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Ghost of Tsushima

Der letzte Samurai schlägt zurück

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Kategorie: Games

Riesige offene Welten mutierten in den letzten Jahren immer mehr zu Checklisten Adventures. Im Laufe des Abenteuers erkunden wir Landmassen von über hundert Quadratkilometern auf die sich grob herabgerechnet nur drei bis vier Questtypen verteilen. Doch The Witcher 3 hat auch bewiesen, dass sich mit den limitierten Fähigkeiten der Spielfigur überaus spannende Nebenquests erzählen lassen, wenn man die Spielwelt und ihre Eigenschaften zu nutzen weiß.

Mit Sonys letztem Exklusivtitel dieser Konsolengeneration erzählt Sucker Punch mit Ghost of Tsushima ein spannendes Heldenepos über Ehre, Rache und japanische Tradition. Das gilt sowohl im historischen, als auch im popkulturellem Sinne, denn die Inszenierung der Kämpfe ist auch eine Homage an Japans Kultregisseur Akira Kurosawa (1910 -1998), dessen Samuraifilme, wie  Die Sieben Samurai (1954) oder Yojimbo – Der Leibwächter (1961) zur Inspirationsquelle zahlreicher westlicher Regisseure wurden. Wer möchte, kann das Spiel mit einem Schwarzweißfilter unterlegen um Kurosawas Filmoptik der 50er inklusive Bildartefakte und Knistern perfekt nachzueifern. Doch dann lässt man sich eines der farbenprächtigsten und atmosphärischsten Settings entgehen. Ghost of Tsushima ist ein begehbares Gemälde. Pittoresk und unwirklich, etwa so wie man es sich vorstellt, wenn ein Geschichtenerzähler über Helden und Heldentaten berichtet: schöner als die Wirklichkeit.

Die Legende des Geists von Tsushima

Und jetzt befinden wir uns in einer solchen Geschichte. Es ist das Jahr 1274. Die Mongolen marschieren mit einer zahlenmäßig überlegenen Streitmacht in Japan ein. Die beiden nordwestlichen Inseln Tsushima und Iki fallen über Nacht. Soweit stimmt die Geschichtsdarstellung. Doch, da die Mongolen sich nicht lange auf dem Festland aufhielten, verfolgen wir als Spieler das Geschehen auf der Insel Tsushima, die vom Angriff der Mongolen völlig überrascht wurde. Mit einem letzten Aufgebot von entschlossenen Samurai stürzen wir in der Haut des jungen Fürst Jin Sakai in die Schlacht, wohl wissend, dass dieses letzte Aufbäumen den Feind nur kurz aufhalten wird. Doch der mongolische General Kothun Kahn hat die Kampfkunst der Samurai studiert und nutzt die Schwächen des Samuraikodex gegen sie aus. Fast alle Samurai sterben in der Schlacht. Die Insel Tsushima fällt fast ohne Widerstand. Jin Sakai verliert im Kampf das Bewusstsein, ein Umstand, der ihm das Leben rettet. Von einer jungen Kriegerin namens Yuna gesundgepflegt, erfährt Jin, dass sein Onkel noch lebt. Voller Inbrunst stellt er sich dem Kahn entgegen um seinen Onkel Fürst Shimura zu retten. Doch die Chancen stehen schlecht. Nur knapp entgeht Jin erneut dem sicheren Tod. Er braucht Verbündete, die ihn unterstützen. Doch gegen diese übermächtige Streitmacht, die nun ganz Tsushima beherrscht, kann es Jin im direkten Kampf nicht aufnehmen. Mit schweren Gewissensbissen entscheidet er sich dazu zum Meuchelmörder zu werden. Jin Sakai wird zum Geist von Tsushima.

Ein begehbares Gemälde

Damit ist die Prämisse für Jins Abenteuer geschaffen. Die Verbündeten sind auf der Insel verstreut. Um ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen, müssen wir sie erst überzeugen. Eine riesige offene Welt öffnet sich und wir können selbst entscheiden, was wir als nächstes Tun. Außer den Hauptmissionen ist die Karte aber noch gähnend leer. Um neue Landmarken zu entdecken, müssen wir unsere Augen offen halten. Eine Minimap oder einen Kompass gibt es nicht. Haben wir ein Ziel auf der Karte markiert, bläst der Wind in die gewünschte Richtung. Die Blumen wiegen sich im Windstoß und abertausende von Blütenblättern wirbeln durch die Luft. Verlieren wir einmal die Orientierung, wischen wir mit dem Touchpad der PS4 nach oben und entfachen einen neuen Windstoß. So kommt Ghost of Tsushima weitestgehend ohne störendes Interface aus. Manchmal erscheinen uns gelbe Vögel, die uns zu unentdeckten Orten führen oder wir folgen Füchsen zu entlegenen Schreinen, die unsere Inventarslots für Talismane erweitern. Viele Upgrades und Sammelitems sind mit japanischer Kultur verbunden. Heiße Quellen geben uns mehr Lebensenergie und an besonders schönen Orten schreiben wir Haikus mit denen wir neue Stirnbänder freischalten. Diese sind allerdings nur rein kosmetisch und bringen keinerlei Vorteile.

Jeder Kampf ein Abenteuer

Doch trotz all der Schönheit ist die Insel von mongolischen Streitkräften überlaufen. Dörfer, Landmarken und kleine Festungen sind schwer bewacht. Als ehrenhafter Samurai können wir uns jederzeit dazu entscheiden, die Feinde im Nahkampf zu besiegen. Dann stehen wir einem einzelnen Gegner im Duell gegenüber. Mit gehaltener Dreiecktaste warten wir auf den Angriff des Feindes um ihn dann mit einem Schwerthieb niederzustrecken. Mit gutem Timing schalten wir so auch noch weitere Feinde aus. Doch dies ist nicht so einfach, wie es klingt. Manche von ihnen täuschen an oder sind so unglaublich schnell, dass man zu spät reagiert (vor Allem wenn die Reflexe nach einem harten Arbeitstag nicht mehr so richtig wollen). Dann geht die Konfrontation in den Kampf über. Fallen wir auf die Finte rein, bekommen wir den tödlichen Schlag selbst ab und verlieren fast all unsere Lebensenergie. Solange wir jedoch Entschlossenheit haben, könne wir uns heilen oder einen Spezialangriff starten. Im Laufe des Spiels schalten wir vier Kampfhaltungen für unterschiedliche Gegnertypen frei. Um diese zu lernen, müssen wir Anführer besiegen oder uns so nah an sie heranschleichen, dass wir ihre Übungen beobachten und lernen können. Fast alle Mongolenfestungen bringen zusätzliche Herausforderungen mit sich. Die Truppen in den Festungen sind übrigens nicht alle miteinander vernetzt. Selbst wenn wir gegen ein paar von ihnen im offenen Kampf antreten, wird nicht automatisch die ganze Basis auf uns aufmerksam. Wer gegen die angreifenden Massen dennoch nicht ankommt, kann immernoch den Weg des Meuchelmörders gehen. Das verstößt zwar gegen den Samuraikodex, erleichtert manche Ziele jedoch immens, insbesondere, wenn wir in Rettungsmissionen nicht entdeckt werden dürfen. Werden wir dann dennoch enttarnt, müssen wir den Gegner überwältigen, der sich umgehend auf den Weg macht die Geiseln zu töten. Zudem brechen die Gegner in Ghost of Tsushima mit einer ungeschriebenen Regel und greifen uns aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig an. Mit besonders fiesen Aktionen können wir hingegen ihre Moral brechen und sie verängstigen.

Looten und Leveln

Durch besiegte Feinde und erledigte Missionen erhalten wir Erfahrungspunkte, die wir in einer Vielzahl von Talentbäumen investieren können. Fast alle dieser Upgrades bringen auffällige Vorteile, sobald man sie freigeschaltet hat.
Eine besondere Herausforderung bieten die Duelle gegen Bossgegner. Diese Kämpfe sind besonders knifflig. Jeder Schlag und jede Parade muss sitzen. Ein Gegentreffer ist verheerend. Eine Niederlage bestraft uns aber nicht mit minutenlangem Backtracking. Das überaus faire Checkpointsystem speichert oft und lässt uns nicht lange auf eine Revanche warten. Einzig und allein die hohe Dichte an zufälligen Gegnergruppen stört ein wenig, denn man kommt kaum dazu eine halbe Minute am Stück zu reiten, ohne von einer Gruppe Gegnern vom Pferd geschossen zu werden. Ich habe daher einen Großteil des Spiels zu Fuß verbracht.


Nicht nur die Hauptquests ist spannend erzählt. Auch die mythischen Geschichten, in denen wir nach sagenumwobener Ausrüstung oder neuen Kampfstilen suchen, bringen Atmosphäre in die Spielwelt. Die Bewohner Tsushimas brauchen vielerorts unsere Hilfe. Manchmal stolpern wir über neue Quests, die wir vorher nicht auf der Karte hatten und erleben ein komplettes Abenteuer. Die meisten Schauplätze auf der Karte werden als Fragezeichen markiert, sobald wir in ihrer Nähe sind. Was diese verbergen, erfahren wir jedoch nur, wenn wir uns ihnen nähern.
Fast obligatorisch für ein Schleichspiel haben wir auch die Möglichkeit Feinde hinter Gebäuden durch eine erweiterte Wahrnehmung sichtbar zu machen, um unsere Meuchelstrategie zu planen. Wem dies zu viele Hilfestellungen sind, kann diese aber auch abschalten.

Kleptomanie

Wie in jedem Openworld-Abenteuer der heutigen Zeit kommen wir um exzessives Ressourcensammeln nicht herum. Die Verbesserung unserer Ausrüstung verlangt eine fast schon lächerliche Anzahl von Materialien. Jedes Haus, jede Festung, jeder besiegte Feind will ausgiebig nach Material untersucht werden. Hierdrin liegt auch mein größter Kritikpunkt des Spiels. Genau wie in Assassin's Creed Odyssee sammeln wir alles auf, was blinkt und nach Sammelgegenstand aussieht. Anstatt uns auf die Erzählung zu konzentrieren, verbringen wir so einen Großteil des Spiels mit Sammeln. Die Lust auf ein erneutes Durchspielen vergeht durch den zeitintensiven Grind, den man überspringen könnte, wenn Händler die Ressourcen selbst auf Lager hätten (zwar gibt es Ressourcenhändler, doch diese tauschen ebenfalls nur gegen Materialien). Die Upgrades könnten sie dann für Münzen anbieten, die Jin durch Gefälligkeiten und Missionen verdient. Einen großen Vorteil hat Ghost of Tsushima jedoch seinem griechischem Genrekollegen Assassins Creed gegenüber: Unsere Ausrüstung wird nicht obsolet. Wir werden tatsächlich stärker und mausern uns vom kriegsunerfahrenen Jungsoldaten zum legendären Helden, über den sich die Bewohner Tsushimas Geschichten erzählen.


Jin Sakai ist eine fiktive Figur. Kleine historische Ungereimtheiten, wie die Nutzung des Katanas, das in dieser Form erst zwei Jahrhunderte später erfunden wurde (die früheren Samurai kämpften mit dem stärker gebogenen Tachi), verzeiht man gerne, da die Geschichte sich nicht akribisch darauf stützt und generell in einem sehr persöhnlichen Setting spielt. Historische Berühmtheiten wie in der Asassin's Creed Reihe und ein politischer Rahmen wie die Fehde zwischen Templer und Assassinen gibt es nicht. Dadurch wirkt Jin Sakai greifbarer und nachvollziehbarer. Die Geschichte spielt auf einer menschlichen Ebene und behandelt demnach auch einfache menschliche Motivationen wie Rache und den Gewissenskonflikt durch die Tradition unter der Jin aufgewachsen ist und seinen kriegsstrategischen Schwächen. Das einfache Volk begrüßt dagegen Jins Ruf als rachsüchtiger Geist, da er dadurch zu einer psychologischen Waffe wird, die die Besatzer in Angst versetzt.

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