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Die Magie der Lüge

Verloren zwischen den Wirklichkeiten

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Kategorie: Literatur

Der Folgeband nach Die Magie der Namen erzählt nicht nur von einer veränderten Wirklichkeit, sondern aus einem gänzlich anderen Blickwinkel heraus, was in Mirabortas so vor sich geht.

Die Magie der Lüge ist der Fortsetzungsband nach dem Werk Die Magie der Namen von Nicole Gozdek, in dem Tirasan Passario nicht nur von einer Nummer zu einer richtigen Persönlichkeit mit eigenem Namen aufsteigt, sondern auch die Wirkungsmöglichkeiten seiner ureigenen Magie erfährt.

Vorsicht: Spoileralarm aus dem ersten Band!

Mit der sogenannten Wahrheitsmagie konnte er nämlich nicht nur herausfinden, ob jemand die Wahrheit spricht, sondern zudem die ganze Wirklichkeit ändern. Was für ihn als gut und richtig galt und als einzige Möglichkeit, die Gesellschaft aus einem namenlosen und somit zwischenmenschlich kalten Dilemma zu führen, stürzt seine Verwandte Anderta jedoch in eine ausgeprägte Lebenskrise. Denn als sich die Gefüge der Realität von heute auf morgen grundlegend neu sortieren, scheint sie die einzige zu sein, die davon mehr als nur verwirrt ist.

Verdrehte Welt!

Der erste Band Die Magie der Namen profitierte grundlegend von der kompletten Neuorganisation einer ganzen Gesellschaft. Kinder und Jugendliche wachsen als namenlose Nummern in Schulen auf, in denen sie zwar nicht wie Gefangene, aber doch abgeschottet von der Außenwelt leben. Erst mit dem Fest der Namensgebung erhalten sie einen eigenen Namen, der ihr weiteres Schicksal grundlegend bestimmt. Dieser Name ist nämlich alles andere als individuell, sondern eher eine Art Wiederverwertung eines bereits gelebten Lebens. Hat man das Pech einen eher gewöhnlichen Namen zu erhalten, muss man sich beispielsweise mit dem einfachen Leben eines Bauern abfinden, selbst wenn man eigentlich lieber Stadtvogt sein möchte. Ergattert ein Jugendlicher jedoch einen komplexen Heldennamen, so ist ihm nicht nur Ruhm und Ehre gewiss, sondern vielleicht das Vermögen, dass er bereits in seinen vorherigen Leben anhäufen konnte. Allen gemein ist jedoch, dass niemand eine Wahl hat. Bis auf Tirasan Passario, der im ersten Band gegen genau diese Konventionen aufbegehrt und das ganze ungeliebte Gefüge mal eben mit einem Augenzwinkern neu sortiert.

Same same but different?

Im zweiten Band Die Magie der Lüge kann sich bereits nach wenigen Seiten kein Schwein mehr dran erinnern, dass es mal eine namenlose Welt gegeben hat, in der Kinder nicht bei ihren Eltern aufwachsen durften. Auch dass der Name den weiteren Lebensweg vorgibt, ohne Möglichkeit, sich einen anderen auszusuchen, ist mittlerweile nicht mehr ganz so streng geregelt. Alles scheint völlig normal, irgendwie aber auch viel besser zu sein. Obwohl der Vergleich natürlich schwierig ist, wenn keiner mehr weiß, wie es vorher war. Na ja, fast keiner. Anderta Passario, die mit ihrem Doppelleben als Wahrsagerin und Diebin eben noch ganz glücklich war, sieht sich nämlich über Nacht mit einer leidvollen Überraschung konfrontiert. Ihr Sohn, den sie eigentlich in irgendeiner Schule wähnte, nachdem sie ihn nach der Geburt dort abgegeben hatte, taucht zu ihrer absoluten Verwunderung eines Morgens direkt neben ihr auf und verlangt nach Aufmerksamkeit. Völlig verwirrt versucht Anderta, sich in dieser unbekannten Welt irgendwie zurechtzufinden und wähnt sich in einem schlechten Scherz. Auch ihr Gefährte und Liebhaber ist von der Anwesenheit des Kindes zwar nicht überrascht, aber trotzdem total unbegeistert.

Dass Kinder nun bei ihren Eltern aufwachsen, ist aber nicht das einzig Neue: Obwohl die Namensmagie immer noch eine grundlegende Struktur vorgibt, in der die Fähigkeiten des Einzelnen von seinem Namen bestimmt werden, gibt es plötzlich eine Wahl. Für Anderta gibt es jedoch nur einen einzigen möglichen Pfad: Sie will zurück in ihre alte Wirklichkeit.

Von heldenhafte Schurken und zwielichtigen Helden

Nachdem die Charaktere im ersten Band aufgrund ihrer Namen in ihren Eigenschaften noch relativ determiniert waren, wird dieser Umstand im zweiten Band etwas aufgebrochen. Anderta ist nicht wirklich böse, aber auch nicht wirklich gut, sondern irgendwas mittendrin und auch die anderen Charaktere werden immer wieder andeutungsweise infrage gestellt.

Den Konflikt zwischen den Tugenden der Namen und den Schwierigkeiten, diesen treu zu bleiben, hätte man vielleicht noch etwas herausheben können. So sind an einigen Stellen die Gegebenheiten doch etwas zu vorhersehbar und gehen manchmal zu glimpflich aus.

So richtig liebhaben kann man keine der agierenden Figuren, da man diese immer wieder von anderen Seiten betrachten muss. Gerade darin liegt aber auch der Reiz, da nach der Verdrehung der Wirklichkeit nun auch Helden und Schurken stetig die Rollen wechseln. Besonders aber die Heldentat aus dem ersten Band wird in ein kritisches Licht gerückt und durch die geänderte Perspektive auf Anderta grundlegend infrage gestellt. Immerhin hat Tirasan eine gesamte Wirklichkeit umgekrempelt, was jetzt wirklich nicht nur als Kavaliersdelikt mit ein paar Punkten in Flensburg gehandelt werden kann.

Gesamteindruck

Mit Die Magie der Namen hat Nicole Gozdek die Messlatte schon ziemlich hoch angesetzt, somit ist es nicht verwunderlich, dass Die Magie der Lüge da nicht ganz mithalten kann. In meinen Augen ist die Fortsetzung jedoch gerade durch das Wechselspiel der Perspektiven und das kritische Beäugen der Taten aus dem ersten Band dennoch gelungen. Die Charaktere hätten an mancher Stelle vielleicht noch etwas Tiefgang haben können und die Begründung der Schandtaten, die der ein oder andere auf seinem Karmakonto zu verbuchen hat, war vielleicht etwas zu erwartet, aber da befinden wir uns schon auf einem sehr hohen Mecker-Niveau. Die Tatsache, dass Nicole Gozdek das Happy End des ersten Bandes absolut infrage stellt und das Über-den-Tellerrand-Sehen in einen unerwarteten literarischen Kontext hebt, lässt mich jedenfalls über solch kleinere Meckergründe locker hinwegsehen und birgt in modernen Zeiten des polarisierten Schwarz-Weiß-Sehens eine essentielle Botschaft.

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