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Eine der größten amerikanischen Autorinnen des 20. Jahrhunderts

Martin Ruf über Shirley Jackson und dunkle Phantastik

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Kategorie: Interview

Martin Ruf ist nicht gerade dafür bekannt, den einfachsten Weg zu gehen. Als hauptberuflicher Übersetzer in der Phantastik sucht er sich gerne die anspruchsvollen Aufgaben. Die amerikanische Horrorikone Shirley Jackson reiht sich da nahtlos ein. Die Autorin ist für einen fordernden Stil und ebenso anspruchsvolle Themen bekannt. Rufs Übersetzung von Jacksons zentralen Kurzgeschichten ist frisch in der "Festa Must Read" Reihe erschienen. Allemal ein lohnenswerter Anlass, um mit ihm über Shirley Jackson, seine Arbeit als Übersetzer und sein Verständnis von dunkler Phantastik zu sprechen.

Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Lieber Martin, ich habe dich als Übersetzer und Autor bei Büchern des Whitetrains schätzen gelernt. Nun durftest du für den FESTA-Verlag eine Geschichtensammlung von Shirley Jackson übersetzen: Die Lotterie - und andere dunkle Erzählungen. Da das Buch hier im Mittelpunkt stehen soll, fange ich ausnahmsweise nicht mit dir an, sondern Jackson: Wer ist denn Shirley Jackson und was zeichnet ihre literarische Arbeit besonders aus? Was war es für dich, das sie für dich so interessant gemacht hat? Und wie wählst du üblicherweise deine Übersetzungen aus?

Martin Ruf: Um es so einfach wie möglich zu sagen: Shirley Jackson (1916 - 1965) ist eine der größten amerikanischen Autorinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre sechs Romane sind bis heute noch sehr gut lesbar, und die beiden letzten, nämlich Spuk in Hill House (1959) und Wir haben schon immer im Schloss gelebt (1962) gelten ebenso als Meisterwerke wie etwa zehn, fünfzehn ihrer komplexeren, anspruchsvolleren Erzählungen. Es ist kein Zufall, dass ihre Werke heute in der angesehensten Buchreihe der englischsprachigen Welt erscheinen, der Library of America.

Gelegentlich wird sie von fern mit Nathaniel Hawthorne in Verbindung gebracht, und der Vergleich ist durchaus berechtigt: Erstens macht Hawthornes Name unmissverständlich ihren Rang klar, und zweitens haben beide einen Großteil ihres Werks der Erkundung ganz bestimmter Formen des Bösen gewidmet – jenen Formen, die viel mit verborgener Schuld und dem Aussortieren und Wegschieben bestimmter Menschen zu tun haben. Jacksons große Einsicht besteht darin, dass absolut jede*r Opfer werden kann, nicht nur Menschen, bei denen man es aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religionszugehörigkeit oder aufgrund anderer Kriterien erwarten würde. Wenn die Meute sich erst einmal zusammengerottet hat, ist es sinnlos, nach einem objektiven Grund dafür zu suchen.

Jacksons Stil ist dabei hoch individuell und unmöglich nachzuahmen, ohne dass man in eine Pastiche abgleiten würde. Bei anderen mag man das mit Gewinn tun; bei ihr nicht. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Shirley Jackson hat zwar keine*n direkte*n Nachfolger*in gefunden, doch umso größer ist ihre untergründige Wirkung. Wer auch immer sich heute in Amerika auf dem Gebiet der weird fiction umtut, hat von ihr gelernt. Nicht umsonst stimmt Stephen King bei jeder Gelegenheit Hymnen auf sie an.

Ich glaube, damit dürfte es offensichtlich sein, warum ich sofort zugesagt habe, als sich mir die Möglichkeit bot, sie zu übersetzen. Das außerordentliche Niveau des Originals war eine Herausforderung, der ich mich einfach stellen musste.

Zu dem Auftrag kam es, nachdem ich Frank Festa ein Übersetzungsprojekt angeboten hatte, aus dem dann nichts wurde. Als wir später miteinander telefonierten und darüber sprachen, was ich stattdessen machen könnte, erwähnte er neben drei, vier männlichen Autoren auch ihren Namen. Ab da war alles klar. Übrigens: In dem Augenblick, als ihr Name fiel, fehlten nur noch zwanzig Zentimeter, und ich wäre mit der Nase gegen sie gekracht. Ich stand nämlich genau vor dem Regal mit ihren Büchern.

Dass Verleger und Übersetzer in einer solchen Unterhaltung gemeinsam eine Autorin finden, ist eher die Ausnahme. Ich bin seit fünfundzwanzig Jahren hauptberuflicher Literaturübersetzer und habe in dieser Zeit über 50 Bücher aus dem Englischen übersetzt. In aller Regel beschränkt sich das Auswählen eines Buches schlicht auf die Frage, ob man einen Auftrag annehmen möchte oder nicht. Keines dieser Projekte war mir ganz fremd, denn sonst hätte ich es nicht machen können. Aber natürlich war mir auch nicht jedes gleich nahe. Und schon gar nicht so nahe wie dieses.


Die unscheinbare Shirley Jackson
(mit freundlicher Genehmigung vom FESTA Verlag)

Andreas (ZWO): Die Kurzgeschichtensammlung enthält zahlreiche Erstübersetzungen. Wie kam es denn zu der Zusammenstellung? Und: Welche Geschichte hat den tiefsten Eindruck bei dir hinterlassen?

Martin: Shirley Jackson hat zu Lebzeiten nur eine einzige Erzählsammlung veröffentlicht. Als sie starb, fanden sich in ihrem Nachlass zahlreiche Geschichten, die zuvor nur in Zeitschriften oder überhaupt nie veröffentlicht worden waren, darunter viele ihrer besten. Ihr Mann und ihre Kinder haben dann im Laufe der Jahre drei Bände dieser Werke veröffentlicht, und irgendwann hat ihr amerikanischer Verlag aus diesen dreien eine Sammlung mit dem Titel Dark Tales zusammengestellt, deren Geschichten allesamt eine atmosphärisch düstere Ausrichtung haben und somit gut zueinander passen. Die deutsche Übersetzung ist die exakte Wiedergabe dieses Bandes, nur wurde auf Deutsch die Geschichte “Die Lotterie” hinzugefügt, die im Original bereits zu Jacksons Lebzeiten in Buchform veröffentlicht worden war.

Obwohl die Geschichten, wie gesagt, allesamt düster sind, finden sich drei verschiedene Arten zu erzählen darin. Erstens Geschichten, die zwar ungewöhnlich sind, die man aber gerade noch als realistisch beschreiben könnte. Zweitens eindeutig phantastische Geschichten. Und drittens Geschichten, bei denen der Realitätsstatus völlig ungesichert ist und bei denen man nicht weiß, ob es sich um ein dunkles Märchen, einen Traum oder Alptraum oder schlichtweg um eine Wahnvorstellung handelt. Ein Beispiel für die letztere Art ist die nicht zufällig Dylan Thomas gewidmete Geschichte “Ein Besuch”, die ich für eine ihrer besten halte und welche die meisten Leser*innen gewaltig ins Schwimmen bringen dürfte. Ähnlich gelungen ist “Sie sagte nichts als ja” aus einer der beiden anderen Kategorien. Aus welcher? Man lasse sich überraschen. Vielleicht hängt die Antwort ja davon ab, wer die Geschichte liest.

Andreas (ZWO): Wie du schon sagtest, wurde dem Band die Kurzgeschichte The Lottery hinzugefügt, die dann gleich titelgebend ist. Worum geht es denn da und was macht den Reiz dieser Geschichte aus? Wie erklärst du dir, dass diese Kurzgeschichte so eine Faszination ausgelöst hat?

Martin: Gut, dass du diese Frage stellst. Ich möchte sie nutzen, um grundsätzlich darauf einzugehen, wie man diese Erzählungen lesen sollte. Die meisten von ihnen sind relativ kurz, und das verführt dazu, schnell mal eine dazwischen zu schieben, wenn man gerade ein paar Minuten Zeit hat. Davon rate ich dringend ab. Sie sind so atemberaubend fein und elegant gearbeitet, dass man beim schnellen Dazwischenschieben vieles überlesen würde – und manchmal sogar das Entscheidende. Bei den ein, zwei ganz kurzen kann man vielleicht eine Ausnahme machen, aber an alle anderen würde ich mich nur setzen, wenn ich genügend Zeit hätte, um genausogut die Lektüre eines Romans anzufangen, denn hier zählt wirklich jedes Wort.

Dies gilt natürlich ganz besonders für “Die Lotterie”, über deren Inhalt ich bewusst nichts sagen möchte, um niemandem, der sie noch nicht kennt, die Leseerfahrung zu verderben. Sie ist die wohl berühmteste und folgenreichste amerikanische Erzählung im 20. Jahrhundert, die jede*r einmal im Leben gelesen haben sollte. Sie ist eine bittere, ehrliche und unendlich melancholische, aber leider zutreffende Beschreibung unserer Spezies. Das mag wohl, neben dem außerordentlichen literarischen Können im engeren Sinne, der Grund dafür sein, warum sie bis heute, genau 75 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung, ihre Leser*innen so sehr zu bewegen vermag.

Andreas (ZWO): Manche Literaturwissenschaftler*innen sprechen bei Jacksons Werken von einer “Female Gothic”. Nach deiner intensiven Übersetzungserfahrung: Findest du das eine passende Beschreibung? Oder spielt die weibliche Perspektive gar keine so große Rolle bei ihr?

Martin: Ich fürchte, die Bezeichnung weckt eher falsche Assoziationen. Ich jedenfalls denke dabei immer an zwei Autorinnen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, nämlich Ann Radcliffe und Charlotte Dacre, und, als neueres Beispiel, an Laura Purcell. 

Trotzdem ist es sinnvoll, sich die Bezeichnung genauer anzuschauen. Die weibliche Perspektive spielt bei Shirley Jackson sicherlich eine ganz große Rolle. Fast immer sind Mädchen und Frauen die Hauptfiguren. Doch Vorsicht. Zwar gibt es in ihren Geschichten tatsächlich einige widerliche männliche Raubtiere, deren Opfer Frauen werden, doch Jackson ist viel zu klug, als dass sie es dabei belassen würde. Im Gegenteil. Die Frauen bei ihr intrigieren, lügen, betrügen, stehlen, morden, erweisen sich als übernatürlich hellsichtig oder komplett verblendet in ihrem Narzissmus; sie werden wahnsinnig und treiben andere in den Wahnsinn und werden selbst nicht nur Opfer von Männern sondern eben auch von Frauen. Jede Variation, die man sich vorstellen kann, kommt vor, je nach den Anforderungen der konkreten Geschichte.

Wie ich oben schon angedeutet habe, ist “gothic” der problematischere Teil der Bezeichnung.  Er mag in einem sehr weiten Verständnis seine Berechtigung haben; als Beschreibung des Stils im engeren Sinne trifft das Wort aber nur auf wenige Erzählungen zu Um zwei Beispiele aus dem vorliegenden Band zu nehmen: Die bewusst rätselhafte Erzählung “Die Geschichte, die wir immer erzählt haben” ist eindeutig “gothic”, während “Die Möglichkeit des Bösen” es ebenso eindeutig nicht ist.


Auf deutsch erschienene Romane von Jackson im FESTA Verlag

Andreas (ZWO): Nähern wir uns doch einmal deiner Übersetzungsarbeit. Was sind denn die besonderen Herausforderungen bei einem solchen Projekt? Kannst du uns einen Einblick in besonders knifflige Fragen geben?

Martin: Vor allem zwei Aspekte von Shirley Jacksons Stil sind nicht immer ganz problemlos, um das Mindeste zu sagen. Der erste: Sie liebt lange Satzgefüge mit vielen unterordnenden Nebensätzen, und darin musste ich ihr natürlich folgen. Ich konnte diese langen Satzperioden nicht einfach kleinhächseln, nachdem Jackson die bewusste Entscheidung getroffen hatte, mit großem Atem weit auszuholen. Aber wie weit konnte ich ihr überhaupt folgen, und wo war die Grenze im genauen Nachbau ihrer Sätze? Die Grenze war dort, wo auf Deutsch alles unverständlich geworden wäre, und die fragliche Stelle entsprach nicht immer genau dem Punkt, an der er ein englischer Satz unverständlich geworden wäre. So bleibt einem nichts anderes übrig, als jedes Mal abzuwägen, ob sich der Satz auf Deutsch noch flüssig oder vielleicht sogar elegant liest oder nicht. Mein schlimmster Vormittag war, als ich genau zwei – zwei! – deutsche Entsprechungen zustande brachte und ein paar Tage später den zweiten Satz trotzdem in mehrere Einzelsätze zerlegen musste, weil die erste deutsche Leserin, meine Frau, sagte, dass das so nicht geht. Es war allerdings tatsächlich der mit Abstand längste Satz im ganzen Buch.

Ein zweites auffälliges Stilmerkmal ist, dass Jackson oft viele einfache Hauptsätze mit einem “und” verbindet. Im besten Fall wird auf diese Weise ein Fließen erzeugt, das einen immer tiefer in die phantastischen Ereignisse hineinzieht, denn dieses Mittel ist besonders bei den traum- , märchen- oder wahnhaften Geschichten wichtig. Aber ab wann würde aus diesem fließenden “und” auf Deutsch ein nervtötendes Klappern? Wieder hilft nur sorgfältiges Hinhören. Und eine erfahrene Erstleserin.

„Trotz all ihrer Popularität hat Shirley Jackson überraschend wenig Anerkennung gefunden. Sie hat nie eine Auszeichnung oder einen Preis, nie ein Stipendium oder ein Fellowship erhalten; ihr Name wurde oft von Listen gestrichen, auf die er zweifellos gehört hätte . . . Ich glaube, dass man in Zukunft immer deutlicher erkennen wird, wie wichtig und bedeutend ihre eindringlichen Visionen des Leids und der Unmenschlichkeit sind und dass Shirley Jacksons Werk zu der kleinen Gruppe literarischer Leistungen unserer Zeit gehört, die wahrscheinlich bleiben werden.“

Stanley Edgar Hyman (1965)
(Zitiert nach Ruth Franklin (2016): Shirley Jackson: A Rather Haunted Life, Übersetzung des Zitats von Martin Ruf)

Andreas (ZWO): Wie gesagt habe ich dich auch unabhängig von Jackson als Übersetzer und Autor schätzen gelernt. Neben mir liegt dein Roman Alexandras Augen. Du hast außerdem Geschichten von Louis Marvick beim Whitetrain übersetzt und dort auch eine kurze Geschichtensammlung namens Qualitas Occulta veröffentlicht. Vielleicht kannst du uns die nicht gerade einfache Frage beantworten, was deinen Blick auf die dunkle Phantastik auszeichnet. Was ist es, das die Auswahl deiner eigenen Werke prägt?

Martin: Damit sprichst du viele Dinge auf einmal an. Deshalb Schritt für Schritt.

Dass du Alexandras Augen neben dir liegen hast, rührt und ehrt mich. Welchen Verdienst der Roman auch immer haben mag, er ist ein Erstlingswerk mit allen Schwächen eines solchen. Ich hoffe, ich habe inzwischen ein wenig dazugelernt.

Was meinen Blick auf die dunkle Phantastik angeht, so muss ich ein wenig ausholen. Ich bin davon überzeugt, dass niemand auch nur einen einzigen Tag überleben würde, sollten die Schutzmechanismen nicht funktionieren, die uns zu jeder Stunde den Blick darauf verstellen, wie die Welt wirklich ist. Damit meine ich nicht einmal Krieg und andere Formen der Gewalt. Die kommen erst an zweiter Stelle zu allem anderen noch hinzu. Ich meine vielmehr etwas weitaus Fundamentaleres, nämlich das, was man die grundsätzliche Gestalt des menschlichen Lebens auf dieser Welt nennen könnte. Nimm zum Beispiel diese eine Sekunde hier. Jetzt. Sie ist das Allerrealste, was sich vorstellen lässt, das Realissimum schlechthin. Aber schon eine Sekunde später ist die vorherige Sekunde uneinholbar vergangen. Die überaus reale Sekunde, das Realissimum, hat sich ins Nichts aufgelöst. Und dann kommt die nächste Sekunde, und so weiter, ad infinitum – oder eben gerade nicht ad infinitum, denn was uns am Ende all dieser Sekunden erwartet, brauche ich nicht auszusprechen. Eigentlich müsste man wahnsinnig werden.

Die dunkle Phantastik nun kann an ihren gelungensten Stellen diese Schutzmechanismen für die Dauer der Lektüre fast spielerisch und kurzzeitig aufheben, sodass es zu jenem berühmten shock of recognition kommt, von dem Henry James spricht. Diese existenzielle Verunsicherung, die von den besten Werken ausgeht, zeigt uns, wie die Welt tatsächlich aussieht. Genau das ist, für mich, ihre Aufgabe.

Es gibt gewiss viele verschiedene Möglichkeiten, um diese Verunsicherung zu erreichen. Eine davon besteht darin, dass man den Realitätsstatus der erzählten Ereignisse unterminiert. Genau das tut Shirley Jackson, wie schon erwähnt, in einigen ihrer besten Geschichten. Drei exzellente Autoren jüngeren Datums, die das auf ihre ganz eigene Weise ebenfalls tun, wären zum Beispiel Thomas Ligotti, Mark Samuels und gelegentlich auch Louis Marvick, wie etwa in seiner - bisher noch nicht übersetzten - Novelle The Madman of Tosterglope, die zweifellos zu seinen besten gehört.

Übrigens: Ich bin überzeugt davon, dass diese elementare Verunsicherung der eigentliche Grund dafür ist, warum manche Menschen keine phantastische Literatur mögen. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Die Wartelisten für Therapieplätze zur Behandlung von Depressionen sind voll von Menschen, deren Schutzmechanismen auch ohne phantastische Literatur viel zu durchlässig sind. Aber das nur nebenbei.

Es versteht sich von selbst, dass jemand wie ich, der eine solche Konzeption von dunkler Phantastik hat, diese auch in seinen eigenen Erzählungen zu verwirklichen versucht. Darüber zu urteilen, ob mir das bis heute auch nur ansatzweise gelungen ist, steht mir nicht zu. Aber obwohl ich aus vielerlei beklagenswerten Gründen kaum mehr als anderthalb Erzählungen pro Jahr schreibe und noch weniger veröffentliche, weiß ich doch, wo ich hinwill.


Übersetzer Martin Ruf

Andreas (ZWO): Mit der Lotterie hast du eine mehr als spannende Veröffentlichung vor der Tür. Das wird aber sicher nicht dein letztes Übersetzungsprojekt gewesen sein. Gibt es etwas worauf wir uns aus deiner Übersetzungsfeder freuen dürfen? Und hast du sogar ein eigenes Werk in der Planung

Martin: Als nächstes übersetztes Buch im Genre wird, wiederum bei Festa, The House on the Brink von John Gordon erscheinen. Wann das sein wird, weiß ich aber nicht. Das im Original vor über fünfzig Jahren veröffentlichte Buch gilt bis heute als einer von überhaupt nur zwei wirklich gelungenen Romanen in der Nachfolge von M. R. James. Das Wort “Roman” ist hier entscheidend, denn Erzählungen gibt es mehrere. Ich nenne als Beispiel nur diejenigen der wunderbaren Helen Grant.

Als bisher anspruchsvollste Übersetzung von Louis Marvick wird eine weitere Erzählung in Tobias Reckermanns Anthologie Hellbound Train erscheinen, die für 2024 geplant ist. Dort wird dann auch eine neue Erzählung von mir zu finden sein. Danach ist vieles offen. Aber mit etwas Glück werde ich 2024 eine längere Geschichte von Louis Marvick übersetzen und selbst wenigstens eine weitere Erzählung schreiben können. Vielleicht sogar wieder anderthalb.

Andreas (ZWO): Vielen Dank für deinen ebenso erkenntnisreichen wie verunsichernden Einblick in Jacksons Werk und dein Verständnis von dunkler Phantastik!

Alle Genretalks im Überblick

 

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