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Jede Geschichte sucht eine andere Stimme

Flavius Ardelean über düstere Phantastik

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Kategorie: Interview Literatur

Mit Der Heilige mit der roten Schnur und Der Heilige zwischen den Welten hat der rumänische Autor Flavius Ardelean ein Tor in eine ganz eigene Phantastik aufgeschlagen. Zwischen Groteske und Horrorfantasy entführt er in eine Welt jenseits klassischer Phantastik. Im interview führt er aus, wieso keines seiner Werke stilistisch dem anderen gleicht und dass es die Geschichte ist, die sich Autor*in und Stil sucht und nicht andersrum. Auch von der Trennung zwischen anspruchsvoller und Unterhaltungsliteratur hält der tiefsinnige Autor wenig ...

Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Lieber Flavius, du dürftest Phantastikfans durch die ersten beiden Bände deiner Miasmareihe, also die beiden Heiligen-Romane, bekannt sein. Bevor wir dazu kommen: Stell dich uns doch einmal kurz vor. Was begeistert dich an der Phantastik und wie kamst du dazu, Autor zu werden?

Flavius Ardelean: Danke für die Einladung! Ich bin ein Autor aus Rumänien – ich schreibe Kurzgeschichten und Romane für Kinder und Erwachsene in den Genres Horror, Dark Fantasy und New Weird. Bis jetzt sind elf Bücher in Rumänien erschienen und einige meiner Werke wurden ins Englische, Deutsche und Russische übersetzt. Fantasy habe ich nicht bewusst gewählt, es hat sich einfach so ergeben – ich finde, dass, wenn es authentisch ist, Genres die Autoren und Autorinnen wählen und nicht umgekehrt. Es ist eine Sache des Temperaments und der eigenen Weltanschauung. Schon immer war ich von magischen Welten und Monstern fasziniert und unternehme sehr gerne Reisen in meine Phantasie, wenn mir die reale Welt zu viel wird. 

Andreas (ZWO): Deine beiden Romane fallen durch eine ganz eigene Stilistik und Bildsprache auf. Was sind denn deine Einflüsse, die deinen einzigartigen Stil geprägt haben? Welche Rolle spielt traditionelle Fantasy wie etwa Der Herr der Ringe in deiner Entwicklung als Autor?

Flavius: Es mag so aussehen, dass ich (nur) ein Stil habe, da nur diese beiden Bücher ins Deutsche übersetzt wurden, die allerdings auch schon stilistisch sehr unterschiedlich sind. Eigentlich ist mir wichtig, dass meine Bücher alle relativ anders klingen, denn ich glaube, dass jede Geschichte eine andere Stimme sucht. Wenn ich etwas Neues schreibe, versuche ich die Geschichte zu verstehen und dann recherchiere ich nach der passenden Stilistik. Zum Beispiel habe ich in Der Heilige mit der roten Schnur einen Stil gebraucht, der an die alten pikaresken Romane und an religiöse Schriften erinnert, aber gleichzeitig einen modernen Eklektizismus des New Weirds beweist. Sonst habe ich Grusel- und Fantasygeschichten, neo-noir Pseudokrimis, Slipstreamromane und Horrorromane für Kinder geschrieben, die stilistisch ziemlich unterschiedlich ausfallen. Weil ich schon immer sehr breitgefächert gelesen habe, sind meine Einflüsse sehr unterschiedlich – ich könnte nur einige Namen nennen: Kafka, Lovecraft, Kubin, Mieville, Ligotti, Barker, Murakami, Bolano. 



Andreas (ZWO): Das ist eine starke Liste! Die beiden übersetzten Romane liegen demnach auch irgendwo zwischen den Welten von Fantasy, Horror und dem, was man gerne als ernsthafte Literatur bezeichnet. Wie nimmst du diese Fäden auf? Was ist die Mischung, die deine Bücher auszeichnet und welche Rolle spielen etwa auch schwerere Themen wie Okkultismus oder Psychologie?

Flavius: Diese Dekonstruktion von popular fiction und highbrow fiction ist mir sehr wichtig und ich gebe mir die Mühe, sie richtig hinzubekommen. Ich bin selber sowohl ein Leser von Genreliteratur als auch sogenannter ernsthafter Literatur und muss sagen, dass ich nicht viel Wert auf dieser Trennung lege. Literatur ist ein Ganzes für mich und Geschmack ist der Hauptentscheidungsfaktor, nicht abstrakte Marketingmaßnahmen. Wenn man in der Literaturgeschichte sucht, findet man ziemlich schnell heraus, dass viele der ernsthaften Meisterwerke Genreelemente haben und viele Top-Genrebücher stilistisch und konzeptionell sehr anspruchsvoll sind. Bezüglich der Themen: Die sind sehr unterschiedlich, je nach Geschichte die entstehen möchte. Dazu mache ich generell viel Recherche während der Planung des Buches. Die Themen, die du genannt hast, sind nicht so präsent in der Miasmaserie, aber spielen wichtige Rollen in einigen meiner Kurzgeschichten und Romane. In diesem Fall waren Geschichte, Religion und Philosophie zentrale Pfeiler der Weltbildung.

Andreas (ZWO): Auch wenn du keine direkten christlichen Symbole verwendest, erinnert deine Darstellung sicher nicht ganz zufällig an mittelalterliche hagiographische Erzählungen, worauf ja auch schon der “heilige” im Titel hindeutet. Welche Rolle spielt Religion und insbesondere christliche Mythologie in deinem Weltentwurf?

Flavius: Die christliche Symbolik spielt unmittelbar eine Rolle, weil sie – unabhängig von meinen Wünschen – so tief in meinem europäischen Weltblick verwurzelt ist. Ich würde aber sagen, dass die Einflüsse in der Reihe eher aus dem Hinduismus und Daoismus kommen. Aber jenseits diesen vielen -ismen, habe ich Jahre später verstanden, dass die drei Bücher der Miasmareihe (Anm.: Bisher sind nur die ersten beiden Bände der drei Bücher umfassenden Reihe auf Deutsch erschienen) eine Bewegung von Panentheismus hin zum Pantheismus vornehmen, was vielleicht irgendeine mysteriöse innere Bewegung in meiner Psyche widerspiegeln wollte.

Andreas (ZWO): Damit verbindet sich auch etwas die Frage, welchen Stellenwert man der Phantastik zuschreibt. Die schon genannte, vermeintlich hohe Literatur schaut ja gerne etwas abschätzig auf die phantastische Literatur. Was erlaubt dir die Phantastik auszudrücken? Welche Stärken hat die Phantastik deines Erachtens?

Flavius: Ich glaube, es erlaubt mir sowohl zu untersuchen, was die menschliche Kondition ist, als auch was jenseits ihrer Grenzen steht. Indem man den Kontrast höher stellt, zeigen unmenschliche Kreaturen was Menschen sind. Indem man magische Welten bereist, versteht man unsere Welt, für die wir manchmal blind sind, ein bisschen besser. Aber was mich mehr als die Möglichkeiten, die mir Genres geben, interessiert, ist, wie weit ich Sprache und Begriffe biegen kann, um mich von den konzeptionellen Grenzen zu befreien. Und das ist was meiner Meinung nach Literatur tut, unabhängig von Genrepolitik.

Andreas (ZWO): Übersetzungen bzw. Lokalisierungen sind immer eine besondere Herausforderung. Eva Ruth Wemme ist meines Erachtens eine großartige Übersetzung gelungen. Zumindest hatte ich nie das Gefühl hier “bloß” eine Übersetzung zu lesen. War es von Vorteil, dass du selber Deutsch sprichst? Und hast du eventuell ein Beispiel für sprachliche Feinheiten, die sich in der Übersetzung nur schwer bewahren ließen?

Flavius: Ich versuche es so oft wie möglich zu sagen, dass ich ihre Übersetzung sehr gelungen und schön finde. Ich bin sehr dankbar für so eine Zusammenarbeit. Ich habe mich gar nicht im Prozess eingemischt und glaube an die Freiheit der Übersetzer und Übersetzerinnen, eigene Gestaltung und Persönlichkeit zum Vorschein zu bringen. Die Feinheiten die du meinst und die man leider nicht komplett ins Deutsche übertragen konnte, sind einige Namen, die sehr stark auf rumänischen Wortspielen beruhen, wie die Frații Spânzufrații zum Beispiel (Brüder Galgenbrüder). Aber etwas muss man hinter sich lassen, um Neues zu gewinnen.

Andreas (ZWO): Hast du neben deinen beiden Heiligen-Romanen noch weitere Erzählungen in deutscher Sprache veröffentlicht? Und was können wir in naher Zukunft noch von dir erwarten?

Flavius: In deutscher Sprache gibt es noch nichts weiteres als diese beiden Romane im homunculus verlag. Ob es für mich und meine Bücher auf dem deutschen Markt weiter geht, hängt von vielen Faktoren ab, die meisten sind gar nicht in meiner Kontrolle und meinem Einfluss. Ich würde mich freuen, wenn meine Geschichten immer mehr ein Zuhause in deutschen Regalen finden.

Andreas (ZWO): Das kann ich deinen Büchern auch nur wünschen! Vielen Dank für das spannende Interview!

Cover und Illustration mit freundlicher Genehmigung des homunculus verlag. Illustration von Ecaterina Gabriela.

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