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Paulson’s Peak: Ein Mystery-Spielbuch

Rätselspielbuch der Extraklasse

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Kategorie: Pen & Paper

Wer erinnert sich nicht an den genialen Spielzeugmacher Henry Paulson.`Und wer erinnert sich nicht daran, dass er sich in seinem Alter auf ein exzentrisches Anwesen nahe York zurückgezogen hat. Und wer könnte sich nicht an die Geschichte um den Tod der Haushälterin erinnern, mit der Henry mutmaßlich eine Affäre hatte? Oder erinnert sich hier etwa jemand nicht? Nun gut, nach dem Durchspielen von Paulson‘s Peak werden all diese Details jedenfalls noch lange in Erinnerung bleiben. Aber der Reihe nach …

Der natürlich fiktionale Henry Paulson ist nun schon einige Jahre tot. Eine Stiftung widmet sich seinem Nachlass, hat die Villa aber weitgehend im Stich gelassen, nachdem die wichtigsten Dokumente archiviert wurden.

Nur ein Hausmeister ist vor Ort und alles Gerät, das nicht zwingend gebraucht wird, wurde stillgelegt. Nur ein paar Sicherheitskameras wurden an der Grundstückgrenze in Betrieb genommen, nachdem ein paar Vandalen das Haus unsicher gemacht haben. Die allein können aber nicht den exorbitanten Stromverbrauch im Haus erklären. Als nun auch noch ein Sturm drohte, das Haus zu zerstören, entschied sich die Society, der Sache auf den Grund zu gehen. 

Als wir gebeten werden, das Anwesen zu untersuchen, um dem Rätsel nach der Stromrechnung nachzugehen, lassen wir uns das als Urban Explorer nicht zweimal sagen. Zusammen mit unserem Begleiter Sid machen wir uns auf den Weg und durchforsten die Räume der verlassenen Villa …

Spielbuch der anderen Art

Auf dem Cover wird Paulson‘s Peak als Mystery-Spielbuch angepriesen. Das heißt, es handelt sich nicht um einen klassischen Roman, sondern ein interaktives Buch, in dem wir durch unsere Entscheidungen und ein paar Notizen entscheiden, wie sich die Geschichte entfaltet. Paulson‘s Peak hebt sich in diesem Genre durch sein ungewöhnliches Thema und einen Fokus auf Rätsel ab. Statt wie im Genre üblich durch eine High-Fantasywelt zu reisen, spielt das Buch im England von 1994 und es warten keine Orks und Trolle, sondern Rätsel auf uns. Tatsächlich kommt das Spielerlebnis sogar fast ohne Regeln und ohne jeden Zufallsfaktor aus. Stattdessen können wir uns ganz auf die Rätsel und einzigartige Geschichte konzentrieren. Autor Jörg Benne gelingt es, das Haus mit Mysterien zu füllen, die Lust aufs Errätseln machen. In Zeitungsausschnitten, Tagebüchern, kleinen Gesprächen mit Sid, Flashbacks und vielen anderen Details wird die Geschichte um Paulson und sein Anwesen zum Leben erweckt. Hier ist die Hintergrundgeschichte nicht nur ein Anlass für Rätsel, sondern bietet für sich schon genug Material für ein Spielbuch.

Besonders angenehm ist außerdem, dass wir es hier mit einem abgeschlossenen Buch zu tun haben. Wer sich auf die dunklen Geheimnisse von Paulson‘s Peak einlässt, muss nicht gleich eine Reihe an Folgebänden erwerben, sondern bekommt in einem Buch alles was er*sie zum Spielen benötigt. Damit führt das Buch einen Trend des auf Spielbücher konzentrierten Mantikore-Verlags weiter, der mit seinen innovativen Eigenkreationen beharrlich neue Standards setzt und durch neuartige Themen auch weniger klassische Zielgruppen erschließt. Das der eingeschlagene Weg ein richtiger ist, zeigt auch Paulson‘s Peak ...

Escape Room für das Bücherregal?

Treffend wird das Spielbuch auf dem Buchrücken als eine Mischung aus Spielbuch und Exit Game beworben. Der Einfluss der beliebten Rätselspiele und Exitrooms ist kaum zu übersehen. In Paulson‘s Anwesen stoßen wir immer wieder auf verschlossene Türen, Geheimräume und seltsame Apparaturen, die durch ein Rätsel geöffnet, repariert oder entziffert werden müssen. Anders als in vielen anderen Spielen gelingt es dem Spielbuch, diese Rätsel thematisch zu integrieren. Sicher, die Rätsel sind immer noch konstruiert, passen aber durchweg gut zum Thema. Ein Computer braucht ein Zahlenrätsel, ein Automat muss durch die richtigen Zahnraddrehungen in Schwung gebracht werden und der etwas verwirrte Paulson hat im Haus Hinweise auf seinen Tresorcode hinterlassen. Das Rätseldesign selbst ist dabei äußerst abwechslungsreich und vermeidet unnötig zähe Fleißarbeit. Fast alle Rätsel machen nach etwas grübeln „klick“ und sind sind dann schnell umgesetzt.

Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel fällt insgesamt relativ niedrig aus, was aber insofern kein Problem darstellt, als dass die Rätsel die Geschichte strukturieren und man wissen möchte, wie es weiter geht. Ja, wer nicht knobeln möchte oder doch einmal hängen bleibt, hat immer die Möglichkeit, den sympathischen Begleiter Sid um Hilfe zu bitten. Der überwindet dann ein Problem für uns, ohne uns für weitere Durchläufe die Lösung zu verraten. Am Spielspaß ändert das wenig, nur unsere Zielwertung wird in Form von mangelnden Rätselpunkten etwas bestraft.

Paulson‘s Peak trifft durchweg ein gutes Gleichgewicht aus Exit- und Spielbuch. Anders als vergleichbare Versuche, wie etwa die ausgezeichneten Entkommen!-Spielbücher, haben wir immer noch das Gefühl, zu aller Erst eine Geschichte zu erleben. Das gelingt neben dem durchweg guten Schreibstil und einer interessanten Hintergrundgeschichte auch durch kleine Adventure-Aufgaben. Statt immer Zahlenrätsel zu lösen, gilt es, sich in einigen Passagen an die richtigen Orte zu erinnern oder Objekte einzusetzen. Dazu kommt eine geschickte Regel zum Einsatz: So verfügen einige der Gegenstände über eine Zahl, die beim Einsatz auf die jeweilige Abschnittnummer addiert wird. Kann der Gegenstand sinnvoll eingesetzt werden, ist beim so errechneten Abschnitt ein kleines passendes Icon abgebildet, das uns zeigt, dass wir hier weiterlesen dürfen. So werden das Durchsuchen des Hauses und der kreative Einsatz von Objekten belohnt.

Luxusanwesen

Mit etwa 30 Räumen, einer Bar, Plattenspieler und integrierter Burgruine ist Paulson‘s Peak ein luxuriöses Anwesen. Was für das Haus gilt, gilt auch für das gleichnamige Spielbuch. An zahlreichen Details merkt man, dass das Spielbuch auf Herz und Nieren getestet wurde. Ein komfortabler Grundriss ermöglicht uns, ohne Umwege zu den einzelnen Räumen zu wechseln. Dabei ist genug Platz für Notizen, Änderungen von Nummern, Inventarliste und Statusabfragen. Mit nur wenigen Notizen und Zahlen können wir so immer die aktuelle Situation des Hauses nachvollziehen, was tatsächlich so stringent gelöst wurde, dass logische Fehler zuverlässig vermieden werden.

 

Zum anderen wäre da die grafische Aufbereitung. Die kleinen Icons, die den Einsatz von Objekten begleiten, wurden bereits erwähnt. Hinzu kommen einzelne Szenen, in denen die Interaktionsmöglichkeiten fest ins Bild integriert sind. Man merkt, dass mit David Staege ein ebenso begeisterter wie talentierter Spielbuchfan und -illustrator ins Boot geholt wurde. Das dieser seit Beginn des Projektes involviert war, sieht man nicht nur an der Co-Autorenschaft oder dem Nachwort, sondern auch daran, wie akkurat und stimmungsvoll seine Zeichnungen eingebaut wurden. Staeges Pinselstrich verleiht dem Buch eine ebenso spielerische wie stimmungsvolle Atmosphäre, die an allen Ecken und Enden zum Vorschein kommt und einige Eastereggs platzieren konnte. Das Buch ist nicht nur durch Vignetten und einzelne Szenen illustriert, auch werden Gemälde, Landkarten, Personalakten, Buchauszüge und Fotos die wir finden können, durchweg bildlich in Szene gesetzt. Besonders brilliant ist aber die graphische Umsetzung der Rätsel. Kaum eines der großen Rätsel, das nicht durch Staeges Hand illustriert wurde und dabei keine Wünsche an Spielbarkeit offen lässt.

Sand im Getriebe?

Mich konnte mein Aufenthalt im Anwesen von Paulson fast völlig überzeugen. Dennoch gilt wie so oft, dass es natürlich nicht für alle Zielgruppen geeignet ist. Während ich handwerklich kaum etwas aussetzen kann, muss ich doch anmerken, dass es bei weniger knobelaffinen Spieler*innen sicher zu kleinen Hängern kommen kann. Ich hatte durchaus Phasen, in denen der nächste Schritt nicht offensichtlich war und es etwas mühselig wurde. Auch kann die Story gegen Ende etwas abgedreht wirken, zumal die Statuswechsel hier etwas zu hochfrequentig werden und man sich etwas überrannt fühlen kann. Zuletzt wäre da die Spieldauer. Ein Besuch in Paulson‘s Peak dauert etwa 3–5 Stunden und bietet aufgrund der vielen Rätsel nicht viel Wiederspielwert. Allerdings ist so eine Dauer bedeutend umfangreicher als die klassischerweise einstündigen Escaperäume. Auch kann ich hier mir einen zweiten oder gar dritten Durchgang durchaus vorstellen, findet man doch nicht bei jedem Durchgang immer alle Rätsel und es gibt gerade am Ende einige interessante Entscheidungen. Auch kann man sich beim moderaten Preis nicht beschweren, der manches Escape Spiel unterbietet und im Vergleich zu richtigen Escaperooms völlig zu vernachlässigen ist.

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