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!Time Machine #2

Von SF-Fans, für SF-Fans

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Literatur

Zeitmaschinen können die unterschiedlichsten Formen haben. Mal kommen sie als gigantischer Computer daher, mal als futuristisches Auto und manchmal eben auch ganz unverdächtig als Fanzine. Mit !Time Machine hat sich der Wurdack-Verlag nämlich vorgenommen, uns in der Form von Artikeln und Übersichten in die Geschichte der deutschsprachigen und internationalen Science-Fiction zu führen.

!Time Machine wird federführend vom selbsternannten „Phantastischen Quartett“ Ralf Bodemann, Christian Hoffmann, Udo Klotz und Stefan Kuhn herausgegeben. Das 64-Seitige Heft erscheint jährlich in hochglänzendem A4-Format und liegt mittlerweile in der zweiten Ausgabe vor. Ganz im Mittelpunkt steht die Science Fiction. Natürlich ist man nicht blind für Gattungen links und rechts vom futuristischen Genre, Kernkompetenz ist aber ungefragt Science Fiction und ihre Geschichte.

Von Perlen ...

Als jährlich erscheinendes Magazin will das Heft keinen aktuellen Überblick schaffen, sondern konzentriert sich auf die Geschichte und einzelne herausragende aktuelle Werke. Dabei zeichnet sich das Heft durch eine Mischung aus umfangreichen Artikeln und eingestreuten SF-Perlen aus. Letztere sind kleine, grob eine Seite umfassende Artikel, die ein Licht auf eine ausgewählte Publikation werfen. Hier etwa das im Reprint erschienene deutsche Science-Fiction-Magazin Die Welt von Morgen aus den 1950er Jahren, der Klassiker Starship, der in Neuübersetzung bei Mantikore erschienen ist, und die Filmproduktion eXistenZ. Etwas umfangreicher als eine „Perle“ fallen die Besprechungen zur Graphic Novel Sweet Tooth und der deutschsprachigen Heftserie Der Luftpirat aus den späten 1940er Jahren aus. Beide Artikel gehen über einen bloß subjektiven Eindruck hinaus. Während Sweet Tooth mit ein bisschen Spoilergefahr von Christian Hoffmann beschrieben und eingeordnet wird, ist Willi Ley und der Luftpirat von Wolfgang Both ein kurzer, aber akribisch recherchierter Artikel über die frühe deutsche Science Fiction. Als aufmerksame Leserin oder Leser kann man hier zwischen den Zeilen schnell eine gute Übersicht über die (post-)nazistische SciFi-Literatur gewinnen.

... und Korallenriffs

Anders als in anderen Science-Fiction-Magazinen sucht man in der Zeitmaschine vergeblich nach Kurzgeschichten. Am nächsten kommen dem noch die zwei kurzen SciFi-Gedichte von Erik Simon. Im Fokus steht aber ganz die (theoretische) Aufbereitung der bestehenden Science Fiction, wobei in dem durchaus schlanken Heft einiger Platz für umfangreiche Artikel geschaffen wurde.

Gleich nach der ersten Perle landen wir mit Hilfe von Udo Klotz auf dem Mond. Als lunarer Reiseführer gibt er uns eine narrativ ausgeschmückte Übersicht über die lunare Science Fiction. Die ungewöhnliche Form ist dabei nicht das ungewöhnlichste. Fast schon erschlagend ist die gefühlt lückenlose Aufbereitung aller Romane, die auf dem Mond spielen. Ganze 16 Seiten handeln von Kurzbeschreibungen und -einordnungen lunarer Romane und Kurzgeschichten – das fast dreiseitige Literaturverzeichnis ausgenommen. Wer sich immer mal gefragt hat, welche Romane alle den Mond zum Thema haben oder locker nach inspirierendem Lesestoff sucht, wird hier allemal fündig werden. Auch wenn der erzählende Stil die Aufreihung auflockert, ist so eine Artikelart jedoch allemal etwas gewöhnungsbedürftig und kann schnell ermüdend sein.

Auch der Artikel über den im Wurdack-Verlag neuaufgelegten Mark Brandis, beziehungsweise Nikolai von Michalewsky, geht schnell in eine ähnliche Richtung. Michael-Lothar Höfler gibt einen kurzen Überblick über die persönliche Science-Fiction-Reihe, bevor er die 32 Bände der Serie einzeln bespricht und chronologisch in Beziehung setzt. Der das Heft abschließende Beitrag Science Fiction History verbindet schließlich das Leitthema des Heftes mit einem solchen Überblickcharakter. Hardy Kettlitz schaut sich relevante Ereignisse der Science-Fiction-Geschichte an. Nach Wissenschaft und Technik, Phantastik-Ereignissen, Filmen, Geburten und Toden geordnet blickt er auf die Jahre 1918, 1943, 1968 und 1992, geht also jeweils 25 Jahre von 2018 zurück. Ein ungewöhnlicher Ansatz, der uns auf 25 !Time Machine Ausgaben hoffen lässt.

Religion und Science Fiction

Neben Überblicksartikeln und Schlaglichtern auf einzelne Perlen kommt auch die Theorie nicht zu kurz. Hans Frey schaut sich systematisch die Science-Fiction-Literatur in Bezug auf Religion an. Auch dieser Artikel liefert einen geschichtlichen Überblick, strukturiert diesen aber mit einer theoretischen Fragestellung.

In acht Abschnitten geht der Autor mit starker Meinung und großer Sachkenntnis auf den Komplex von Religion und Science Fiction ein. Dabei geht er schnell an das Eingemachte. Nach einer groben Übersicht gibt es eine Arbeitsdefinition von Religion – und nicht weniger als die Frage, warum Menschen religiös sind. Aufbauend auf dem Gründungsvater der Soziologie, Auguste Comte, zeichnet er die Genese und Funktion von Religion nach und hält sich selbst nicht mit seinem religionskritischen Ansatz zurück. Wer um seine religiösen Gefühle besorgt ist, wird spätestens beim Abschnitt „Gibt es Gott? oder Was heißt eigentlich ‚glauben‘“ ins Schlucken kommen. Mit „an Sicherheit grenzende[r] Wahrscheinlichkeit“ wird hier nämlich die Existenz eines Gottes verworfen. Mit Immanuel Kant und einer Kritik am äquivoken Begriff des „Glaubens“ geht Hans Frey recht hart mit Gottesvorstellungen ins Gericht. Trotz aller Sympathie macht er es sich dabei etwas leicht, zumal etwa soziale Gründe für den Glauben (Feuerbach) zu kurz kommen. Hier werden jahrhundertelange und -alte Debatten etwas leichtfertig abgewickelt, zumal das theoretische Niveau eines Kants oder Jacobis Auseinandersetzung mit dem Glaubensbegriff natürlich nicht eingeholt werden.

Der starke Ton des Artikels ist aber ein angenehmes Gegengewicht gegen allzu neutral-distanzierte Essays. Frey hat eine Überzeugung, die er offen zugibt und für die es durchaus gute Gründe gibt. Gerade wenn er scharf gegen religiöse Bevormundung oder religiös motivierte Gewalt anschreibt, kann man ihm nur nachdrücklich zustimmen.

Diese Färbung macht den Artikel nicht nur streit- und gut lesbar, sondern wird mit guter Sachkenntnis gestützt. Spätestens wenn es um Science Fiction selbst geht, wird der Artikel höchst informativ. Nach einem Überblick über die Geschichte von Religionssurrogaten, wie etwa Okkultismus, Esoterik und Nazi-Mythen, geht es an die drei größten Science-Fiction-Sekten: Scientology, Heavens Gate und die Aum-Shinrikyo-Sekte werden auf ihre Science-Fiction-Wurzeln abgeklopft und dürfen dabei natürlich keine Sympathie vom Autor erwarten. Nachdem Scientology ihr literarisches Fett wegkriegt, wird gerade die terroristische Aum-Sekte mit ihrem Bezug auf Asimov aufs Schärfste kritisiert.

Etwas übersichtsartiger geht es mit religiösen Motiven in Science-Fiction-Büchern weiter. Hier werden auch unbekanntere Titel umrissen, bevor es um den bahnbrechenden VALIS-Roman von Science-Fiction-Genie Philip K. Dick geht. Der Abschluss fragt schließlich, welche Rolle Science Fiction für eine große Erzählung spielen kann und kündigt einen Artikel zu Mythos und Science Fiction an. Der wird sicherlich ähnlich streitbar wie der vorliegende und daher nicht jeden Geschmack treffen. Der Ansatz zeigt aber, dass Science Fiction auch in aktuellen Debatten eine Rolle einnehmen kann.

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