X

Cookie Notice

Wir nutzen auf unserer Website Cookies und andere Technologien, um zu analysieren wie Sie unsere Webseite nutzen, Inhalte zu personalisieren und Werbung zu schalten. Durch die weitere Nutzung erklären Sie, dass Sie mit der Nutzung von Cookies einverstanden sind. Beachten Sie bitte, dass dieser Hinweis und die Einstellungen nur für die AMP Version unserer Seite gelten. Auf der regulären Website treffen Sie die Auswahl über den Cookiebot.

Startseite
Brett- und Kartenspiele Cosplay Filme Games Intern Interview Kurzgeschichten LARP Literatur Musik Pen & Paper Rezepte Sonstiges Tabletop Veranstaltungen

Elegie (Zombie Zone Germany)

Zombies von Bach bis Schumann

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Literatur

Hamburg 2020. Statt Corona haben Zombiehorden die Stadt überrannt und bringen von dort aus Unheil über Deutschland. Die ambitionierte Reihe Zombie Zone Germany fragt in zwei Anthologien, neun Novellen und einem in Entwicklung befindlichen Rollenspiel, was wäre, wenn die Zombieapokalypse in Deutschland entstanden wäre. Janika Rehaks Elegie ist der erste Roman der Reihe und spielt behutsam auf der Klaviatur deutschen Zombiehorrors …

Dass sich Starpianist Yosh einmal auf der Flucht vor Zombies wiederfinden würde, hätte er wohl auch nicht gedacht. Zu seinem Glück konnte er sich in einem Landhaus zurückziehen, wo er neben der Stiefschwester Kiyomi auch seinen Steinway (Flügel) und einige Freund*innen um sich weiß. Die Truppe aus Musiker, Schauspielerin, der Hemingway-begeisterten Nicole, dem rauen Simon und seiner verängstigten Tochter Izzy sowie der pferdeverliebten Marah ist sicherlich nicht die erste Wahl, wenn es um den Kampf gegen die untote Bedrohung geht. Und doch schafft es die Gruppe, sich zusammenzuraufen und eine mehr oder weniger funktionierende Gemeinschaft zu bilden. Fokus der Geschichte sind neben den Gruppenkonflikten insbesondere die Geschichte der Akteure. Elegie besticht zuallererst durch die vielschichtigen Charaktere und ihre in Rückblicken und Gesprächen erschlossenen Hintergründe. Wie haben sie den Ausbruch überlebt? Welche Opfer mussten sie bringen? Was sind ihre Ziele, Hoffnungen, Ängste? Janika Rehak schafft es, Persönlichkeiten mit Tiefe zu erzeugen, die nicht einfach nur Expert*innen im Angesicht untoter Horden sind, sondern ein Leben vor und nach der Katastrophe haben. Das wird durch zwei weitere ungewohnte Akzente ergänzt.

Von Märchen und Musik

Zum ersten ist da Yoshs Musikliebe. Seine titelgebende unbeendete Elegie ist immer wieder Thema und sein Musikspiel wird in starken Szenen mit großem Sachverstand in Szene gesetzt. Ja, dem Buch geht sogar eine Playlist voraus, die nicht von E-Gitarren, sondern Klassik geprägt ist, und von Bach bis Schumann reicht. Sicher nicht der Soundtrack, den man zuerst mit einer Zombie-Apokalypse verbindet. Passenderweise teilt sich das Buch dann auch in ein Prelude, vier Sätze und eine abschließende Elegie.

Zum zweiten bekommt Rehaks Faszination für Japan einen großen Stellenwert. Yosh und Kiyomi sind deutsch-japanische Stiefgeschwister, weshalb Yosh als Übersetzer für die jüngere Kiyomi fungieren muss. Dies thematisierend spielt ein eingeschobenes japanisches Märchen eine große Rolle. Überhaupt scheint mir die Beziehung der beiden ebenso fragwürdig wie entscheidend zu sein, und Kiyomi zunehmend die heimliche Hauptrolle zu übernehmen. Dass hier unter anderem mit dem Inzest-Tabu gespielt wird und Kiyomi ein für mich nicht ganz glaubwürdiger Charakter ist, stellt für mich allerdings eine (persönliche) Schwäche des Buches dar.


Zum Roman ist auch ein Rollenspiel-Abenteuer in Arbeit. Daher stammt auch eine Umgebungskarte.

Stark fällt neben dem eng verwobenen Beziehungsnetz und den ungewöhnlichen Themen auch das Gespür für Zwischentöne aus. Rehak komponiert eine atmosphärische und behutsame Geschichte, die von einem bewusst eingesetzten, vielfältigen Stil gestützt wird. Der wird leider gelegentlich von Korrektoratsfehlern gestört, kann mich aber im Großen und Ganzen überzeugen. An manchen Stellen habe ich das Gefühl, dass die Autorin ein bisschen zu viel will, aber nicht erreicht, dafür finden sich immer wieder wunderbar prägnante Sätze und viele lang nachklingende Szenen.

Leseeindruck

Janika Rehaks Zombieerzählung bedient all das, was ich an Zombiegeschichten schätze. Statt stumpfer Action legt sie Wert auf die Atmsophäre und den Umgang der Charaktere mit der Apokalypse. Ekelspassagen sind stark genug in Szene gesetzt, um das Grauen real werden zu lassen, aber der Fokus liegt auf der Charakterzeichnung und moralischen Konflikten. Eine passende Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung dient als Kulisse für eine einfühlsame Erzählung um eine Handvoll Student*innen, allen voran Yosh und Kiyomi. Doch obwohl alle Rahmenbedingungen für mich passen, hat Elegie mich nicht ganz in den Bann gezogen. Zwar war die Geschichte bis zum Ende interessant zu lesen, sie fühlte sich für mich aber immer etwas zu distanziert an. Das dürfte zum einen an den Charakteren liegen. Die sind – wie erwähnt – äußerst vielschichtig entworfen, denn Rehak hat sich für alle Figuren eine umfangreiche Hintergrundgeschichte überlegt, die sie in ein klug verwebtes Beziehungsnetz gesetzt hat. Das wird neben dem gegenwärtigen Plot durch zahlreiche Zeitsprünge illustriert. Hier  – und das mag auch stark an meinem Leseverhalten liegen – habe ich mich allerdings oft etwas abgehängt gefühlt. Trotz klarer Betitelungen der Kapitel, sind mir die Fäden etwas durcheinandergegangen und mir war nicht immer klar, wo ich mich gerade genau befinde. Hier fehlt es manchmal an klaren Markierungen und ich war vielleicht auch einfach als Leser überfordert. Dabei hilft auch nicht, dass es kaum einen Plot im strengen Sinne gibt. Rehak erzeugt gerade zum Ende hin einen Konflikt, der sich intensiv entlädt, der Großteil des Buches dient aber gewissermaßen als Illustration des Beziehungsnetzes. Das ist für sich nicht notwendig ein Makel, ich habe jedoch nicht den nötigen Zugang zu den Charakteren gewinnen können. Auf mich wirken sie leicht überzeichnet und in ihren Entscheidungen etwas zu extrem und Sprunghaft. Insbesondere die äußerst entscheidende Kiyomi erschien mir auf gewisse Weise zu phantastisch. 

Solche Kritik ist zweifelsohne individuell und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine klug konzipierte und interessant umgesetzte Erzählung ist, die sich von bloßer Genreliteratur durch intensive Charakterzeichnung und ungewöhnlichen Fokus auszeichnet. Durch besagte japanische Märchen und die ständig präsente Musik werden Szenen erzeugt, die frisch und alles andere als ausgeschlurft sind. Hier trifft Liebe zur klassischen Musik und japanischen Geschichte auf Zombies aus dem Heidekreis. Eine Mischung, die alles andere als erwartbar ist.

 

Weitere Artikel: