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Requiem für Miss Artemisia Jones

Knackig-viktorianischer Horror-Roman mit einer gehörigen Menge Blut

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Kategorie: Literatur

Requiem für Miss Artemisia Jones vereint auf geschickte Weise viktorianische Gepflogenheiten mit mysteriösen Umständen und der aus Langeweile geborenen Verquickungen übernatürlicher Spielereien. Das Ergebnis: Ein nicht selten humorvoller Horror-Roman, den man nicht so leicht wieder aus der Hand legen möchte.

Zwischen einem alten Gebäude, adligen Gentlemen und einer Reihe okkulter Bücher fühlt sich Miss Artemisia Jones nicht unbedingt unwohl. Erst als sie unfreiwillig hinter das Geheimnis von Lord Bullington und seiner Familie kommt, überschlagen sich die Ereignisse. Plötzlich steht nicht nur der Teufel persönlich vor der Tür, sondern nicht weniger als ihr Leben sowie das Gefüge der Welt auf dem Spiel.

Zeitversetzter Horror-Spaß

Horror-Settings sind meistens ziemlich gleich aufgebaut. Eine Gruppe x-beliebiger Mitglieder (Jugendliche, Reiche, Abenteuerlustige, etc.) machen einen Ausflug in ein x-beliebiges Etablissement (Irrenanstalt, mysteriöser Wald, Spukhaus, usw.) und wollen dort eine x-beliebige Handlung ausführen (Recherche, Party, Challenge, pp.). Es geht etwas schief und eine x-beliebige Art Schurk*innen (Geister, Untote, Dämonen, o. ä.) fallen über die Ahnungslosen her, um sie zu töten, in den Wahnsinn zu treiben oder ihre Seelen zu fressen. Insofern ist es bei den meisten Horror-Filmen oder -Geschichten der Rahmen, der ein solches Setting zu etwas Besonderem macht.

Im vorliegenden Roman von Isa Theobald und David Grey kommt aber keine alltagsgraue Horror-Langeweile auf. Nicht nur die Kombination mit dem viktorianischen Zeitalter macht Lust auf mehr, sondern auch die humorvollen Zwischensequenzen, die den Leser*innen immer wieder ein Schmunzeln hervorlocken. Die stimmigen Handlungsstränge und Verwicklungen mögen zwar zunächst als ebenso genre-typisch anmuten, lassen aber spätestens in der zweiten Hälfte des Romans keinen Zweifel, dass die Geschichte nur allzu gerne mit Klischees und Stereotypen abzurechnen weiß.

Raus aus der Klischeekiste

Und genau das hat mir besonders gut gefallen. Auch wenn man erst eine übliche Handlung erwartet, die dem Zeitalter und Horror-Genre angemessen erscheint, legen die Autor*innen Wert darauf, eben mit solchen Klischees mal aufzuräumen. Nicht nur auf subtile Weise, sondern auch ganz offen, indem der irdischen Handlung quasi zwei Kommentatoren mit auf den Weg geben, die kein Blatt vor den Mund nehmen und auch mal ganz frei das aussprechen, was in unserer Gesellschaft immer noch als sensibles Thema gilt: „Der Lord ist lustig. Der glaubt, Frauen seien Männern unterlegen.“ Besonders erfrischend, dass die Gender- und Gleichberechtigungsdiskussion nicht innerhalb einer Liebesgeschichte oder Karriereleiter behandelt wird, sondern eben in einem Horror-Szenario, in dem man solche Thematiken eigentlich nicht erwartet. Ganz, als sei es so eben … naja, normal.

Auch die Kommentatoren selbst haben wenig Lust auf Schubladen-Dasein und geben sich als das, was Rollenspieler*innen als chaotisch-neutral kennen. Sie sind weder gut noch böse, eigentlich eher gelangweilt und auf der Suche nach vom Alltag ablenkenden Vergnüglichkeiten. Dass den Preis dafür sterbliche Menschlein zahlen müssen, das ist quasi eingepreist.

Gesamtpaket

Neben der Geschichte hat mir auch die Aufmachung des Buches sehr gut gefallen. Es kommt als Hardcover im ungewöhnlichen Format, das aber an die Zeit der Darstellung angepasst ist und somit den Gesamteindruck vertieft. Das schwarze, eher minimalistische Cover unterstreicht das noch einmal und wird von den Spielereien im Inneren des Buches abgelöst. Die Seitennummern sind von Schlangen umrankt und die Initialen am Kapitelanfang auf das Horror-Genre abgestimmt. Ich mag sowas, es unterstützt die Unmittelbarkeit und lässt mich zum Teil der Ereignisse werden.

Aber …

Ein bisschen Kritik muss sein. Zwischendurch ist es mir schwer gefallen, der Handlung zu folgen. Nicht, weil sie zu kompliziert war, sondern weil sich die Autor*innen dem – für diese Zeit sicher passenden – Schreibstil angepasst haben. Eigentlich ist das keine Kritik, sondern wiederum prima für das Gesamtkonzept, aber lange und in sich verschachtelte Sätze sind eben nicht immer einfach zu lesen (merkt man vielleicht an dieser Rezension). Besonders in Kombination mit langen und umständlichen Namen, Adelstiteln und Wörtern, die ich meinen Lebtag noch nicht gelesen habe, kam ich im Lesefluss ins Stottern und musste nochmal ein, zwei Absätze zurücklesen. Ich habe dann schnell gemerkt, dass man auch ohne Tante Google auskommt und über die unbekannten Wörter einfach hinweglesen kann, ohne dass es der Geschichte einen Abbruch tut, aber irgendwie ist es eben auch schade, dass man in diesem Moment einen Teil des Satzes/Buches nicht begreift und damit … verliert.

Fazit

Da der letzte Absatz im Bereich „Meckern auf hohem Niveau“ ansiedelt ist und Setting, Buch und Geschichte im Gesamteindruck einfach viel zu viel Freude bereiten, kann er absolut kein Argument gegen eine Kaufempfehlung sein. Dafür macht es einfach zu viel Freude, den humorvoll gehaltenen Kommentatoren und ihren horror-angesiedelten Gegenparts zu folgen und sich von unerwarteten Wendungen innerhalb der Handlungsstränge überraschen zu lassen.

Für Freunde der viktorianischen Epoche ist das Buch ebenso geeignet wie für Horror-Fans oder alle anderen Fantasy-begeisterten Leser*innen.

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