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Familiar Tales

Ein märchenhaftes Spiel mit Abenteuerbuch

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Kategorie: Brett- und Kartenspiele

Die Spiele von Jerry Hawthorne stehen für Dungeon Crawler der etwas anderen Art. Familienfreundlich, mit aufwändig gestalteten Abenteuerbüchern und originellen Settings heben sie sich von der oft martialischen Konkurrenz ab. Familiar Tales geht diesen Pfad weiter und präsentiert eine aufwendig vertonte Reise vier bunter Vertrauter.

Mehr als zehn Jahre ist es her, dass Jerry Hawthorne Maus and Mystik auf den Markt brachte. Der clevere Dungeon Crawler mit einfachen Regeln und Knuddelfaktor sollte aber bei weitem nicht sein letzter Streich bleiben. Aufbauend auf der Grundidee entstanden neben Erweiterungen eine ganze Reihe eigenständiger Spiele. Nach den experimentellen Komanauten und dem kindlich-gruseligen Herr der Träume, folgte zuletzt das epische Open-World-Spiel Aftermath. Mit den Familiar Tales geht es nun in die nächste abenteuerliche Runde.

Märchenwelt

Neben spielmechanischen Parallelen zeichnen sich alle diese Spiele durch einen originellen und vergleichsweise familienfreundlichen Hintergrund aus. Dies gilt vielleicht noch mehr für Familiar Tales als für die anderen Spiele. Hier verkörpern wir vier Vertraute (Familiars), die einem Märchen oder einer Fabel entsprungen sein könnten. Wir verkörpern eine liebliche Fee, einen schlauen Fuchs, den Frosch Gribbert und einen ebenso grobschlächtigen wie liebenswerten Steintroll. Die Klischees der archetypischen Charaktere kommen einem schnell in den Sinn und werden im Spiel auch konsequent bedient. So rutscht der Steintroll unbeholfen einen Abhang hinunter, während Gribbert den etwas albernen Sonderling verkörpert. Unterstützt wird dies durch die diesmal zentral integrierte Sprachausgabe, die den Charakteren einen comichaften Stil verleiht und in vielen Dialogen die charakteristischen Eigenschaften hervorhebt. Allzu tiefgründige Charaktere darf man nicht erwarten, aber das Quartett dürfte einem lange im Gedächtnis bleiben. Und auch die gegnerischen Kreaturen sind alles andere als austauschbar. Etwas gewöhnungsbedürftig ist allerdings, dass sich eher karikaturhafte, kindgerechte Banditen mit verstörend-verzerrten Horrorkreaturen abwechseln.

Auch die uns gestellte Aufgabe ist auf den ersten Blick etwas altbekannt. Vor unserer Hütte wird ein Baby ausgesetzt, das wir sofort als Königstochter identifizieren und um deren Wohlergehen wir uns fortan kümmern müssen. Nun gilt es, dieses Kind in drei Akten vor den dunklen Mächten zu beschützen und in Sicherheit zu bringen.

Dabei ist das Findelkind ungewöhnlich eingebettet. Anstatt einfach nur einen NPC durch die Gegend zu eskortieren, will das Baby versorgt werden. Ja, wir müssen hier – mechanisch durch Ressourcen und Proben gelöst – Windeln wechseln, Essen besorgen und das Kind vom Schreien abhalten. In späteren Akten dürfen wir dann dem Baby beim Wachsen zuschauen. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Dank Statusrädchen und Kartenboxen ist das hochwertige Spielmaterial stets gut organisiert.

App und Spielmaterial

Nicht mehr ganz ein Alleinstellungsmerkmal, aber ein großer Unterschied zu den indirekten Vorgängertiteln, ist die Nutzung einer App. Bei Maus und Mystik gab es zwar schon eine Hörversion, diese war aber rein optional und ersetzte letztlich nur die umfangreichen Vorlesetexte. Bei den Familiar Tales hingegen ist die App zentral. Sie übernimmt die Zugreihenfolge und Gegneraktivierung, speichert den Handlungsfortschritt und nimmt uns eine Reihe weiterer administrativer Details ab. Damit einher geht natürlich auch der gewöhnungsbedürftige Zwang, die App nutzen zu müssen. Ohne aktiven Browser – sei es auf dem Smartphone oder auf dem PC – geht hier leider nichts. Das bedeutet erwartungsgemäß eine gewisse Umgewöhnung. Für ein wenig Komfort – und die hervorragende Vertonung – gibt man ein wenig Kontrolle ab und kommt gelegentlich in Situationen, in denen man die falsche Einstellung wählt und die Spielsituation nicht mehr ohne weiteres zurücksetzen kann. Das sollte mit etwas Gewöhnung nicht mehr vorkommen und ist in einem kooperativen Spiel nicht ganz so schwerwiegend, aber dennoch ein gelegentlicher Ärgernisfaktor. Auch geht die Appnutzung indirekt damit einher, dass eine Person die Administration der App übernimmt und es so passieren kann, dass manche Effekte nicht allen Spieler*innen gleichermaßen präsent sind. Auf der Habenseite steht dafür eine sehr stabile und plattformunabhängige App, die zudem durch eine sehr komfortable Speicherung des Spielfortschritts überzeugen kann.

Auch sonst wurde viel Wert auf praktisches Spielmaterial gelegt. Wie schon aus Aftermath bekannt, kommen alle Charaktere mit eigenen Kartenboxen daher, die Spielkarten und Ressourcen eines Charakters zwischen den Partien aufbewahren können. Auch die ebenfalls aus Aftermath bekannten Statusräder finden wieder Verwendung und halten den Status zwischen den Partien stabil fest. Zusammen mit den hochwertigen Spielfiguren, einem Marktstand für Ressourcen und dem hochwertigen Spielbuch kann die Produktqualität auf ganzer Linie begeistern.

Hegen & Pflegen

Alle Nachfolger von Maus und Mystik setzen auf ein aufwändiges Abenteuer-Ringbuch. Das hat einige Vorteile, die Familiar Tales konsequent nutzt. So haben alle ”Missionen” eine individuell illustrierte Karte, die mit zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten garniert ist. Die Optionen befinden sich neben Spielaufbau und Sonderregeln direkt auf der gleichen Doppelseite, was den organisatorischen Aufwand deutlich reduziert. Zudem wird eine maximale Einbindung der Umgebung ermöglicht. Wir bereisen hochinteraktive Orte, die weit mehr sind als eine Ansammlung von Hindernissen.

Während das Spiel im Kern kampforientiert ist, wird das Spektrum durch die dynamischen Umgebungen deutlich erweitert. So muss man sich unbemerkt an Schergen vorbeischleichen, Eingänge müssen verbarrikadiert werden oder Wasserströmungen kommen ins Spiel. Auch haben wir immer wieder Entscheidungsmöglichkeiten, z.B. welchen Weg wir einschlagen oder ob wir für eine weitere Ressource oder ein spannendes Ereignis einen Kampf riskieren wollen. Das bringt etwas Abwechslung in die letztlich doch sehr geradlinige Story. Denn anders als in Aftermath ist der grobe Weg in den drei Akten klar vorgegeben.

Alleinstellungsmerkmal der Hawthorne Spiele: Wir spielen direkt im Spielbuch!


Neben dieser Haupthandlung dürfen wir nicht vergessen, uns um die Königstochter zu kümmern und dürfen uns auch ein wenig aufrüsten. So sammeln wir in den Missionen Ressourcen, die wir entweder für unseren kleinen Schreihals benötigen, oder mit denen wir Ausrüstung bauen können, die wir dauerhaft nutzen können.

Die Charakterentwicklung erfolgt schließlich über einen Deckbau, der sich harmonisch in das Spiel einfügt. Besonders gelungen ist hier, dass auch Ereigniskarten der Vertrauten eingemischt sind, die den Charakteren in Rückblicken noch mehr Farbe verleihen. So gelingt ein intelligentes Storytelling, das sich sinnvoll in die Spielmechanik einfügt.

Spielmechanik

Spielmechanisch merkt man Familiar Tales seine Herkunft sofort an. Grundlegende Prinzipien, wie zum Beispiel die sich dynamisch aktivierenden Gegner, finden sich in allen genannten Spielen von Hawthorne wieder und auch der Mechanismus der Proben ist in Versatzstücken aus den vorherigen Titeln bekannt. Dennoch kreiert Hawthorne jedes Mal ein eigenes Regelsystem. Diesmal werden die Proben ähnlich wie in Aftermath mit einem Kartendeck durchgeführt. Der Probenablauf fühlt sich etwas flüssiger an als in Aftermath, erzeugt aber immer noch gelegentlich gewöhnungsbedürftige Situationen. Zum Beispiel wenn man alle seine Karten für eine Verteidigung ausgibt und plötzlich mit leeren Händen dasteht, oder wenn man seine Karten nur hortet, um möglichst schnell eine*n andere*n Vertraute*n zu aktivieren. Gelungen ist, dass spezielle Zeichen auf den Karten Waffeneffekte auslösen können, Heilungen ermöglichen oder das Ziehen weiterer Karten auf Kosten von Erschöpfung erlauben. So entstehen immer wieder interessante Entscheidungssituationen, nicht zuletzt wenn es um den Deckbau geht. Um die ausgespielten Karten mit einem Zufallsfaktor zu versehen, kommt übrigens ein zwölfseitiger Würfel zum Einsatz, der sich deutlich besser einfügt als die zwei Würfel von Aftermath.

Während ich Familiar Tales dank der App und einiger regeltechnischer Raffinessen als das rundeste Abenteuerbuchspiel empfinde, kämpft leider auch das neueste Spiel mit einem unnötig knappen und teilweise unübersichtlichen Regelheft. Dadurch ist die Lernkurve höher als nötig, bleibt aber insgesamt moderat.

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