X

Cookie Notice

Wir nutzen auf unserer Website Cookies und andere Technologien, um zu analysieren wie Sie unsere Webseite nutzen, Inhalte zu personalisieren und Werbung zu schalten. Durch die weitere Nutzung erklären Sie, dass Sie mit der Nutzung von Cookies einverstanden sind. Beachten Sie bitte, dass dieser Hinweis und die Einstellungen nur für die AMP Version unserer Seite gelten. Auf der regulären Website treffen Sie die Auswahl über den Cookiebot.

Startseite
Brett- und Kartenspiele Cosplay Filme Games Intern Interview Kurzgeschichten LARP Literatur Musik Pen & Paper Rezepte Sonstiges Tabletop Veranstaltungen

Lesung: We will give you hell

Eine Lesung mit Lina Frisch

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Interview Literatur Veranstaltungen

Mit We will give you hell legt Lina Frisch einen spannenden Urban-Fantasy-Roman vor, in dem Wut, Magie und Gerechtigkeit aufeinandertreffen. Inhaltlich sind wir auf das Buch schon eingegangen. Jetzt haben wir in Flensburg eine Lesung und Diskussion mit der Autorin und Psychologin besucht.

Zwei braune Ledersessel und ein fragiles Beistelltischchen stehen vor mir. Noch sind die Sessel leer, die Wassergläser auf dem Tisch unberührt. Ich sitze zwischen den Regalen “Fantastische Welten” und “Psychologie”. Bücher mit Titeln wie Woman on Fire, Du musst nicht von allen gemocht werden und Das Risiko du selbst zu sein schauen auf mich herunter. Der Ort der Lesung ist passend gewählt für einen Urban-Fantasy-Roman, der die Wut unterdrückter Frauen thematisiert.

Auch das Publikum von Lina Frischs Lesung ist überwiegend weiblich. Und so unterschiedlich wie die Frauen in ihrem Buch sind auch die Anwesenden. Zwei unterhalten sich angeregt, eine starrt versonnen in die Gegend, eine schmiegt sich an ihren Partner und zwei weitere ziehen Bücher aus dem Regal, blättern und stellen sie wieder zurück. Ich kritzle emsig in mein Notizbuch. Bis die Autorin erscheint.

Politische Fantasy-Autorin

Lina Frisch ist erst 26 Jahre alt – eine junge Psychologin im grau-karierten Blazer, die lacht und sich selbst nicht zu ernst nimmt. Ihr petrolgrüner Nagellack harmoniert hervorragend mit den Tannen auf dem Cover von We will give you hell. Zur Vorstellung ihres dritten Buchs kehrt sie nach Flensburg zurück – in der Fördestadt im Norden ist sie aufgewachsen.

Der Abend beginnt nach einer kurzen Einleitung von Susanne Hansen-Oettinger, der Inhaberin der Buchhandlung Rüffer, in der die Lesung stattfindet. Heiter kündigt sie uns Frisch als eine “moderne junge Frau” an, deren Bücher stets “politisch hochaktuell sind” und die sich auch in den sozialen Medien für Feminismus engagiert.

Wut und Magie

Und schon tauchen wir ein in die Geschichte von Helleah (19), genannt Hell, die mit ihren Freund*innen nach Schweden fährt, um das bestandene Abitur zu feiern – und dabei Dinge über sich erfährt, die sie nie geahnt hätte. Vor der malerischen Kulisse Stockholms und der Wälder Südschwedens erzählt Frisch eine Geschichte zwischen Wut und weiblicher Magie, die rasch an Fahrt aufnimmt. Denn Hell wird im Urlaub wiederholt von rätselhaften Fieberattacken heamp-img layout="responsive" height="1" width="1"esucht, sie begegnet einer seltsamen Fremden und trennt sich schließlich von ihren Freund*innen, um dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Die Rezension zum Buch findet ihr übrigens hier.

Frisch entführt uns im Rahmen der Lesung in unterschiedlichste Szenen auf Hells Weg: Wir preschen in einem Boot mit ihr über die Ostsee, besuchen ein altes Wikingermuseum, gruseln uns nachts im Wald und begleiten Hell in eine neue Gemeinschaft; eine, in der die unerklärliche Wut, die sie schon ihr Leben lang quält, erlaubt ist.

Auch Frauen haben Clans geführt

Zwischen den Szenen ist Raum für Diskussion und Fragen. Sympathisch und nahbar gibt Frisch eine Einführung in skandinavische Mythologie – z. B. was der Unterschied zwischen den Unterwelten Walhalla und Helheim ist und dass auch Frauen, die unter der Geburt sterben, ins Kämpferparadies Walhalla kommen. Und sie erklärt, wie sie auf die Idee zum Roman gekommen ist. Ursprung war nämlich eine Terra-X-Doku über die schwedische Wikingerstadt Birka. Die Knochen in der dortigen Gruft hatte man jahrelang einem männlichen Clanchef zugeschrieben. Eine Genanalyse ergab dann aber, dass es eine Frau war, der man so prächtige Grabbeigaben auf den Weg nach Walhalla mitgegeben hatte.  

“Nachdem dieser Irrtum aufgeklärt wurde, fragte ich mich: Was erzählt die Wissenschaft uns noch falsch?”, sagt Frisch. “Und warum ist es immer noch überraschend, dass hier eine Frau an der Spitze eines Clans stand, Handel betrieb und Kriegszüge führte?”

Interessant sind auch Einblicke in die Vermarktung ihres Werks. So habe der Verlag sich kurz gesorgt, ob denn eine Heldin, die nicht brav und angepasst, sondern hauptsächlich wütend ist, sich überhaupt verkaufen lasse und sympathisch sei. “Ein wütender männlicher Protagonist wird hingegen als tough und normal wahrgenommen”, sagt Frisch. “Das wird gar nicht infrage gestellt.”

Wütende Frauen? Lieber nicht

Frisch verwebt in ihrem Roman die realen, psychologischen Aspekte von Wut als Emotion mit den Elementen, die Fantasy uns zur Verfügung stellt. So wird aus einer schon in der Realität oft heftigen Emotion mit etwas magischer Hilfe eine Superkraft, mit der Frauen für ihre Rechte kämpfen. Und diese weibliche Wut ist das verbindende Merkmal aller Frauen, deren Bekanntschaft Hell auf ihrer Reise macht.

“Finden Sie selbst es nach so einem Roman denn leichter, im Alltag Ihre Wut zu leben?”, fragt eine Zuschauerin.   

Frisch lacht. “Nein, das fällt mir immer noch schwer. Frauen lernen heutzutage, dass sie nicht wütend sein dürfen. Egal, was ihnen passiert. Sich dagegen aufzulehnen, ruft in der Gesellschaft immer noch Befremden und Gegenwind hervor.” Sie beschreibt, dass viele Frauen ihre Wut gar nicht als solche wahrnehmen und einordnen können. Viel eher würden Frauen sie unter “Trauer” oder “Enttäuschung” ablegen und passiv bleiben.

Wut ist wichtig

Spannend ist nicht zuletzt, dass Frisch mit Hells Geschichte kein Schwarzweißbild zeichnet. Sie behauptet nicht, dass Wut das Allheilmittel sei und wir alle sie nur spüren lernen müssten. Stattdessen wirft sie Fragen auf: Wie weit darf ein Rachebedürfnis gehen? Wie weit darf Aktivismus gehen, so hehr seine Ziele auch sein mögen? Wut ist wichtig, ja, sie gehört dazu – aber wann geht Wut zu weit? Und was passiert, wenn wir uns in ihr verlieren?

Beim Rausgehen bin ich beschwingt und nachdenklich zugleich. Wut hat ebenso viel Berechtigung wie unsere anderen Emotionen auch, das ist mir spätestens nach dieser Lesung klar. Sie hat Gründe, denn sie hilft uns, zu spüren, dass uns etwas stört. Im Vergleich zur Trauer gibt sie uns eher das Gefühl, dass wir etwas tun können und wollen gegen einen Missstand. Und trotzdem dürfen wir der Wut Grenzen setzen, wenn sie uns oder anderen nicht mehr guttut.      

   

Weitere Artikel: