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IF #8: Magazin für angewandte Fantastik

Mutanten – Mutationen – mutierte Gesellschaft

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Kategorie: Literatur

„What if?" – Auf Deutsch etwa: „Was wäre wenn?" Kaum eine Frage fasst die Grundidee klassischer Science Fiction besser zusammen als diese paar Worte. Was wäre, wenn Androiden menschliche Arbeitskraft ersetzen könnten? Was wäre, wenn ein Atomkrieg die Erde überzieht, was, wenn der Zweite Weltkrieg anders ausgegangen wäre? Das Magazin für angewandte Fantastik hat mit den zwei Buchstaben IF also einen ebenso kurzen wie treffenden Titel gewählt.

Konzeption und Gestaltung

Das IF-Magazin bietet eine Plattform für die zeitgenössische, deutschsprachige Fantastik. Als solche deckt es ganz explizit nicht nur die eingangs erwähnte Science Fiction ab, sondern auch die sogenannte Weird-Fiction, also gewissermaßen das Ursprungsgenre, das es gab, bevor sich die mittlerweile schiere Unzahl diverser Subgenres und Spielarten der Fantastik herausgebildet hatte.

Das Magazin aus dem Verlagshaus White Train legt den Schwerpunkt auf die Literatur. Den Großteil der immerhin 86 Seiten füllen daher Kurzgeschichten. Vorliegende Ausgabe #8 versammelt so fünf mehr oder weniger umfangreiche „Stories“ und eine „Graphic Tale“.

Da es sich um ein Magazin handelt, ist ein Softcover A4-Format gewählt worden und die Auswahlkriterien sind etwas lockerer angelegt als die für eine typische Anthologie. Thema des vorliegenden Bandes ist der Bereich Mutation, bzw. genauer: Mutanten-Mutationen. Mutierte Gesellschaft, was sich auch in den meisten Geschichten widerspiegelt. Außerdem sind neben einem Editorial eine Kurzvorstellung des Coverzeichners Leothefox, ein Reisebericht zum Tag der Toten in Morelia, eine Romanrezension und mit dem Kaiju-Battle Germany-Diorama sogar ein mehr oder minder waschechtes Gimmick enthalten. Auch durch kurze Einstreuungen von Autoreninfos, genre-naher Werbung und einiger Illustrationen wird der Charakter eines Magazins gewahrt.

Optisch fällt das durchgängig schwarz-weiße IF-Magazin dabei relativ konservativ aus. Das schlichte aber klassische Seitenlayout ist angenehm lesbar, das Logo versprüht auf jeder Seite den Charme früher Science-Fiction und überhaupt wurde auf große Photoshop- oder InDesign-Abenteuer verzichtet. Kritisch gesprochen kann das Heft so nicht mit dem hohen Magazinstandard heutiger Zeit mithalten. Positiv gesprochen wird man nicht vom Inhalt abgelenkt und hat das berechtigte Gefühl, hier echte Szene-Kost zu erhalten, die sich nicht verstecken muss.

Künstler werden mit passenden Illustration im Logo vorgestellt

Erzählungen

Damit zu den einzelnen Beiträgen. Den Einstieg macht Der Kokon von Gordon Zöller. Damit steigt das Heft wohl mit seiner härtesten Kost ein. Wahnsinn, blutige Gewalt und dysfunktionale Sexualität sind zentrale Themen des verschachtelten Texts. Die bewusst die Perspektive changierende Erzählung braucht mehrere Durchgänge, um sich ganz zu erschließen, und scheint mir an manchen Stellen etwas mit philosophischer Terminologie zu blenden. Wahnsinn, Raumfahrt und natürlich Mutation sind jedenfalls auf eine einzigartige Weise verschmolzen worden.

Auch So sollen wir in Erinnerung bleiben von Künstler Alex Alles Gutmann und Autorin Erik R. Andara geht in eine andeutungsvolle, mysteriöse Richtung. Weder Comic noch Kurzgeschichte, sondern mehr und weniger als beides, versetzt die Graphic Tale einen Text mit ominösen Bildern und lädt zu wiederholtem Lesen ein. Das Format ist spannend gewählt, die Verbindung von Mutation und Menschheitsgeschichte ist inspirierend und wirft gekonnt Fragen auf. Die „Tale“ hätte aber von einem kräftigeren Druck sicher optisch profitiert.

Die Graphic Tale verbindet Text und Bild

Mit Atavisten greift Ina Elbracht ein düsteres Thema gefühlvoll auf. Ihre Geschichte spielt vor dem losen Hintergrund nationalsozialistischer Rückzüchtungsprogramme und daraus entstandener Mutanten. Was nach den Zutaten her für wilden Pulp klingt, entpuppt sich als eine erstaunlich ruhige und einfühlend beschriebene Erzählung um skurrile aber sympathische Charaktere. Gerade da es der Autorin nicht um die realistische Darstellung von Nazigräueln geht, vermeidet sie Verharmlosungen oder Geschmacklosigkeiten. Die Illustrationen von Daniel Bechthold werten die Geschichte noch einmal auf. Für mich das unerwartete Highlight des Hefts.

Morphing State von Helge Lange passt wohl am deutlichsten zum Schwerpunkt des Hefts. Die grob als Cyberpunk (Morphpunk?) charakterisierbare Geschichte nimmt die Idee der Mutation ernst und überträgt sie nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Gegenstände. Morphing durchzieht die ganze Welt, die den doch recht simplen Hauptplot lesenswert macht. Etwas klischeehaft und mit seltsamem Ende, stößt die Geschichte klassische Fragen nach Realität und politischer Macht an.

Der Ténéré-See von Ulf R. Berlin steht hingegen ganz in Lovecraftscher Tradition. In E-Mails an eine gewisse Ivana Sarowa werden wir Schritt für Schritt in die Geheimnisse des Ökosystems eines für die Wassergewinnung zu erschließenden Sees gezogen. Die dahinterliegenden Verstrickungen sind gut konzipiert und die Beschreibungen des Ökosystems plausibel. Leider ist der Grundschrecken so absehbar, dass viel an Spannung verloren geht, zumal eine durchaus gelungene Illustration schon einiges vorwegnimmt. Dass sich die Forscher offen auf Lovecraft und Kinofilme beziehen, sorgt für Augenzwinkern, insgesamt ist die Handlung jedoch etwas zu absehbar und das E-Mail-Format zwar gut gedacht, aber für meinen Geschmack nicht authentisch genug umgesetzt.

Von Martin Wambsganß ist schließlich die etwas kürzere Geschichte Der Schnee, der Wurm und die Wölfe enthalten. Hier ist Mutation ebenfalls ein durchgängiges Thema. Auch wenn die Gestalt der Protagonisten durchweg dunkel bleibt, ist klar dass sie Folgen genetischer Entwicklung ist. Auffällig ist die Darstellung von tierisch-menschlichen Verhaltensweisen. Die Andeutungen über die veränderte Weltlage laden zum weiteren Grübeln ein.

Und mehr ...

Ungewöhnlich ist das Kaiju-Battle Germany von David Staege (hier als pdf). Es ist nicht weniger als eine Bastelvorlage um Neo-Frankfurt von Böczilla und cthuloidem Ungeziefer zerstören zu lassen. Durch unterschiedliche Arme, Explosionen, zerstörte und intakte Häuser lässt sich eine individuelle Neo-Frankfurt-Szenerie entwerfen. Staeges Zeichenstil passt hier wie die mutierte Faust aufs Auge und der Bastelspaß dürfte einigen nostalgischen Wert haben. Sicher auch gut zum Ausmalen geeignet.

Nur eines von unendlich vielen möglichen Dioramen

Das IF-Magazin legt keinen umfangreichen Rezensionsteil vor. Insofern kann und soll das Heft kaum als Übersicht über aktuelle Sci-Fi oder Weird-Fiction dienen. Hier wurde auf Qualität statt Quantität gesetzt. Björn Bischoff legt eine anspruchsvolle Rezension des nicht minder anspruchsvollen Romans Miakro von Georg Klein vor. Ohne zu viel vorweg zu nehmen, bemüht sich die Rezension um eine Deutung der Undeutbarkeit des ungewöhnlichen Werkes und macht Lust auf eine intellektuelle Herausforderung. Dadurch ist die Rezension eher eine Aufforderung zur Diskussion und intensiven Auseinandersetzung mit gegenwärtiger Science Fiction als eine klassische Produktbesprechung. Das wertet die Rezension aber fraglos gegenüber zahllosen Online-Rezensionen – wie nicht zuletzt dieser hier – auf. Nur was das wundervolle Robert Johnson-Zitat uns zur Einleitung sagen will, mag sich mir als Blues-Enthusiasten bis zuletzt nicht ganz erschließen.

Die Reisereportage von Frank Tumele fällt schließlich etwas aus dem restlichen Repertoire heraus. Wirklich überraschend neues über den Tag der Toten in Mexiko weiß er nicht zu berichten, dafür ist der umfangreiche Bericht unterhaltsam geschrieben und gut bebildert.

Der letzte Artikel ist schließlich dem Künstler des Titelbildes gewidmet: leothefox. Die Doppelseite hat jedoch mehr den Charakter einer Info als einer ernsthafter Künstlervorstellung. Der eh schon kurze Text ist leider etwas vom Fehlerchaos heamp-img layout="responsive" height="1" width="1"esucht worden und die Beispielbilder leiden etwas unter dem kontrastschwachen s/w-Druck. Insofern sollte man es eher als Dankeschön für die Titel-Illustration nehmen und darf sich über die hochauflösende Internetseite des Künstlers freuen.​

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