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Reaktor

Spannend wie ein früher Schätzing

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Kategorie: Literatur

Atomkraft wird weiterhin betrieben, doch eine neue Technologie ermöglicht es, alte Brennstäbe zu recyclen und den Prozess sicherer zu machen. Dennoch berichten Social-Media-Beiträge und Zeitungen von einem nuklearen Zwischenfall am Genfer See. Das Kraftwerk dort weiß allerdings nichts davon, denn die Reaktoren sind noch nicht mal in Betrieb. Daher schickt die Internationale Atomenergie-Organisation jemanden, der die Sicherheit und Zusammenhänge prüfen soll.

Jonathan wird an den Genfer See berufen. Er soll dort den seltsamen Fall des Kraftwerks untersuchen. Die E-Mail einer dortigen Mitarbeiterin berichtet von einem GAU im neuen Thorium-Kraftwerk, und auch die Messwerte an den Landesgrenzen deuten auf einen nuklearen Zwischenfall hin. Das ist vor allen Dingen deshalb seltsam, weil die Reaktoren noch nicht einmal in Betrieb genommen wurden, das Kraftwerk also noch gar nicht läuft.

Für Jonathan sehen die Sicherheitsvorkehrungen und Qualität des Kraftwerks hervorragend aus, es gibt nichts zu beanstanden. Trotzdem sprechen die erhaltenen Messwerte eine andere Sprache. Spätestens als die ersten Strahlungsopfer zu beklagen sind, wird deutlich, dass irgendetwas ganz gewaltig schief läuft. Auch wenn keiner weiß, was das sein könnte. Jonathan begibt sich auf die Suche nach Antworten und deckt weitere Ungereimtheiten auf.

Gemeinsam mit Laura, deren Vater gerade an Verstrahlung gestorben ist, versucht er, die seltsamen Puzzleteilchen zusammenzusetzen, die trotzdem kein logisches Bild ergeben. Beide müssen ihre gewohnten Denkstrukturen ordentlich verbiegen, um eine Lösung zu finden. Denn plötzlich stehen nicht nur wenige, sondern gleich Millionen von Menschenleben auf dem Spiel.

Gut recherchiert

Zwar bin ich keine Fachkraft in Nukleartechnologie, aber die Zusammenhänge und technologischen Hintergründe machen den Eindruck einer intensiven Recherche des Autors. Fein verwoben mit der Handlung rund um den mysteriösen GAU lernen wir so einiges über die Prozesse innerhalb eines Atomkraftwerks, besonders im Hinblick auf die verwendeten Materialien, deren Vor- und Nachteile. Das untermauert nicht nur die gelesene Handlung, sondern gibt dem Buch auch mehr Tiefe und Nähe zur aktuellen Realität. Dabei wird jedoch keine Meinungsperspektive eingenommen und propagiert (wie das in den späten Schätzings seitenweise der Fall ist), sondern unterschiedliche Blickwinkel beleuchtet und gegeneinander aufgewogen. Verschiedene Charaktere sorgen dafür, dass auch wir die Gelegenheit bekommen, gegensätzliche Positionen zu beziehen und argumentativ zu stützen, um so ein theoretisches Umdenken zuzulassen.

Die nukleare Katastrophe ist den ganzen Roman hindurch präsent, steht dabei aber nicht als alleiniges Hauptthema im Vordergrund. Vielmehr begeben wir uns gemeinsam mit Jonathan und Laura auf die Suche nach Antworten zum großen Rätsel um den geschehenen und gleichzeitig nicht geschehenen „Fehler“ innerhalb des Kraftwerks. Genau diese Suche ist auch der Kern des Romans, der dafür sorgt, dass wir das Buch in einem Rutsch durchsuchten und es keinesfalls weglegen wollen. Realitätsnah und gleichzeitig verworren leiten uns Messwerte, Erkenntnisse und Hinweise auf eine Spur, die eigentlich völlig unmöglich sein sollte und immer wieder Fragen aufwirft. Nicht nur Jonathan und Laura, auch wir müssen unsere gewohnten Denkstrukturen verknoten, um Theorien aufzustellen, die dann im weiteren Verlauf der Handlung bestätigt oder verworfen werden. 

Die Suche nach den Puzzleteilen

Geschickt streut Timo Leibig Hinweise und Details in die Kapitel, die zwischen verschiedenen Ansichten und Momentaufnahmen wechseln. Dadurch nehmen wir an der Klärung des zunächst unlösbar erscheinenden Rätsels selbst teil, das sich nach und nach zu einem geschlossenen Bild zusammenfügt. Gegen Ende gibt es zwar ein oder zwei Stellen, bei denen ich dachte, dass sie jetzt ein wenig zu schnell die passende Antwort liefern, um skeptische Charaktere doch noch auf den Handlungsstrang zurückzuführen, aber das darf gerne in die Kategorie „Meckern auf hohem Niveau“ sortiert werden.

Lesegefühl

Das Thema Atomenergie ist gerade jetzt ein sehr aktuelles und viel diskutiertes, daher fand ich ein Science-Fiction-Werk zu dieser Thematik besonders interessant. Ich hoffte auf einen spannenden Thriller irgendwo zwischen Blackout und Science Fiction und wurde nicht enttäuscht. Die Science-Fiction-Elemente sind dabei so gekonnt in die Handlung integriert, dass sie zu keinem Zeitpunkt das Gefühl geben, wir würden von einem in der Realität möglichen Verlauf abweichen, was die Unmittelbarkeit durchweg erhält. Trotzdem geben genau diese Elemente (über die ich aus Spoiler-Gründen natürlich nicht schreiben darf) dem Roman einen fesselnden Twist, auf den wir durchaus selbst kommen können, wenn wir ein wenig out-of-the-box denken.

Fazit

Reaktor ist eine clevere Kombination aus packendem Thriller und subtiler Science Fiction, die dazu einlädt, selbst die Ermittlung um die rätselhaften Ereignisse am Genfer See aufzunehmen. Auf gut recherchierter Basis wird eine turbulente Handlung aufgebaut, die mit dem Stil der früheren Schätzing-Romane mithalten kann. In meinen Augen – auch wenn ich noch nicht allzu viele Vergleichswerte habe – ein Top-Kandidat für die nahende SERAPH-Verleihung.

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