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Medusa und Perseus

Ein Graphic Novel über die Sagenwelt der Antike

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Kategorie: Literatur

Perseus, Sohn des Zeus und laut Homers Ilias der herrlichste Kämpfer der Vorzeit, macht sich wieder einmal auf den Weg, der sterblichen Gorgone Medusa das schlangenumwundene Haupt abzuschlagen. Und Medusa? Sie wartet erneut auf ihr unausweichliches Schicksal. Doch was wissen wir eigentlich über das vermeintliche Monster?

Normalerweise würde ich für einen besseren Einblick in die Graphic Novel zuerst die Grundzüge der Geschichte beschreiben, ohne dabei zu viel zu verraten, sprich: nicht zu spoilern. Allerdings erscheint mir das bei griechischer Mythologie, speziell bei der Figur der Medusa, etwas schwierig. Ihr trauriges Schicksal oder ihr Erscheinungsbild mit den Schlangenhaaren, bei dessen Anblick Menschen zu Stein erstarren, sind oft in Grundzügen bekannt.

Aber was macht Medusa eigentlich in der Zwischenzeit? Also zwischen Monsterwerdung und Enthauptung. Ok, einen Steingarten aus Menschen anlegen, aber sonst wissen wir nicht viel über sie. In der vorliegenden Graphic Novel im Wendeformat erfahren wir die bisher nicht niedergeschrieben zwei Perspektiven derselben Geschichte. Das Schicksal von „Held“ und „Monster“ und wie ihre Leben, bis zu diesem Aufeinandertreffen, verlaufen sind.

Held oder Mörder, Monster oder Opfer

Der Einfachheit halber beginnen wir mit der ausführlicheren Geschichte von Perseus. Anders als in den überlieferten Darstellungen ist Perseus in der Graphic Novel ein etwas tollpatschiger Junge, der mit großer Überzeugung seine Mission verfolgt: Zum Schutz seiner Mutter soll er König Polydektes den Kopf der Medusa bringen. Dabei stolpert er mit der Hilfe von Athena, in Gestalt des Schäfers Dimos, gewissermaßen in die Geschehnisse zu seiner eigenen Heldentat. Auf seinem Weg macht er Begegnungen mit den Graien sowie den Nymphen und lernt früher, als die antike Vorlage es zu berichten weiß, Pegasus und eine Amazone kennen. Dann endlich betritt er Medusas Reich.

Medusa ist Anhängerin der neuen Göttin Pallas Athene und erhofft sich positive Veränderungen im Verhältnis zwischen Menschen und Gottheiten. Auf dem Weg zum Tempel der Athena erscheint ihr Poseidon in Gestalt eines Pferdes und bringt sie zum Gipfel des Tempelberges. Dort wandelt er seine Gestalt und vergewaltigt Medusa vor dem Standbild Athenas, die eifersüchtig und in Form einer Eule, das Ende des Gewaltaktes erblickt und zur Strafe Medusa zu dem Monster mit den Schlangenhaaren macht. Bis zum Aufeinandertreffen mit Perseus erzählt Medusa ihre Geschichte, von der Geburt des Pegasus als Resultat der Vergewaltigung, ihr Hadern mit der Göttin Athena und ihrer Einsamkeit, die das bekannte Ende in einem neuen Blickwinkel erscheinen lässt.

Kritik

Breinbauer nutzt die von Ovid stammende Beschreibung Medusas als Vergewaltigungsopfer und dekonstruiert die Sage zu einer düster-modernen Interpretation, die sich vor allem vor dem Hintergrund sexualisierter Gewalt und ihrer Folgen bzw. der aktuellen Metoo-Bewegung entsprechend entfaltet.

Nun ist die griechische Sagenwelt voll von sexualisierter Gewalt und selbst Göttinnen des Olymps wurden, bis auf wenige Ausnahmen (interessanterweise gehört Athena zu den Ausnahmen), Opfer von Übergriffen. Medusa, ausgerechnet die einzige sterbliche Gorgone, stellt somit leider keine Ausnahme dar. Auch Perseus nicht, stammt er doch aus einer nicht gerade freiwilligen Vereinigung zwischen Zeus, in Form eines Goldregens, und der menschlichen Königin Danaë. Man merkt, dass vornehmlich Männer die Autoren in der Antike waren.

Die Geschichte Medusas ist speziell und außergewöhnlich, da sie die seltene Gelegenheit kommt, als „Monster“ wehrhafter sein zu können. Allerdings ist ihre Existenz jetzt erst recht in Gefahr, da alle sogenannten "Helden" der antiken Welt ihr den Kopf abschlagen wollen. An dieser Stelle gelingt Breinbauer der Kunstgriff. Er schafft zeichnerisch und textlich einen Spagat zwischen der Schwärze der Thematik und jeder Menge Humor. Medusa ist nicht das zornige Monster, vielmehr ist sie eine verletzte Frau, in einer gleichgültig männlichen Gesellschaft. Dabei stellt sie, teils humorvoll, die Motive der versteinerten Figuren und deren moralische Haltung als "Helden" in Frage.

Die Geschichte aus dem Blickwinkel von Perseus kommt, zum Kontrast zur eigentlichen Thematik, leichtbekömmlich und sehr unterhaltsam daher. Seine Motive sind untadelig, aber er hinterfragt sie auch nicht wirklich, bzw. begreift nicht, dass er nur ein manipulierbares Werkzeug im Spiel Athenas ist. Wie es sich für eine Sage gehört, so trifft Perseus auf seinem Weg sehr idealtypische Charaktere, die eigentlich alle weiblich sind, da der männliche Dimos von Athena gelenkt wird. Hier wird es mitunter etwas zu klischeehaft in der Darstellung, z. B. wenn es um Nymphen und Amazonen geht. Aber es bleibt durchgängig sehr lustig.

Fazit

Egal ob die Zerstörung Trojas in der Ilias oder die Odyssee, es gibt einige wirkmächtige und vor allem ambivalente Figuren in der griechischen Mythologie und Sagenwelt. Aber man kann sagen: Medusa tritt in der Gegenwart aus dieser Menge nochmal, sozusagen als Popstar, heraus.

Die Graphic Novel hat mich thematisch noch einige Tage gedanklich beschäftigt. So zeigt z. B. die Umkehrung der Rollen von Medusa und Perseus, wie leicht ein beherrschendes Narrativ den Blickwinkel bestimmen kann. Die Darstellung Athenas lässt zusätzlich sehr viel Spielraum für Interpretationen.

Den innerhalb eines Zeichenstils an die Grenzen gehenden Wechsel von Formen finde ich für das Thema sehr passend. So zerrt z. B. der Gewaltakt an der graphischen Perspektive. Oder die Geschichte eines Liedes wechselt in die Form einer antiken Vasenmalerei. Man weiß beim Umblättern nie, was einen auf der nächsten Seite erwartet, und trotzdem wirken beide Geschichten sehr einheitlich gezeichnet. Auch der gezielte Einsatz bzw. der Verzicht von Farben, um entsprechende Stimmungen zu vermitteln, hat mir sehr gut gefallen.

Das Thema Stellung der Frau bzw. Vergewaltigung ist ein extrem hartes Brett, besonders für ein Graphic Novel/Jugendbuch (Leseempfehlung des Verlags: ab 14 Jahre). Aber wenn ich nach einem Buch suchen würde, dass einen geeigneten Ansatz für die Thematik liefert, dann würde Medusa und Perseus sehr weit vorne rangieren. Im Schild des Perseus spiegelt sich nicht nur das Haupt der Medusa, sondern das einer ganzen Gesellschaft, damals wie heute, wider.

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