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Das Tor

Gesellschaftskritische Dystopie aus Ägypten

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Kategorie: Literatur

Seitdem der Aufstand blutig niedergeschlagen wurde, ist das Tor geschlossen. Hinter dem Tor befindet sich jedoch der Verwaltungsapparat einer namenlosen arabischen Stadt. Das Leben verändert sich schnell, denn die Menschen warten jede Minute vor dem Tor, um Genehmigungen zu erhalten, die sie für wirklich alles benötigen. Doch das Tor öffnet sich nicht.

Der blutige Aufstand, der viele Verletzte und auch Tote zu beklagen hatte, hat offiziell nicht stattgefunden. Dennoch wird aufgrund dessen das ohnehin sehr streng bürokratisch organisierte Leben der Menschen weiter durch neue Gesetze und Maßnahmen eingeschränkt, die alle eine Genehmigung benötigen: Wie zum Beispiel ein Identitätsnachweis, um weiter arbeiten oder Brot kaufen zu dürfen. Auch Yahya steht in der immer länger werdenden Warteschlange vor dem Tor. Er benötigt eine Erlaubnis für eine Operation, denn er wurde beim Aufstand durch eine Kugel verletzt, die sich noch in seinem Körper befindet und ihm langsam aber sicher den Tod bringen wird.  

Viele Geschichten spielen sich innerhalb dieses kleinen Kosmos der Warteschlange ab. Eine eigene Welt der Wartenden entsteht, wird zum Lebensmittelpunkt, zur Wohnstätte für immer mehr Personen aus den unterschiedlichsten Beweggründen. Doch das Tor bleibt verschlossen, und die vom Staat herausgegebenen Erklärungen und Erlasse werden mit der Zeit mehr und mehr. Doch die Menschen hoffen weiter, obwohl es keine Hoffnung gibt. 

Bedrückende Dystopie

Das Buch der ägyptischen Autorin Basma Abdel Aziz ist vor allem eins – bedrückend. Und das auf vielen unterschiedlichen Ebenen. Die Menschen sind der Willkür ihres Staates ausgeliefert, klammern sich in ihrer ausweglosen Hilflosigkeit an das System, das sie kennen und das sie immer begleitet hat. Einfach einen Antrag ausfüllen und das Leben kann weitergehen. Selbst nach Wochen, die das Tor bereits geschlossen ist, erscheint es den Menschen nicht als Option, ihren Platz in der Warteschlange aufzugeben, er gibt ihnen in gewisser Weise Zuversicht, Halt und Hoffnung.  

Auch die Art, wie die weiteren Charaktere innerhalb dieses Systems agieren müssen, ist bedrückend. Yahya ist nicht das einzige Schicksal, dem in der dystopischen Gesellschaftskritik Aufmerksamkeit zugedacht wird. Die Vielzahl an Geschichten zeigt auf vielfältige Art und Weise die entmutigenden und zermürbenden Auswirkungen des totalitären Staates, die eine jede Person schlussendlich einfach ins Unglück stürzt. 

Nüchtern und sachlich 

Atmosphärisch unterstrichen wird die Thematik durch den Schreibstil der Autorin. Nüchtern und sachlich, fast bürokratisch kommt er daher. Eigentlich ziemlich passend – da sich natürlich sehr viel um Bürokratie dreht. Dadurch entsteht natürlich auch keine richtige Beziehung zu den Charakteren, was beim Lesen gewisse Schwierigkeiten bereitet.  

Aber auch dieser Fakt wirkt mit Bedacht gewählt, um die Grundthematik des Romans vom ersten bis zum letzten Wort im Buch aufgehen zu lassen. Der Wert des einzelnen Menschen ist in dieser den Lebensmut raubenden Bürokratie nicht gerade hoch. Ein weiterer "Vorteil", der daraus entsteht, ist, dass man so als lesende Person immer in dieser bedrückenden Gesamtsituation verortet ist. Die so gesetzte Stimmung unterstreicht das ganze Setting des Buchs.  

So stimmig das alles klingt, es macht das Buch stellenweise anstrengend zu lesen. Ungefähr so, als ob man gerade die Erläuterungen zu einem unverständlichen Punkt in der Steuererklärung liest, oder den "Passierschein A38" bewilligt bekommen möchte. Die Menschen innerhalb der Geschichte sind bereits so zermürbt, dass sie den Wahnwitz des Regimes allerdings kaum mehr erkennen. Warum sonst sollte man sich bereitwillig vor ein Tor stellen, während man wegen einer Kugel im Bauch im Sterben liegt – bzw. in der Warteschlange auf eine Antragsbewilligung wartet.  

Fazit

Das Tor von Basma Abdel Aziz ist keine leichte Kost – und das muss es auch gar nicht sein. Die Herrschenden hinter dem Tor regieren mit einem bürokratischen Unterdrückungsapparat, der auf diese Weise die körperlichen und seelischen Kräfte der Menschen raubt, dass sie kaum mehr auf physische Gewalt zurückgreifen müssen, da sie die ultimative Waffe der Wartezeit auf ihrer Seite haben. Natürlich wäre es durchaus lesefreundlicher gewesen, wenn die Sprache des Buches nicht ebenso verbürokratisiert wäre wie viele Teile des Inhalts, aber immerhin unterstreicht es das Gesamtbild des Romans.  

Damit soll aber keinesfalls die Bedeutung des Settings abgewertet werden. Die vielen Geschichten und Einzelschicksale, die abgebildet werden, sind beklemmend und zeichnen ein düsteres Bild eines Regimes, das die Menschen unter Kontrolle hält. Von der Extraktion einer Kugel im Bauch bis zum Kauf eines Brotes – das alles ist nur mit einer behördlichen Genehmigung möglich und beeinträchtigt das Leben eines jeden Menschen in besonderem Maße.  

Das Tor ist ein Buch, das sicherlich nicht für jeden das richtige ist. Auch wenn es zeitweise herausfordernd zu lesen war, ist es dennoch ein Roman, der mir sehr lesenswert erscheint.  

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