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Musik und Literatur gleichen sich aus

Tobias Bachmann im Genretalk über phantastische Musik

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Kategorie: Interview Literatur Musik

Die Phantastik kennt keine Grenzen und ist natürlich auch in der Musik beinhaltet. Statt ein weiteres literarisches Gerne zu beleuchten, widmet sich der diesmalige Genretalk der Verbindung von (phantastischer) Literatur und Musik. Autor und Komponist Tobias Bachmann wirft einen Blick auf die beiden Medien und taucht dabei insbesondere in die weniger bekannte frühe Phase kosmischer Musik ab ...

Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Lieber Tobias, du bist Autor von dunkler Phantastik, aber darüber hinaus auch Musiker und Komponist. Das möchte ich zum Anlass nehmen, um heute mit dir über Musik und Phantastik zu reden. Zuvor würden mich aber noch ein paar Worte über dich interessieren. Wer bist Du und wie kamst du zur Phantastik?

Tobias Bachmann: Ich bin jetzt 44, Familienvater, verdiene meine Brötchen in der Kinder- und Jugendhilfe und nutze als Ausgleich vielfältige kreative Wege. Hiervon haben sich das Musikmachen sowie das Schreiben seit frühester Jugend so fest in meinem Leben etabliert, dass ich beides semiprofessionell betreibe – sprich: das einzige, was mir nicht gelingt, ist es, davon Leben zu können.

Andreas (ZWO): Damit bist du wahrlich nicht alleine! Musik und Literatur sind also zwei zentrale Eckpfeiler in deinem Leben. Wie gehen die beiden Seiten denn für dich zusammen? Wie haben sich Musik und Literatur bei dir zueinander verhalten?

Tobias: So wie das Kreative als Ausgleich zur Realität des Alltags dient, gleichen sich Musik und Literatur zueinander aus. Beim Schreiben arbeite ich sehr verkopft, das Musikmachen nutzt wohl andere Hirnregionen. Beim Musikmachen muss ich nicht denken und bin völlig frei. Und beides wiederum inspiriert sich gegenseitig.

Andreas (ZWO): Eine spannende Gegenüberstellung! Mich würden deine Einflüsse sehr interessieren. Literarisch hast du viel von Lovecraft aufgenommen, was hat dich musikalisch geprägt?

Tobias: In erster Linie bin ich mit Hard‘n‘Heavy aufgewachsen und habe hier auch meine ersten musikalischen Gehversuche gemacht. Allerdings als Keyboarder, was wohl bei weiterer Beschäftigung mit dem Instrument zu Progressive-Rock führte, von wo aus der Schritt zum Jazz nicht weit lag. Hier waren es aber vor allem sphärische Varianten, die mir zusagten, sodass ich alsbald im Ambient landete. Von dort aus war es dann Tangerine Dream, Klaus Schulze und das Konzept der Berliner Schule, die mich nachhaltig prägten.

 

Andreas (ZWO): Diese Frühphase elektronischer Musik hat mich dank der Plattensammlung meines Vaters ebenfalls nachhaltig geprägt. Dabei fiel mir die starke Verbindung zur Phantastik auf. Ich denke etwa an das Edgar-Allan-Poe-Album vom Alan Parsons Project, das Herr-der-Ringe-Album von Bo Hansson oder auch die König-Arthur-Interpretation von Rick Wakeman. Aber nicht nur da, wo der Bezug offensichtlich war, hat die Musik bei mir ein phantastisches Kribbeln ausgelöst. Klaus Schulzes "Timewind" habe ich etwa als Grundlage für ein Cthulhu-Abenteuer genommen. Kannst du etwas mehr zur Verbindung der frühen elektronischen Musik und Phantastik sagen?

Tobias: Ich höre diese in ihrer Frühzeit ja oft auch als kosmische Musik bezeichneten Soundteppiche und Klanglandschaften gerne zum Schreiben. Es hilft mir dabei, die Realität auszublenden. Klaus Schulzes Frühwerke etwa habe ich alleine aufgrund ihres surrealistischen Cover-Artworks für mich entdeckt. Das war lange, bevor ich selbst die ersten Versuche unternommen habe, musikalisch etwas in dieser Richtung zu versuchen. Dass meine Musik es eines Tages auf zwei Sampler schaffen würde, die Schulze als Hommage gewidmet sind, hätte ich nie für möglich gehalten.

Um aber auf deine eigentliche Frage zurückzukommen: Die Musik, über die wir hier sprechen, besteht aus unterschiedlichen Strukturen (Flächen, rhythmischen Sequenzen, dissonanten Melodien uvm.), die übereinander geschichtet ein immer größeres Gesamtbild ergeben. Dieses Gesamtbild ist aber immernoch nur ein winziger Ausschnitt von etwas noch größerem. So gesehen erinnert dieser Aufbau durchaus an Lovecrafts kosmischen Schrecken, wo die behandelte Erzählung auch nur einen kleinen Ausschnitt des großen Horrors zeigt, der sich uns nur offenbart, wenn wir beim Lesen über die Geschichte hinaus wachsen, um uns unser eigenes Bild machen.

 

Andreas (ZWO): Hast du bestimmte Musiktitel, die das für dich besonders ausdrücken?

Tobias: Anspieltips wären von Tangerine Dream die Alben „Phaedra“ oder „Stratosfear“ und von Klaus Schulze „Dune“ oder „Moondawn“. Erwähnenswert erscheint mir hier noch, dass Klaus am 26.April 2022 verstorben ist. Als musikalisches Vermächtnis erscheint das kurz vor seinem Tod fertiggestellte Album „Deus Arrakis“ (angekündigt für 1.07.22), das eine Fortsetzung von „Dune“ darstellt – wo wir übrigens wieder bei der Verwebung von Musik und Literatur sind. Beides ist nichts anderes als Kopfkino. 

Der ebenso kürzlich erst verstorbene Vangelis (†17.05.22) war ja genauso wie Tangerine Dream und Schulze sowie viele andere E-Musiker gern gebuchter Lieferant für kongeniale Soundtracks, die allesamt aber auch ohne den Film funktionieren – man denke da nur an Blade Runner.

Andreas (ZWO): Du selber hast ja zusammen mit Florian Betz eine – wenn man es so nennen darf – musikalische Erzählung produziert: den Ruf des Nachtmahr. Was erlaubt dir diese Form, das der geschriebene Text nicht ermöglicht? Was sind die Stärken eines solchen gemischten Mediums?

Tobias: Der Ruf des Nachtmahrs war ein Experiment, Literatur und Musik als erzählerische Einheit miteinander zu verbinden. Handlungsstränge wurden nur angedeutet, Atmosphäre akustisch erzeugt, das vorhin erwähnte Kopfkino angetriggert. Viele Hörer*innen meldeten zurück, dass uns dies gelungen sei.

Andreas (ZWO): Das kann ich nur bestätigen! Und was sind die Schwierigkeiten oder produktiven Herausforderungen, die so eine Verbindung von Klang und Text mit sich bringt? 

Tobias: Das größte Problem ist sicherlich, dass es eine Art Genre ist, auf dass man sich als Hörer*in vor allem zeitlich als auch von der Aufmerksamkeit her einlassen muss. Das gelingt in unserer schnelllebigen Gesellschaft nur noch wenigen. Die nächste Schwierigkeit bestand von meiner Seite her darin, das ganze live auf der Bühne umzusetzen. Ich war der Meinung, man müsse mit Videoanimationen arbeiten, das Publikum visuell ködern, da man nur wenig Performance bieten kann, wenn man mit Piano, Synthesizern, Computer und Textesprechen voll ausgelastet ist, während man mit dem Fuß noch irgendwelche Lichteffekte und Nebelmaschinen steuert. Florian war hier anderer Ansicht, was letztendlich auch mit zum Zerwürfnis 2017/2018 beigetragen hat. Zwar gingen wir das Folgealbum als Trio an und arbeiteten Song-orientierter, aber die Luft war raus. Wir haben nicht gestritten oder so, aber eine Fortführung war nach sehr intensiver Zeit im Studio nicht mehr denkbar.

Andreas (ZWO): Wird das Material in absehbarer Zeit veröffentlicht? Welche musikalischen und literarischen Kooperationen dürfen wir in naher Zukunft noch erwarten?

Tobias: Das zweite und soweit letzte Album des Betz-Bachmann-Syndroms trägt den Titel „Abgesang“ und wird wohlweislich nur digital erscheinen, da sich ein physischer Tonträger bei einem schwindend kleinen Hörerkreis und ohne Möglichkeiten der Live-Präsentation gar nicht rentiert.

Ebenfalls in Arbeit ist ein Buch mit dem Arbeitstitel „Konzerte“. Erzählungen, die sich allesamt auf phantastische Weise mit Musik auseinandersetzen. Jede Erzählung wird aktuell vom Künstler Heiko Schulze kongenial visualisiert. Außerdem arbeite ich mit meinem E-Musik-Projekt Dunkelpoet quasi am Soundtrack zum Buch. Die Idee ist es, die drei Säulen der Kunst (also Wort, Bild und Ton) zu einer Einheit zu verweben. Ein sehr ambitioniertes und arbeitsintensives Projekt, das wohlweislich noch etwas Zeit benötigt. Allein das Manuskript ist bereits fertig. Ich träume von einer Buchpräsentation, eine Mischung aus Lesung, Konzert und Ausstellung. Mal sehen, was daraus wird.

Ansonsten sieht man mich live mit Dr. Woo’s Rock’n’Roll Circus auf der Bühne und ich arbeite am neuen Despina-Jones-Roman, der hoffentlich nächstes Jahr erscheinen wird, sodass sich die Leute auch wieder auf Lesungen freuen dürfen.

Zu Klaus Schulzes Ableben ist vom Label Aural Films erneut ein Sampler angekündigt, für den ich gerade erst die Bestätigung erhalten habe, dass mein neues Stück (mit dem originellen Titel “Klaus”) von Dunkelpoet darauf erscheinen wird. Der Sampler soll zum 04. August erscheinen, wo Klaus Schulze 75 Jahre alt geworden wäre.

 

Alle Genretalks im Überblick

Illustrationen von und mit freundlicher Genehmigung durch David Staege.

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