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Die Seele eines Spukhauses

Exorzimus zwischen Notwendigkeit und Mitgefühl

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Kategorie: Literatur

Magnolia ist Häuserflüsterin und Mitglied der Gilde der Exorzisten. Jedoch weigert sie sich, die Berufsbezeichnung Exorzistin für sich zu übernehmen, denn ihre Wege sind nicht von Gewalt, sondern von Verständnis geprägt. Dennoch gelangt sie damit des öfteren an ihre Grenzen und muss aus Notwendigkeit zu alteingesessenen Exorzismus-Methoden zurückgreifen. So gern sie das auch vermeiden würde. Doch bei Shaw Manor – einem Spukhaus der Stufe 4 – bleibt ihr keine andere Wahl.

In Brixton lebt es sich eigentlich recht ruhig. Einzig in Shaw Manor, einer üppigen Villa etwas außerhalb, gibt es immer wieder Schwierigkeiten. Das Haus ist nicht nur gerüchteweise als Spukhaus verschrien, es sind bereits Menschen zu Schaden gekommen. Kein Wunder, dass keiner mehr dorthin möchte und die wenigen Lebensmüden, die es versuchen wollen, nur bis auf einen gewissen Sicherheitsabstand an das Haus herangefahren werden.
Eines der Mitglieder der Exorzistengilde zählt auch zu den Opfern des opulenten Geisterhauses. Daher wurde nicht nur die Gefahrenstufe auf den nahezu höchsten Wert angehoben, sondern auch das Mitglied mit der höchsten Erfolgsrate gewählt, um den Geheimnissen des Hauses auf den Grund zu gehen. Magnolia nennt sich selbst jedoch nicht Exorzistin, sondern Häuserflüsterin. Ihrer Meinung nach ist der brachiale Weg der erzwungenen Reinigung nicht immer der effizienteste. Sie versucht eher, sich das Vertrauen der Häuser zu verdienen, damit diese ihre Geheimnisse freiwillig preisgeben und sie als Helferin ansehen, statt als Gegnerin.

Detailverliebtes Design

Was beim ersten Durchblättern schon auffällt, ist das aufwendige und detailverliebte Design der Seiten. Nicht nur das Cover, sondern auch die aufgegriffenen Grafikelemente spiegeln das Genre "Steampunk", das gewählte Zeitalter um die Jahrtausendwende von 1900 und Elemente der Handlung wieder. Die Eintragungen, die Magnolia in ihrem beruflich geführten Logbuch einträgt, sind ebenfalls grafisch entsprechend umgesetzt und erwecken durch die gewählte Schriftart mehr Unmittelbarkeit zur Geschichte, da man das Gefühl hat, hier wirklich handgeschriebene Eintragungen durchzusehen. Bereits beim ersten Blättern hatte ich also ein AHA-Erlebnis, das die Vorfreude auf den eigentlichen Inhalt geschürt hat. Das Cover selbst enthält zahlreiche Hinweise auf die zu entdeckenden Geheimnisse von Shaw Manor, die wir erst mit dem Verlauf der Handlung nach und nach aufdecken und im Cover wiederfinden können. Hier wurde wirklich ein durchdachtes und ins Gesamtkonzept integriertes Design umgesetzt, was leider keine Selbstverständlichkeit ist.

Gediegener Horror

Die Story selbst entbehrt keinen Wünschen. Die Häuserflüsterin Magnolia wagt sich in ein Spukhaus und wird dort – Überraschung – mit zahlreichen Elementen konfrontiert, die wir aus klassischen Horrorfilmen kennen. Dennoch ist der verfolgte Zweck nicht der, Leser*innen an ihre psychische Gruselgrenze zu treiben, sondern sich die Hintergründe eines möglichen Spukes anzuschauen. Das heißt nicht, dass es an Spannung oder Action fehlt, diese Komponenten sind durchaus vorhanden. Es heißt aber auch, dass wir es nicht mit einer klassischen Horror-Spukhaus-Story zu tun haben, sondern mit einem liebevoll gestalteten Perspektivwechsel, der wegrückt von der üblichen Sensationsgier hin zu einem "Warum ist das so?" Die analytische Komponente, die der Beruf der Häuserflüsterin mit sich bringt, verstärkt das Ganze noch und lässt uns zu gemeinsamen Investigatoren werden, die herausfinden möchten, was in Shaw Manor geschehen ist. Geister und Manifestationen werden nicht stringent in "gut" oder "böse" eingeteilt, sondern verschwimmen in ihren Handlungen zwischen beiden Gegensätzen.

Zwischen den Zeilen des Spukhauses

Besonders angetan bin ich aber nicht nur vom Design und der Story an sich, sondern von der Botschaft, die ich zwischen den Zeilen herausgelesen habe. Das Werk spielt subtil mit den klassischen Stereotypen, die wir zu Horrorstorys, Spukhäusern oder Exorzismus haben und bringt uns dazu, diese neu zu denken. Spukhäuser erkennen wir als etwas negatives, zwar belastet durch die Vergangenheit, aber eher als Täter an sich, nicht als Opfer, das durch Emotionen und Schutzmechanismen versucht, sich selbst oder seine "Familie" zu schützen. Es könnte gesehen werden als Pendant zu gesellschaftlichen Aburteilungen, die wir im Alltag zu oft vornehmen und – ich lehne mich mal aus dem Fenster – bricht mit der pauschalisierten Verurteilung inakzeptabler Handlungen, ohne dabei zu erzwingen, niemals verurteilen zu dürfen. Es mag den einen grundbösen Täter geben, der unaussprechliche Gräueltaten vorgenommen hat und dadurch eine Kette an Ereignissen ausgelöst hat, die viele Menschen – und eben Gegenstände oder Gebäude – dadurch in eine Abwärtsspirale aus Gewalt und Schuld getrieben hat. Sei es durch Loyalität, Angst oder Verzweiflung. Das heißt aber nicht, dass alle der beteiligten Personen, Gegenstände oder Gebäude per se kriminelle Bösewichter sind, die ohne Gewissen Verbrechen begehen, sondern dass sie selbst vielleicht Opfer ihrer Untätigkeit oder ihrer Hilflosigkeit geworden sind. Das entschuldigt nicht ihre Taten, erklärt aber die Hintergründe zu Geschehnissen, die aus keiner bösen Absicht heraus intentioniert sind – auch wenn sie das vor der eigentlichen Strafe oder einem verhängnisvoll schlechten Gewissen natürlich nicht schützt. Dennoch – wir werden herausgefordert, alte Strukturen neu zu denken und Verständnis aufzubauen ... auch zu einem Haus.

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