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Soon

Eine futuristische Graphic Novel

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Kategorie: Literatur

2151: Die Welt, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Kriege, Pandemien und die Klimakrise haben die globale Katastrophe verursacht. Die Menschheit ist auf ein Zehntel reduziert und lebt nun in lediglich sieben Städten. Diese Städte sind mittels des "Kontrakts" streng reguliert: Die verbleibende Welt ist in vier Zonen aufgeteilt, um weiteren Schaden an der Umwelt zu reduzieren und vielleicht sogar eine Erholung des ökologischen Systems zu ermöglichen. Unter diesen Umständen scheint es sowohl aus ressourcentechnischer als auch ökologischer Sicht undenkbar, eine Weltraummission zu starten. Doch Simone Jones hat genau das vor und plant eine Reise ohne Wiederkehr, um nach alternativen Siedlungsmöglichkeiten für die Menschheit zu suchen. Nun muss sie nur noch ihren Sohn Juri, der auf der Erde verbleiben soll, von der Relevanz ihrer Mission überzeugen.

Der Titel Soon für eine Science-Fiction-Geschichte ist ominös und scheint erst einmal nichts Gutes zu verheißen. Was erwartet uns, beziehungsweise die Charaktere, denn bald? Was kommt da auf uns zu? In Thomas Cadènes und Benjamin Adams Graphic Novel trägt der Begriff “Soon“ mehrere Bedeutungen: Er deutet die baldige Abreise Simone Jones’ und damit die unumkehrbare Trennung von Mutter und Sohn an; er spielt auf die Bestrebungen der Menschheit an, über ihre Grenzen hinauszuwachsen und den Weltraum zu besiedeln; möglicherweise ist er auch eine Warnung für die Lesenden – denn für die vielen verschiedenen Katastrophen, die die Erde in Soon befallen, haben wir bereits heute die Grundsteine gelegt.

Es sind genau diese Grundsteine, die Soon etwas unheimlich machen. Cadène und Adam veröffentlichten ihre Graphic Novel in Frankreich pünktlich zum 50. Jubiläum der Mondlandung 1969. Immer wieder reflektiert Soon darüber, welche Bedeutung der Schritt ins All für den Menschen hatte, und wie die Mondlandung dauerhaft die Perspektive auf unseren Heimatplaneten veränderte. In Anbetracht der politischen Bedeutung, die der Wettlauf ins All zu Zeiten des Kalten Kriegs einst hatte, ist es kaum verwunderlich, dass auch heute immer mehr Nationen wieder über potenzielle Mond- oder Marsreisen diskutieren. Soon ist also eine sehr zeitgemäße Geschichte. Ähnlich aktuell ist natürlich auch die Klimakrise, die ein weiteres zentrales Thema der Graphic Novel ist. Doch waren zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veröffentlichung 2019 weder die Covid-19-Pandemie noch die folgende Impfstoffknappheit absehbar. In Soon ist beides jeweils ein Sargnagel der Menschheit und zeugt zugleich davon, wie absehbar diese Ereignisse in Zeiten der Globalisierung und des Kapitalismus eigentlich waren.

Die Geschichte(n)

Worum geht es denn nun eigentlich in Soon? Ist es die Geschichte um Simone Jones und ihren Sohn Juri? Oder liegt der Fokus doch eher auf der (fiktionalen) Geschichte der Menschheit im 21. und 22. Jahrhundert? Ganz klar: Beides!

Simone plant eine Weltraumreise ohne Wiederkehr. Gemeinsam mit einer kleinen Crew will sie im Rahmen der Mission “SOON 2“ zum Exoplaneten Proxima Centauri b reisen, um dort nach alternativen Planeten für die Menschheit zu suchen. Ihr Sohn Juri hat wenig Verständnis für die in seinen Augen unnütze Reise und fühlt sich verletzt, da seine Mutter ihre Ideale über die Bedürfnisse ihres Sohns stellt. Widerwillig stimmt er zu, als Simone vor ihrer Abreise mit ihm alle sieben Städte der Erde besuchen möchte. Auf dem ungewöhnlichen Roadtrip erkundet Juri nicht nur fremde Städte, sondern lernt auch völlig neue Sichtweisen auf sowohl den Kontrakt, dessen strenge Regeln auf ganz menschliche Weise eben doch nicht überall ganz so ernst genommen werden, als auch den Weltraum kennen.

Diese neuen Perspektiven läuten in Soon meist ein dokumentarisch gehaltenes Kapitel ein. Diese Kapitel erzählen die Geschichte der Menschheit im historischen Sinne. Wie kam es dazu, dass lediglich sieben Städte verbleiben, nur noch rund 800 Millionen Menschen leben und der gesamte Planet in vier Zonen unterteilt ist? Welche gesellschaftliche Bedeutung hatte einst die Mondlandung und warum gilt die 2034 gestartete Mission zur Mondbesiedlung “Soon 1“ als Fehlschlag? Die Graphic Novel alterniert zwischen solchen dokumentarischen Geschichtskapiteln und den Handlungskapiteln, die sich auf Juris Erlebnisse konzentrieren. Durch diese Struktur wird auch visuell deutlich, wie persönliche Schicksale und globale Entwicklungen parallel stattfinden, sich gelegentlich überschneiden und hin und wieder Einfluss aufeinander nehmen. Welche dieser beiden Erzählstränge nun die “Haupthandlung“ ist, können die Lesenden selbst entscheiden.

Der Stil

Der Stil von Soon ist eigentümlich, recht abstrakt und doch ausdrucksstark. Die dokumentarischen Kapitel sind zweifarbig und stets durch die Ästhetik von Infografiken inspiriert; die Handlungskapitel sind deutlich Cartoon-artiger und werden immer von einer anderen Farbe dominiert. Es mag Geschmackssache sein, ob einem die Illustrationen gefallen; eine künstlerische Offenbarung sind sie jedenfalls nicht. Bei einem so futuristischen Thema würde man vielleicht eher klare, grade Linien und ausgewogene Farbgebung erwarten. Der Effekt dieses ungewöhnlichen Stils hat es dennoch in sich: Auf keiner Seite können die Lesenden je vergessen, dass ihnen die Erde, auf der die Graphic Novel spielt, fremd ist. Oder dass wir Menschen von heute mitsamt unserem dekadenten Lebensstil nicht mehr in die Welt von Soon passen.

Von der Erzählweise her sind die dokumentarischen Kapitel ein äußerst ungewöhnliches Element. Diese Kapitel nehmen Abstand von einer klassischen Panel-zu-Panel-Lesart. Vielmehr imitieren sie mal mittels dreidimensionaler Perspektive einen Museumsbesuch, folgen dann wieder buchstäblich dem Zeitstrahl der Geschichte des 21. und 22. Jahrhunderts und zielen in erster Linie vermutlich auf eins ab: Die Lesenden zu überfordern. Geschichte ist schließlich ein komplexes Netzwerk aus Ereignissen, Entwicklungen und Akteur*innen, das nie so ganz zu begreifen ist. Insofern passt die Erzählweise dieser Kapitel hervorragend zu ihrem Sujet, wird aber so Manche mit ihrer chaotischen Informationsdichte überfordern und frustrieren.

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