X

Cookie Notice

Wir nutzen auf unserer Website Cookies und andere Technologien, um zu analysieren wie Sie unsere Webseite nutzen, Inhalte zu personalisieren und Werbung zu schalten. Durch die weitere Nutzung erklären Sie, dass Sie mit der Nutzung von Cookies einverstanden sind. Beachten Sie bitte, dass dieser Hinweis und die Einstellungen nur für die AMP Version unserer Seite gelten. Auf der regulären Website treffen Sie die Auswahl über den Cookiebot.

Startseite
Brett- und Kartenspiele Cosplay Filme Games Intern Interview Kurzgeschichten LARP Literatur Musik Pen & Paper Rezepte Sonstiges Tabletop Veranstaltungen

Somorra – Stadt der Lüge

Ein interaktiver Urban-Fantasy-Roman

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Pen & Paper

Die Gassen von Somorra sind so zwielichtig wie ihre Bewohner. Unter Nebelschwaden verbirgt sich ein Morast aus Gier, Macht und Korruption. Die Kontrolle über die Stadt der Lüge teilen sich Triaden und Polizei über Hinterhofgeschäfte auf. Im interaktiven Roman der Sussner-Brüder schlüpfen wir in die Haut einer jungen Polizistin, die sich aus eben jenem Geflecht herauskämpfen will, und sich dabei immer weiter im Netz aus Lügen verfängt.

Schon vom Titelbild an darf man sich ohne große Umstände an Sin City erinnert fühlen. Die Silhouette einer jungen Frau tritt in Schwarz-Weiß in die verregneten Straßen von Somorra, dessen Titel in blutigem Rot hervorsticht. Die Stilanleihen sind bestimmt kein Zufall, die düster-surreale Atmosphäre der Sündenstadt wird in Somorra zum Programm erhoben. Damit eröffnet uns das Spielbuch eine Urban-Fantasy-Welt, die sich wohltuend von den üblichen Fantasy-Klischees des Genres abhebt. Wer etwas Ekel abkann, sollte nicht zögern und ein paar Schritte in die Stadt wagen …

Somorra?

Die Grundstimmung von Somorra dürfte deutlich geworden sein. Ein Sündenpfuhl aus Korruption und Brutalität durchzieht die Stadt. Als Polizisten blicken wir nicht nur auf eine düstere Vergangenheit zurück, sondern uns wird auch noch ein Bestechungsskandal in die Schuhe geschoben. Das ist zwar keine Besonderheit in dieser Welt, aber nur wer tief genug im Pfuhl drinsteckt, kommt ungeschoren davon. Da wir noch nicht weit genug oben in der Herrschaftskette stehen, finden wir uns schnell in einem Bestechungsszenario wieder und kommen schneller als uns lieb ist mit der Droge „Somorin“ und dessen Gegengift „Godorin“ in Berührung. Dem Stil entsprechend handelt es sich dabei nicht um harmlose Tinkturen, sondern harte Drogen. Es braucht nur wenige Abschnitte, um mit organisierter Kriminalität und dem Elend der Drogensucht konfrontiert zu sein. Hier riecht es nach Exkrementen, Junkies versinken im Elend und auch sexualisierte Gewalt kann von jedem Charakter drohen. Zusammen mit den teils surrealen Zeichnungen von Hauke Kock wird eine bedrohliche Szenerie geschaffen, die nicht für allzu schwache Mägen konzipiert ist. Zwar erinnern uns eingestreute Filmplakate und einige Überzeichnungen immer daran, dass alles nur ein Spiel ist, Somorra geht aber tiefer unter die Haut als übliche Spielbuchkost. Sicher auch, weil es dann doch nicht immer weit von unserer Lebensrealität entfernt ist …

Ob man diesen Stil genießen kann oder nicht, ist zweifelsohne eine Geschmacksfrage, dem Autorenduo gelingt die Atmosphäre jedoch ungefragt. Wer sich drauf einlassen kann, wird allerdings tief in den Strudel gezogen und erlebt eine dynamische, facettenreiche Geschichte …

Interaktiver Roman?

Bei Somorra handelt es sich um ein Spielbuch bzw. einen interaktiven Roman. Statt das Buch linear, also Seite für Seite zu lesen, werden wir immer wieder vor Entscheidungen gestellt, die uns zu anderen Abschnitten weiterleiten. Während Spielbücher üblicherweise umfangreiche Regeln zu Charaktererstellung, Kämpfen und Ähnlichem haben, fällt Somorra recht regelarm aus. Unser Charakter ist zwar namenslos, aber sonst vorgegeben. Wir können keine alternativen Fähigkeiten wählen, verfügen nicht über Startausrüstung und Kämpfe gibt es in der Form auch nicht. Tatsächlich kommt Somorra sogar ganz ohne jeden Zufallsfaktor aus. Es geht einzig und allein um unsere Entscheidungen. Die sind dafür äußerst vielfältig. Ganze 500 Abschnitte gibt es, die erstaunlich abwechslungsreiche Wege ermöglichen. Dazu setzt das Buch auf Schlüsselwörter als Kernmechanismus. Statt nur an feste alternative Abschnitte weitergeleitet zu werden, werden wir immer wieder angewiesen, die Zahlen hinter bestimmten Schlüsselworten zu ändern. So merkt sich das Spiel unsere Entscheidungen. Haben wir z. B. ein Telefonat geführt, ändert sich die Zahl hinter dem Schlüsselwort „Telefon“ und wenn es entscheidend wird, ob wir die entsprechende Person angerufen haben, geht es zur neuen Zahl, statt zum Standardabschnitt. Außer dieser Codewörter führen wir nur Buch über unser Geld und gesammeltes Gondorin, was insgesamt sehr überschaubar ist und dank ausdruckbarem Abenteuerbogen (jpg) sehr komfortabel ausfällt.

Was macht aber Somorra aus diesen Möglichkeiten? Grundsätzlich überzeugt das Buch durch eine intensive, charakterzentrierte Geschichte. Es gibt nur wenige Figuren, die auftreten, dafür aber tief ausgestaltet sind. Wir haben es also nicht mit austauschbaren Charakteren zu tun und können bei jedem Spieldurchgang Neues über unsere Freunde und Feinde erfahren. Da es im Zwielicht kein eindeutiges Hell und Dunkel gibt, können wir außerdem entscheiden, für welche Interessen wir uns einsetzen. Die Schlüsselwortmechanik sorgt dabei dafür, dass unsere Handlungen plausible Konsequenzen nach sich ziehen, und wir etwas Bewegungsfreiheit genießen. Häufig geben uns Abschnitte neue Handlungsoptionen in Form von Schlüsselwörtern an die Hand, die wir zu späterer Zeit besuchen können. Erfahren wir also beispielsweise etwas über ein Versteck, werden wir später die Möglichkeit haben, es zu besuchen. So fühlt sich das Abenteuer wie eine lebendige Entdeckungsreise an, bei der wir aus Erfahrung lernen, allerdings nie alles zu Gesicht bekommen …

Überhaupt sollte man sich auf mehrere Durchgänge einstellen. Wie schon das Vorwort stolz verkündet, ist fast jeder fünfte Abschnitt ein totes, gerne auch brutales Ende. Eine Speicheroption macht das Leben etwas einfacher, aber Somorra kann verdammt ungerecht sein. Das ist vielleicht thematisch passend, aber dennoch etwas schade, denn gerade der Einstieg bietet nicht allzu viele Optionen und muss jedes Mal neu durchlebt werden …

Ein Drama in vier Akten

Der Geschichte unserer Polizistin gelingt ein Spagat zwischen dramaturgischer Handlung und freier Erkundung. Das gelingt durch eine überzeugende Aufteilung der Handlung. Bei aller Entscheidungsfreiheit werden wir immer wieder auf einen Hauptpfad zurückgezogen, der sich jedoch je nach vorhergehenden Entscheidungen anders gestalten kann. Die wohl längste und abwechslungsreichste Zeit verbringt man dabei im zweiten Teil, der uns etwa einen Tag lang Zeit gibt, um Altstadt und Justizviertel zu besuchen. Hier gehen wir Hinweisen (neuen Schlüsselwörtern) und allgemeinen Optionen nach, um den Filz Somorras etwas zu lüften und uns auf die abschließenden Teile vorzubereiten. Auch diese Phasen werden immer wieder von Action-Sequenzen unterbrochen, was dem Spielerlebnis sehr gut tut, da wir nie das Gefühl haben, bloß taktisch Schauplätze abzulaufen.

Ebenfalls ständiger Begleiter ist der „Schrammenschreck“. Der sucht uns in unseren „Albträumen“ auf und stellt uns teils knifflige Rätsel, um wieder erfolgreich erwachen zu können. Hier wird Somorra vom interaktiven Roman zum Spielbuch und kann das sogar thematisch gut begründen. Die einzelnen Szenen werden sogar mit stimmigen Comicszenen begleitet, sind nach dem ersten erfolgreichen Spiel aber auch gewissermaßen verbraucht, sofern man sich den Lösungsweg merken kann. Mit einem kleinen Trick kann man die Rätsel aber auch einfach umgehen, was bei der aufwändigen Gestaltung etwas schade ist.

Weitere Artikel: