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P!LLS FVLL of GODS

Wenn KI ein Rollenspiel schreibt

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Kategorie: Pen & Paper

Mit P!LLS FVLL of GODS hat Paweł Kicman ein Supplement herausgegeben, welches das Potenzial künstlicher Intelligenz für Rollenspiele ausloten will. Weitestmöglich auf KI-Technologie aufbauend, ist eine bunte Mischung an neuen Inhalten entstanden, die sich möglichst unmittelbar ins Spiel einbauen lassen. Basierend auf der Engine des preisgekrönten MÖRK BORG, erhalten Spieler*innen hier einen weiteren chaotischen Baukasten für die Welt von CY_BORG. Ist das Experiment gelungen? Kann eine KI Rollenspielerweiterungen entwickeln?

Für Science-Fiction-Fans ist künstliche Intelligenz ein alter Hut. Als Gedankenexperimente haben sie schon so manche Dystopie oder Utopie gestaltet, und natürlich kommen sie auch in Rollenspielen immer wieder vor. Die Idee einer sich selbstständigenden KI ist einfach zu interessant.

Die KI in der echten Welt ist schon ungleich langweiliger. Zwar gehört sie auf unseren Smartphones schon immer automatisch dazu, aber das war bis vor kurzem so unspektakulär, dass es weit von den spielwerten Zukunftsszenarien entfernt war.

Seit einigen Monaten ist das anders geworden. Programme wie Midjourney oder Stable Diffusion ermöglichen es uns, auf fast magische Weise (manch Kritiker*in dürfte es als schwarze Magie bezeichnen) Bilder nach unseren Wünschen zu generieren. Und kaum war der Schock halb verdaut, stand mit ChatGPT schon die nächste KI-Revolution vor der Tür. Plötzlich "versteht" eine künstliche Intelligenz unsere Fragen und kann Aufgaben von ungeahntem Komplexitätsgrad umsetzen. Einer der stärksten Bereiche ist dabei vermutlich das, was wir als Rollenspielende schon seit jeher machen: Welten und Ideen generieren. Wir können das Tool ohne große Probleme für ganze Textabenteuer, oder zur Erfindung von NPCs, Abenteuerplots oder Schauplätzen nutzen. Auch live am Spieltisch können wir uns – so der Server nicht wieder einmal überlastet ist – schnell 25 Beispiele für eine Gefahr auf einer Fantasyreise ausspucken lassen.

Das KI auch für die Erstellung von professionellen Rollenspielprodukten Einsatz findet, ist also nur eine Frage der Zeit. Tatsächlich hat der größte Anbieter für Rollenspiel-PDFs sich bereits zu einer Stellungnahme und Richtlinie zum Umgang mit KI-Kunst veranlasst gefühlt und nutzen die ersten Produkte das Tool. Der vielleicht radikalste Ansatz kommt mit dem kleinen Supplement P!LLS FVLL of GODS für CY_BORG daher. Das erklärte Ziel von "Autor" Paweł Kicmans war es, die Grenzen der KI auszuloten und diese mit möglichst wenig menschlichem Einfluss ein Rollenspielsupplement erstellen zu lassen.

CY_BORG oder: Punk’s not Dead

Nun, was erstmal ist CY_BORG? CY_BORG ist ein auf der Engine des preisgekrönten MÖRK BORG basierendes Cyberpunkrollenspiel. Der Ansatz beider Spiele ist extrem. Extrem simpel und extrem chaotisch. Die Regeln passen tatsächlich auf einen Faltzettel und setzen sich im Kern daraus zusammen, dass man einen zwanzigseitigen Würfel mit Bonus oder Malus gegen eine Schwierigkeit wirft. Hinzu kommen die klassischen Würfelsorten als Schadenswürfel und drei Ölkübel Kreativität. Wir erhalten einen unfassbar chaotischen Baukasten mit Versatzstücken an Ideen, die sich möglichst unmittelbar ins Spiel einbauen lassen. Zufallstabellen, knackige und teils extrem mächtige Effekte schmeißen uns in eine Welt, in der alles möglich ist, außer ein Konzernsklave zu sein. Ja, richtig gelesen, die erste und einzige unveränderliche Regel besagt, dass man in CY_BORG niemals, aber auch wirklich niemals einen Konzernangestellten spielen darf. Dieser anarchistische Vibe wird auch durch das Layout der Produkte unterstützt. Kaum ein Abschnitt ähnelt einem anderen. Stattdessen versucht hier jede Doppelseite einen bestimmten Flair zu erreichen, der das jeweilige Thema trägt. Lediglich ein durchgängiges DIY-Fanzine Feeling klebt die Seiten im wahrsten Sinne des Wortes zusammen.

Hier ist nicht der Ort, um CY_BORG ausführlich zu besprechen. Stattdessen ist die Frage, was wir in den P!LLS FVLL of GODS finden. Das 26-seitige Heft gibt uns eine wahrhaft bunte Mischung an neuen Inhalten. Am stärksten ist das erste Segment über Götter. Hier wird eine neue Droge eingeführt, die den direkten Kontakt mit Göttern ermöglicht, von denen vier mit prägnanter Grafik und einer Liste mit Effekten versehen werden. Die göttliche KI "Netrubel" gibt ihren Anbeter*innen zwei zufällige Apps, das Gefolge von Astaroth verlangt das beständige Stillen einer Obsession, "The War" belohnt uns fürs Töten und die Kultisten des Mammons sind gar nicht spielbar, weil wir ja eben keine Konzernsklav*innen spielen dürfen. Dementsprechend gibt es uns gesichtslose NPCs an die Hand. Wem das nicht reicht, der*die bekommt schließlich 3W12 niedrige Götter mit an die Hand.


Die erste Gottheit greift das Thema äußerst direkt auf: Eine KI erstellt eine Hacker-Gottheit.

Die darauf folgenden Identities sind grob gesprochen Klassen, die jeweils mit sehr individuellen Twists und Listen daherkommen. Ronin, Private Eye, Amateur Wrestler und Moonpunk sind allesamt coole und krasse Identitäten, die wundervoll in Szene gesetzt sind, sowohl durch prägnante Grafik als auch individuelle Regeln.

Danach folgen Zufallstabellen. W12 Leute, die man in der Metro treffen kann, W66 Dinge, die man im Müll findet, ein Street Food Menü, W12 Drogen und vier neue Waffen. Darauf folgen Werte für Kultist*innen, sowie zehn NPCs. Abgeschlossen wird das Ganze schließlich von einem KI-generierten Gedicht.

Herausgekommen ist ein spielbares und in Teilen wirklich interessantes Supplement. Bestätigt das nun, dass KI ein Rollenspielsetting generieren kann?

Leider ist die Frage kaum zu beantworten, da wir den genauen Arbeitsprozess nicht kennen. Es ist klar, dass alles Artwork KI-generiert ist. Und das Artwork passt mit seinen vereinzelten Imperfektionen quasi perfekt in den Stil des chaotischen Spiels. Allerdings lebt dieser Stil nun auch massiv vom Layout, den unterschiedlichen Schriftarten und der Vermischung der Elemente, also genau von den Aspekten, die gerade nicht von der KI stammen.

Auch die Konzepte und Ideen fügen sich passend ein. Allerdings ist es kaum möglich zu sagen, welchen Anteil die KI hier genau hatte. Wie wurden die Prompts generiert? Wie viele Variationen wurden ausprobiert, um das Ergebnis zu erhalten? Woher stammen die Einträge der Listen und die zugehörigen Regeln? Wurde hier bloß versucht die Bilder zu interpretieren, oder sind auch die Konzepte KI-generiert?


Die Identitäten haben starke, überzeichnete Konzepte

Was wir bei all diesen Fragen und Einschränkungen nicht vergessen dürfen, ist, dass das Produkt schon im Moment seiner Veröffentlichung veraltet ist. Die genutzten Bildgenerierungsalgorithmen sind bereits überholt und zur Zeit der Erstellung war das bahnbrechende ChatGPT noch nicht veröffentlicht. Auch fehlte (und fehlt) es noch an Erfahrungswerten, wie man mit Fragetechniken interessante Settings erzeugt. Was das Supplement jedoch zeigt, ist, dass KI-Tools ein immenses Potential bieten, um Grafik aber auch Texte von Rollenspielprodukten zu generieren. Ob wir diesen Weg weitergehen wollen, ist indes eine eigene (ethische) Frage. Paweł Kicman hat sich jedenfalls entschieden, nach dem Experiment wieder mit menschlichen Künstler*innen zu arbeiten.

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