X

Cookie Notice

Wir nutzen auf unserer Website Cookies und andere Technologien, um zu analysieren wie Sie unsere Webseite nutzen, Inhalte zu personalisieren und Werbung zu schalten. Durch die weitere Nutzung erklären Sie, dass Sie mit der Nutzung von Cookies einverstanden sind. Beachten Sie bitte, dass dieser Hinweis und die Einstellungen nur für die AMP Version unserer Seite gelten. Auf der regulären Website treffen Sie die Auswahl über den Cookiebot.

Startseite
Brett- und Kartenspiele Cosplay Filme Games Intern Interview Kurzgeschichten LARP Literatur Musik Pen & Paper Rezepte Sonstiges Tabletop Veranstaltungen

Jörg Benne: Fantasy bietet ein Maximum an Freiheiten

Interview mit dem Fantasy- und Spielbuchautor

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Literatur

Bereits seit einem viertel Jahrhundert schreibt Jörg Benne mit der ein oder anderen Unterbrechung Fantasyromane. Im Interview mit Zauberwelten Online gibt er uns nicht nur Einblicke in die von ihm geschaffene dunkle Fantasywelt "Nuareth", sondern auch in seine Arbeit an interaktiven Erzählungen und seine Erfahrungen mit Self-Publishing und der Kleinverlagsszene.

Andreas Giesbert (ZWO): Lieber Jörg, schön, dass Du Dir die Zeit nimmst, um etwas aus Deiner Schreibstube zu berichten. Deiner Kurzvorstellung kann man entnehmen, dass Du schon mit 20 Jahren Deinen ersten Fantasyroman vollendet hast. Damit schreibst Du nun mit Pause seit beachtlichen 25 Jahren Fantasyliteratur. Bevor ich zu viel vorweg nehme, kannst Du Dich kurz vorstellen und erzählen, wie Du zur Schriftstellerei und Phantastik kamst?  

Jörg Benne: Zur Schriftstellerei kam ich durch meine Grundschullehrerin, die in der dritten Klasse einen meiner Aufsätze so fantasievoll fand, dass sie ihn vorlas. All meine Klassenkameraden andächtig meiner Geschichte lauschen zu hören, hat mich begeistert und so habe ich bald weitere Geschichten geschrieben – zuerst auf Basis bekannter Figuren wie Pumuckl oder TKKG, was man halt in der Grundschule so kennt.

Zur Phantastik bin ich dann allerdings auch recht früh gekommen und zwar durch – wie sollte es anders sein – Der Herr der Ringe. Nicht, dass ich den selber schon im Grundschulalter gelesen hätte, dafür aber meine Schwestern und die hatten immer die Karten von Mittelerde neben sich liegen. Das fand ich faszinierend und ich habe mir die oft ausgeliehen und mir eigene Geschichten ausgedacht, die dort spielten.
Dann kamen der Einsame Wolf und Das Schwarze Auge (DSA) und ich war endgültig in der Phantastik angekommen. Meine schriftstellerischen Ambitionen verschoben sich dann auch in Richtung "eigene Abenteuer für DSA" und später kam dann die Idee auf, mit einem Freund ein eigenes Computerspiel zu entwickeln. Auch da habe ich mich auf Weltenbau und Hintergrundgeschichte konzentriert.
Aus einer dieser Ideen wurde dann mein erster Roman, den ich im Jahr nach dem Abitur fertigstellte. Nach einer ziemlich frustigen Erfahrung mit einem Verlag kam dann aber erstmal eine sehr lange Pause mit Studium, Berufseinstieg, Kindern und einem eigenen Onlinemagazin zu Videospielen. Erst zehn Jahre später kam ich dann, mittlerweile "hauptberuflich" Hausmann, wieder zum Schreiben.

ZWO: Du hast auch Abstecher in die Zukunft gemacht, Fantasy ist aber das dominante Thema Deiner Bücher. Was bedeutet Fantasy für Dich? Was für Geschichten kannst Du in Fantasywelten erzählen, die in "realistischer" Literatur nicht möglich wären?

Jörg: Fantasy bietet dem Autor ein Maximum an Freiheiten. Klar, wenn man eine an das Spätmittelalter angelehnte Welt baut, muss man schon das eine oder andere recherchieren, damit es nicht gänzlich unrealistisch wird, aber sonst sind der eigenen Fantasie kaum Grenzen gesetzt, sodass man den Plot durch Magie, Fabelwesen usw. immer aufpeppen kann.
Man muss natürlich Spaß daran haben, dem Leser die eigene Imagination näher zu bringen. Klar muss man weniger beschreiben, wenn Person X auf einem schwarzen Pferd um die Ecke kommt, als wenn sie stattdessen eine Echse reitet.

ZWO: Fantasy ist natürlich nicht gleich Fantasy. Wodurch zeichnet sich Dein Stil Deiner Einschätzung nach besonders aus? Wer sind die Autor*innen, die Du am meisten schätzt und die Dich geprägt haben?

Jörg: Ich bin ein großer Fan von Andrzej Sapkowski, dessen Hexer-Reihe ja spätestens durch die Netflix-Serie nun in aller Munde ist (aber der erste Band hat 30 Jahre auf dem Buckel) und von Joe Abercrombie.
Ich stehe nicht so auf heroische Fantasy, sondern mag es lieber grimmig und düster, wenn die Charaktere viele Grauschattierungen haben, Helden auch mal Fehler machen und am Ende vielleicht auch nicht alles gut ausgeht, sondern der eine oder andere auf der Strecke bleibt. Genauso schreibe ich auch, Grimdark nennt man das Genre gemeinhin.

ZWO: Alle Deine Fantasyromane spielen in der Welt von "Nuareth". Deine Paladin-Trilogie oder auch das eigenständige Die Stunde der Helden sind dort angesiedelt. Kannst Du uns "Nuareth" in ein paar Worten vorstellen? Was unterscheidet die Welt am deutlichsten von anderen Fantasywelten?

Jörg: "Nuareth" ist eine klassische Fantasy-Welt auf dem Niveau des Spätmittelalters, mit Magie, Göttern, Fabelwesen, aber ohne  Elfen, Zwerge und Orks.

Was ich am Herrn der Ringe immer faszinierend fand, war, dass man als Leser stets das Gefühl hatte, eine wirklich lebendige Welt zu bereisen, wo hinter jedem Hügel Legenden und Geschichten warteten. So war es ja auch wirklich, wenn man sich das Silmarillion mal zu Gemüte führt, ein Wahnsinn, wie viel Arbeit Tolkien in die Ausarbeitung seiner Welt gesteckt hat.

Im Gegensatz dazu wirken die Welten anderer Fantasyromane oft wie potemkinsche Dörfer. Der Weltenbau ist oft bloß Mittel zum Zweck und nur die Dinge, die für den aktuellen Plot von Belang sind, werden wirklich ausgearbeitet, der Rest bestenfalls mal am Rande erwähnt.

Davon nehme ich meine Romane gar nicht aus. Aber um dennoch das Gefühl einer großen Welt mit vielen Facetten zu erwecken, nutze ich eben immer dieselbe, siedle die Romane aber stets in anderen Gegenden an und erzähle mal mehr über dies, mal mehr über jenes, sodass sich dem Leser mehrerer Romane dann irgendwann hoffentlich auch das Bild einer lebendigen, vielfältigen Welt erschließt.

ZWO: Für Dein erstes Spielbuchprojekt Verax hast Du Dich für ein Science-Fiction Thema entschieden. Das ist für Spielbücher recht ungewöhnlich. Wieso sollte es dort in die Zukunft gehen?

Jörg: Der Mantikore-Verlag hatte seinerzeit (abgesehen von ein paar historischen) ausschließlich Fantasy-Spielbücher im Angebot und ich kam auf der SPIEL mit einem Kunden ins Gespräch, der Spielbücher super spannend fand, mit Fantasy aber nichts anfangen konnte. Da Mantikore aber jede Menge SF-Klassiker im Programm hat, stellte er zurecht die Frage, warum wir denn keine SF-Spielbücher hätten.

Die Frage reichte ich an den Verleger weiter und der meinte nur: „Mach du doch.“ Der Rest ist Geschichte.

ZWO: Vermutlich war das Genre nicht die größte Herausforderung bei Verax, sondern das Spielbuchformat. Wie unterscheidet sich das Schreiben an einem Roman von der Arbeit an einem Spielbuch? Was waren die größten Herausforderungen für Dich?

Jörg: Oh ja, der Unterschied ist gigantisch. Wenn man einen Roman ausarbeitet, muss man sich ja immer wieder entscheiden, in welche Richtung der Plot sich nun entwickeln soll. Das ist zwar manchmal nicht einfach, aber am Ende hat man halt ein Gerüst, an dem man dann entlangschreiben kann.

Bei einem Spielbuch kann sich der Plot hingegen in jede Richtung entwickeln. Das klingt zunächst nach großen Freiheiten, aber wenn man nicht aufpasst, wuchert einem das schnell über den Kopf und man hat ein wüstes Konstrukt von Handlungssträngen, die man ja irgendwie auch wieder zusammenführen muss, wenn man nicht hundertfünfzig verschiedene Enden haben will.
Da die Übersicht zu behalten und stets im Blick zu haben, welche Entscheidungen wirklich sinnvoll sind und welche eh nur in eine Sackgasse führen würden, ist ganz schön anstrengend.

Wirklich herausfordernd ist aber am Ende die Überarbeitung. Da hat man seine 700 Abschnitte geschrieben und verknüpft und dann heißt es plötzlich: "Nimm den Pfad lieber raus" oder "Hier wäre doch diese Option noch sinnvoll". Da muss man dann höllisch aufpassen, dass einem diese Änderungen nicht das ganze Gebilde zusammenbrechen lassen oder man am Ende falsche Verknüpfungen im Text hat.

ZWO: Dein erstes Spielbuch habe ich bereits für Zauberwelten-Online besprochen. Du hast Dich für ein eher schlankes Regelgerüst entschieden und statt eines richtigen Lösungsweges auf verschiedene Enden gesetzt. Was kann ein Spielbuch erreichen, das ein herkömmlicher Roman nicht kann?

Jörg: Ein Spielbuch bietet meiner Meinung nach eine ganze andere Immersion. Nicht nur weil man mit "Du" angesprochen wird und quasi selber die Hauptfigur verkörpert, sondern weil man ja wirklich sein Abenteuer erlebt und die Konsequenzen für die eigenen Entscheidungen tragen muss.
Deswegen waren mir die teils moralischen Entscheidungen und die verschiedenen Lösungswege und Enden in Verax auch besonders wichtig. Ich wollte dem Spieler möglichst viele Freiheiten bieten und wirklich das Gefühl geben, die Geschichte mit seinen Entscheidungen zu beeinflussen.

ZWO: In den sozialen Medien konnte man herauslesen, dass Verax nicht Dein letztes Spielbuchprojekt bleiben soll. Kannst Du etwas dazu sagen? Gibt es etwas, was Du diesmal ganz anders angehen möchtest, als bei Verax?

Jörg: Wenn man bei Verax den Ingenieur spielt, kann man ja einige Dinge reparieren, was durch Rätsel umgesetzt wurde. Die Idee kam mir bei Verax relativ spät, gefiel mir aber so gut, dass ich dachte, dass ich mich bei einem weiteren Spielbuch doch auf Rätsel konzentrieren könnte. So wird Spielbuch Nr. 2 nun eine Mischung aus Spielbuch und Escape-Room, ganz ohne Charakterwerte und Kämpfe, dafür eben mit Rätseln und Knobeleien, und setzt damit andere Schwerpunkte als Verax.
Die Rohfassung ist so gut wie fertig, das Lektorat steht als nächstes an.

ZWO: Das grundlegende Spielbuchprinzip – also eine Geschichte, die sich je nach Entscheidung verändert –, lässt sich in verschiedenen Medien umsetzen. In Brettspielen kommt das System mittlerweile oft vor, aber auch Streamingdienste nutzen die Idee, um interaktive Filme zu erstellen. Du arbeitest für Ear Reality, die interaktive Hörspiele für Sprachassistenten erstellen. Was hast Du dort bereits umsetzen können und wie kann man sich Deine Arbeit dort vorstellen? 

Jörg: Zu Beginn habe ich als Autor für Ear Reality ein interaktives Hörbuch mit dem Titel Das Finstertal entwickelt. Die Zusammenarbeit lief dabei so gut, dass ich als freier Redakteur bei ihnen anfing, um andere Autoren zu betreuen. Mittlerweile bin ich fest angestellt und entwickle Geschichten für Kunden, organisiere die Vertonung der Geschichten, teste neue Features der Software, betreue Ausschreibungen usw. 

ZWO: Schon in der kurzen Vorgeschichte zu Die Stunde der Helden – die es übrigens hier als Leseprobe (pdf) gibt –, berichtet der Protagonist, wie er das vorliegende Buch zum Druckmeister bringt, sich mit eigenem Geld am Druck (oder zumindest dem Einband) beteiligen muss und sich schließlich ein paar Münzen als Geschichtenerzähler in einer Schenke verdient. Das kann man sicher auch als liebevolle Anspielung auf die Lage freischaffender (Phantastik-) Autor*innen sehen. Du hast in deiner Autorenlaufbahn schon mit verschiedenen Kleinverlagen zusammengearbeitet und auch das Abenteuer Self-Publishing gewagt. Näheres kann man auf Deiner Homepage erfahren. Kannst Du Deine Erfahrungen grob zusammenfassen?

Jörg: Die phantastische Kleinverlagsszene in Deutschland ist enorm vielfältig und bietet vielen Autoren eine Gelegenheit, auch Nischenwerke zu veröffentlichen, die in Großverlagen nie eine Chance bekämen. Aber man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass man davon auch nur einen Teil seines Lebensunterhalts bestreiten könnte. Die Kleinverlage bieten Messepräsenz und nehmen einem das unternehmerische Risiko ab, für Lektorat, Cover, Satz … in Vorleistung gehen zu müssen, haben es ihrerseits aber oft schwer, in die Buchhandlungen zu kommen und i.d.R. auch kein Budget für Werbung. Mal ganz davon abgesehen, ist die Zeit, in der die deutsche Phantastik reihenweise Bestseller (Heitz, Hennen, Funke) hervorbrachte, ohnehin lange vorbei.

Das Self-Publishing bietet einem andere Möglichkeiten, allerdings muss man da eben selbst in Vorleistung gehen und kann, wenn ein Buch dann mal nicht so läuft, auf den Kosten für Cover und Lektorat sitzen bleiben. Außerdem muss man sich dann wirklich um alles selbst kümmern, das liegt nicht jedem und kostet darüber hinaus Schreibzeit.
Ich denke, dass es mehr und mehr Hybrid-Autoren geben wird, die beide Wege gehen, je nach Projekt. In meinem Fall werden künftige Romane wohl überwiegend im Self-Publishing erscheinen, da die sich ohnehin hauptsächlich als eBook verkaufen, während ich bei Spielbüchern Mantikore treu bleiben möchte.

ZWO: Durch den Ausfall diverser Messen wird der Buchhandel gerade recht stark beeinträchtigt. Viele Verlage verzögern ihr Verlagsprogramm. Wann können wir denn mit etwas Neuem von Dir rechnen? Was sind Deine Pläne für 2020/21?

Jörg: In der Tat werde ich wohl 2020 keine Neuveröffentlichung haben, weil davon auszugehen ist, dass auch die Buchmesse und die SPIEL im Herbst ausfallen werden. Gerade letztere ist für Spielbücher extrem wichtig, sodass Mantikore sich entschieden hat, mein eigentlich für Herbst geplantes Spielbuch auf März 2021 zu verschieben.
Zwar schreibe ich schon an einem neuen Roman, der wieder in "Nuareth" spielt, glaube aber nicht, dass der noch dieses Jahr erscheinen wird.

ZWO: Vielen Dank für das schöne Interview. Ich wünsche Dir viel Erfolg für Deine Projekte und hoffe, dass wir schon bald einen neuen "Benne" in den Händen halten oder auf unseren eBook-Readern lesen können.

 

Weitere Artikel: