgien doppelt vorhanden sind, nur um ihnen einen beeindruckenderen Namen zu geben, ist verzeihlich. Die Bilder sind zu großen Teilen sehr gelungen, wobei manche wohl eher Geschmackssache bleiben. Der Band deckt mit seinen Regeln alle zivilisierten Regionen von Thorwal bis Al’Anfa ab und ist empfehlenswert für alle an Geweihten interessierte Spieler.
Von den schon oben erwähnten kleineren Problemen der Balance einmal abgesehen, liegt der größte Kritikpunkt schon in den Grundlagen des DSA 5-Grundregelwerks. Die vielen stimmungsvollen und nützlichen Fertigkeiten sind sinnlos, wenn man nie die AP hat, sie zu erwerben. Gerade die kämpferischen Geweihten wie Kor-, Swafnir- und Rondrapriester haben mit den vorgeschlagenen 1100 AP für die Generierung kaum AP über, um irgendetwas zu steigern. Und auch die anderen Geweihten dürften am Anfang mehr wie geduldete Maskottchen wirken, als hilfreiche Gruppenmitglieder zu sein.
Wenn man jedoch einen Spezialisten braucht, sind die Geweihten in den meisten Fällen das Mittel der Wahl, keiner macht einem Efferd-Geweihten auf einem Schiff etwas vor und Ingerimm-Priester schmieden selbst im Dschungel am qualmenden Lagerfeuer noch eine passable Waffe. Und was der Meister mit einem Namenlosen Priester für Bösartigkeiten zufügen kann, inspiriert für viele Abenteuer.
Weitere Rezensionen zum DSA-Universum:
Aventurische Magie (Pen&Paper)
Die Siebenwindküste (Pen&Paper)
Niobaras Vermächtnis (Abenteuer)
Orkensturm (Brettspiel)
Regel-Wiki (Online-Nachschlagewerk)
Aventurisches Götterwirken
Philipp Neitzel, Alex Spohr, Fabian Talkenberg
(Ulisses Spiele, 2017)
Webseite: Das Schwarze Auge