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Wasteland 3

Familientherapie im kühlen Colorado

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Kategorie: Games

Sechs Jahre ist es her, dass Brian Fargo mit Wasteland 2 einen Nachfolger des Urvaters aller postapokalyptischen RPGs aus dem Jahr 1988 produzierte. 2014 musste InExile noch gänzlich auf Crowdfounding setzen. Mit dem dritten Teil stieg Microsoft mit ins Geschäft und sorgte dafür, dass Fargos dritter Ableger der Wasteland-Reihe mehr Ressourcen, Zeit und Feinschliff erhielt. Die Zeit dafür könnte nicht besser sein. Der Trend zur Rundentaktik hat sich in den vergangenen Jahren großer Beliebtheit erfreut. Ob Strategietitel wie X-Com oder Rollenspiele wie Baldur's Gate 3, ja sogar Spin-offs berühmter Shooter, wie Gears Tactics, sie alle konnten große Erfolge feiern. Wasteland 3 muss sich dafür nicht einmal neu erfinden. Fargos Endzeit-RPG setzte schon damals auf bewährte Rundentaktik. Da ist doch der Erfolg bereits vorprogrammiert oder?

Zumindest auf dem PC, wo Wasteland seinen Ursprung hat, lief das Spiel am Erscheinungstag recht rund. Die Konsolenfassungen mussten mit Abstürzen, ausfallendem Sound und Performanceproblemen kämpfen. Mittlerweile wurden die meisten Probleme jedoch behoben. Tatsächlich ist Wasteland 3 der erste Teil, der auf allen Plattformen zeitgleich erscheint, während der Vorgänger seine Konsolenpremiere mit dem Director's Cut erst ein Jahr später feierte.

Da warens nur noch zwei ... oder drei

Um den dritten Teil zu verstehen ist es nicht notwendig, die beiden Vorgänger gespielt zu haben. Nützlich ist es aber schon, denn die Handlung knüpft unmittelbar an das Ende des zweiten Teils an und zieht mit diversen Referenzen Verknüpfungen zu den Prequels. Wo Teil eins und zwei noch in der trockenen Wüste von Arizona und Kalifornien spielen, begeben wir uns in Wasteland 3 in die kalte Eiswüste von Colorado. Nach dem Ende des Vorgängers verloren die Ranger durch die Zerstörung einer korrupten KI ihre Basis und sind nun von einer Hungersnot betroffen. In ihrer Not nehmen sie einen Auftrag des Patriarchen von Colorado an, der ihnen im Tausch für ihre Dienste die nötigen Ressourcen zum Überleben verspricht. Wir sollen die drei Kinder des Patriarchen zurück nach Hause bringen. Diese haben in ihrer Machtgier die Kontrolle über Colorado an sich gerissen und tyrannisieren nun die Bevölkerung. Wichtig ist, dass wir sie lebend zurückbringen. Doch die Mission wird schon zum Desaster bevor die 50 losgesandten Ranger am Zielort ankommen. Ein Hinterhalt der verfeindeten Dursley-Familie dezimiert die Ranger auf lächerliche drei Überlebende (zwei, wenn wir uns ungeschickt verhalten). Zwei davon übernehmen wir. Ob wir nun zwei der vorgefertigten Charaktere nehmen oder uns unsere eigenen Figuren basteln, liegt ganz bei uns.

Haare oder Hut?

Der Charaktereditor ist dabei ein zweischneidiges Schwert. Wo wir mit Fertigkeiten, Attributen und charakterspezifischen Vorteilen tief in die charakterliche Trickkiste greifen können, ist der Figureneditor ziemlich schwach. Neben einer Reihe vorgefertigter Gesichter können wir die Größe und Statur festlegen. Doch bereits bei der Frisur wird es ärgerlich: Sobald man einen Hut oder Helm trägt, und das sollte man zum Schutz der Figur immer tun, hat jeder Charakter eine Glatze. Damit passt unsere Figur in 90 % aller Fälle nicht zu unserem gewählten Profilbild, das trotz Hut noch wallende Rangerhaare hat.
Haben wir uns mit diesem Makel abgefunden, entlässt uns das Spiel in die Individualisierungshölle (oder Paradies, je nach Vorliebe). Doch hat man das System einmal durchschaut, ist es gar nicht mehr so schwer. In den Attributen legen wir Koordination, Glück, Achtsamkeit, Stärke, Geschwindigkeit, Intelligenz und Charisma fest. Je nach den Eigenschaften, die sich in Kampffertigkeiten, Allgemeine Fertigkeiten, Erkundungsfertigkeiten und Sozialfertigkeiten unterscheiden, unterstützen die Attribute uns in diversen Talenten. So legen wir unsere Startwaffen fest, entscheiden ob wir hacken oder basteln können, oder gut darin sind, Leute zu überzeugen. Optimalerweise bilden wir in unserer Party keine Figuren mit den gleichen Fähigkeiten zweimal aus, sondern ergänzen uns so, dass unsere aus maximal sechs bestehende Truppe einmal alles abdeckt. Wenn wir wollen, geben wir jeder unserer Figuren eine Macke. Dann ist sie in einer Sache besonders gut, erhält dafür aber in einer anderen Eigenschaft einen Nachteil. Die Macke "Massenmörder" (übrigens falsch aus dem englischen "Serial Killer" übersetzt) reduziert unsere Aktionspunkte z. B. um 1, schenkt uns aber 3 Aktionspunkte, wenn wir jemanden töten. Mit der zunehmenden Aufrüstung unserer Eigenschaften schalten wir sogenannte Vorteile frei. Das sind Spezialaktionen, die uns zwar mehr Aktionspunkte kosten, aber dafür besonderen Schaden anrichten.

Eine bewährte Formel

Nach der umfangreichen Charaktererstellung stimmt uns ein gut erzähltes Tutorial auf die Spielmechaniken ein. Später können wir unsere beiden Startfiguren durch zwei zusätzliche Söldner ergänzen. Die restlichen zwei Charakterslots sparen wir uns auf für NPCs, die uns zeitweise begleiten. Verständlicherweise können wir deren Eigenschaften und Attribute nicht beeinflussen. Dafür können sie mit einzigartigen Dialogen entscheidende Storywendungen herbeirufen. Mit dem Talent Tierflüsterer holen wir uns sogar Tiere mit ins Boot. Die gezähmten Fellknäuel greifen von sich aus an, gehen aber nicht in Deckung. Wer seine Kampfkatze also bis zum Ende des Spiels behalten möchte, sollte gut auf sie aufpassen.
Die Kämpfe laufen nach dem bewährten Rundentaktik-Prinzip ab. Sobald der Kampf beginnt, legt sich ein Schachbrettmuster über die Karte. Dabei sollte man darauf achten, dass die Figuren nicht zu weit auseinander stehen, da ein Nahkämpfer, der sich aus der hintersten Reihe erst einmal nach vorne bewegen muss, nicht mehr ausreichende Aktionspunkte haben wird, bevor er den Feind erreicht. Auch sollte man zum Ende der Runde in einer guten Deckung stehen, damit man nicht zum Kanonenfutter wird. Innerhalb des blauen Bereichs können wir immer noch einen Angriff hinterher schieben. Innerhalb des gelben Bereichs ist nur noch die Bewegung der Figur möglich.
Mit einer gut ausbalancierten Gruppe können wir bereits in der ersten Runde so viel Schaden anrichten, dass unsere Gegner kaum noch etwas entgegen zu setzen haben. Oftmals zählt die Devise, wer zu erst angreift, gewinnt. Das heißt aber auch, dass wir manchmal den Kürzeren ziehen, wenn wir bei einem Hinterhalt kalt erwischt werden. Ein Sanitäter inklusive Ausrüstung kann den Ausgang der Schacht entscheidend beeinflussen.
Mit dem Zodiac, einem Art Transportpanzer erhalten wir auf unseren Ausflügen noch ein zusätzliches wichtiges Gefährt mit dem wir nicht nur unsere Truppe transportieren, sondern auch aktiv am Kampf teilnehmen. Später können wir den Zodiac auch noch aufrüsten. Haben wir den Zodiac dabei, können wir es auch mit stärkeren Gegnern, wie z. B. Skorpionrobotern aufnehmen. Haben wir nicht das Glück, ihn dabei zu haben, ist es aber möglich starken Gegnern anhand ihres Sichtradiusses auszuweichen. Überhaupt sollte man die vielseitige Einsatzfähigkeit seiner Truppe voll ausnutzen, indem man Gegner bequatscht oder zu seinen Gunsten umprogrammiert. In diesen Momenten macht Wasteland am meisten Spaß und ermutigt sogar dazu, einen weiteren Spieldurchgang mit anderen Optionen anzugehen, denn Entscheidungen führen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen und können darüber entscheiden, ob eine Fraktion euch feindlich oder freundlich gesinnt ist.

Der Fluss der Erzählung

Trotz des düsteren Ausgangsszenarios ist Wasteland 3 nicht wirklich allzu ernst zu nehmen. Sicher gibt es den einen oder anderen tragischen Moment. Allerdings überwiegen letztlich die absurden, aber auch komischen Dialoge und Situationen in denen an Seriösität nicht mehr zu denken ist. Die Menschen der Postapokalypse sind alle ein gutes Stück verrückt und je nach Antwortoption sind wir es auch. Beispielsweise bekommen wir es mit einem Kult zu tun, der eine Ronald-Reagan-KI verehrt. Anderswo betreten wir ein Bordell mit einem sehr interessanten Ensemble. Sogar Serienschöpfer Brian Fargo hat sich mit einem Anagramm-Namen im Spiel verewigt. Natürlich gibt es wieder die mächtige Fähigkeit Toaster zu "reparieren", um damit mächtige Ausrüstung aus ihnen zu bergen.
Es kann übrigens durchaus passieren, dass unsere Gastcharaktere in der Gruppe sehr spontane Dinge tun. Wie wir dann reagieren, hängt von unseren Verhandlungsfähigkeiten ab. Es kam somit aber durchaus zu ungeplanten Gefechten, die wir so zuletzt erwartet hatten, weil unsere emotional überwältigte Mitstreiterin eine Rechnung offen hatte, von der sie uns noch nichts erzählt hatte. Man sollte sich nicht damit beschäftigen, den bestmöglichen Ausgang des Spiels anzustreben, denn gerade diese unerwarteten Storywendungen verleihen dem Spiel erzählerische Tiefe. Einen perfekten Weg des Guten, wie in Biowares Dragon Age oder der Mass-Effect-Reihe gibt es nicht. Wo ich sonst nach missglückten Verhandlungen gerne einmal neu lade, habe ich es hier passieren lassen, denn wo sich eine Tür schließt, öffnet sich irgendwo eine andere.
Technisch hat Wasteland 3 seit dem Vorgänger einen riesigen Sprung gemacht. Die Grafik sieht schicker aus, die Effekte haben mehr Wumms und die Zugänglichkeit für Einsteiger der Rundentaktik ist durchaus fair gestaltet. Lediglich die Dialoge spielen sich etwas hakelig. Wer nicht mit Maus und Tastatur spielen möchte, kann auch die Controllersteuerung benutzen. Die Konsolenversionen von Wasteland 3 hatten zu Beginn noch mit diversen Bugs zu kämpfen, die sowohl Gameplay als auch Technik betrafen. Die PC-Version lief bei uns durchgehend problemlos.

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