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Death Asylum

Eine interaktive Zombieapokalypse

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Kategorie: Literatur Pen & Paper

Es gibt Spiele, bei denen ist ein „ab 18 Jahren"-Hinweis durchaus angebracht. Death Asylum gehört zweifelsohne dazu. In seinem ersten interaktiven Roman führt uns M. H. Steinmetz – Autor diverser Horrorromane und -Geschichten – in die dunkelsten Abgründe einer Zombieapocalypse. Dass es hierbei härter zur Sache geht als üblich, macht schon das Titelbild deutlich, in dem blutverschmierte Hände wie Schweinehälften in einem Schlachthaus von der Decke hängen …

Das Thema ist sicher das erste herausstechende Merkmal des umfangreichen Spielbuchs von Steinmetz. Zwar gibt es schon einzelne Spielbücher im Genre, Death Asylum ist aber deutlich härter ausgelegt als diese und erinnert kaum an den üblichen Splatterspaß amerikanischer Zombiefilme. Dabei kann Steinmetz an seine Erfahrung aus der dreibändigen Totes-Land-Reihe anknüpfen. Hier hat er eine eigene Endzeitvision erschaffen, die mitten in Deutschland spielt, und ganz normale Menschen zum Ausgangspunkt hat. So auch die Handlung in Death Asylum. Unser Charakter hat sich mit ein paar Freunden in einer sicheren Zuflucht zurückgezogen, wacht aber nach einem Überfall alleine auf und sucht seine beste Freundin Paula. Wir fiebern bei dieser Suche wirklich mit und sind gespannt, wer unsere Zuflucht überfallen hat und was es mit dem ominösen Asylum auf sich hat. Der Geschichte gelingt es, uns in seinen Bann zu ziehen und uns mitfiebern zu lassen. Trotz klassischer Rätsel und Abzweigungen haben wir nie das Gefühl, durch einen generischen Kerker zu streifen, sondern eine ausgearbeitete Welt mit interessanten Charakteren vor uns zu haben.

Ein zweites Charakteristikum, dass sich Death Asylum mit Totes Land teilt, ist der explizite Horror. Steinmetz liebt es, seine Leser mit ekelhaften Detailbeschreibungen zu quälen und in grausame Details zu gehen. Der Gestank von Exkrementen, heraushängende Eingeweide und verrottende Lebensmittel begleiten uns auf Schritt und Tritt. Das Asylum hält in dieser Hinsicht fraglos was das Coverbild und die „Ab-18“-Warnung versprechen. Dabei sollte man diesen Gewaltgrad wirklich nicht unterschätzen. Während Blut und Gedärme das eine sind, setzt uns das Buch sprichwörtlich in einen Folterstuhl und beschreibt unter anderem über mehrere Absätze detaillierte Folterszenen, die bewusst mit unseren Ängsten spielen. Und auch sexuell wird es ab und an mehr als nur fragwürdig. Das Spielbuch ist damit im wahrsten Sinne des Wortes Geschmacksache und rangiert meines Erachtens noch deutlich jenseits vom nicht gerade harmlosen Genreprimus Walking Dead.

Die Regeln

Obwohl Death Asylum als „interaktiver Horror-Roman“ angekündigt wird, haben wir es hier mit einem vollwertigen Spielbuch zu tun. Hier dürfen wir nicht nur vereinzelte Entscheidungen treffen, sondern werden von den Zombies in mehreren Kapiteln durch ganze 1058 Abschnitte auf fast 540 Seiten gejagt. Zusätzlich zur schieren Optionsvielfalt kommt das Buch, wie für Spielbücher üblich, mit einem eigenen Regelsystem daher. Das wird schrittweise und mit Beispielen anschaulich erklärt. Eine passende Ikonographie gibt sogar an, wann welche Regel zur Anwendung kommt und zumindest in den ersten Passagen wird noch immer wieder an die Regeln erinnert. Trotz dieser Hilfsmittel fällt das Asylum regeltechnisch recht kompliziert aus. Man merkt an, dass Steinmetz aus der klassischen Rollenspiellandschaft kommt. Das hat seine Vor- und Nachteile. So sollen wir unseren Charakter benennen und mit einer groben Hintergrundgeschichte versehen, was die Immersion steigert. Außerdem ist es an uns selber, mitzudenken und etwa zu entscheiden, welche Ausrüstung wir realistischerweise tragen können. Solche Regelfreiheit währt jedoch nicht lange. Gerade unsere Ausrüstung wird detailliert in drei Größeneinheiten abgetragen und Gepäckstücke definieren genau, wie viel Objekte welcher Größe wir transportieren können. Auch unser Schuhwerk und unsere Kleidung dürfen und sollten wir im Spielverlauf wechseln. Während Waffen nur mit einem Wert – Waffenschaden – auskommen und die meisten Objekte frei im Text angespielt werden, fällt das sonstige Wertegerüst recht umfangreich aus. Unser Charakter wird durch sieben Attribute dargestellt, die wir bei der Charaktererschaffung – bzw. im weiteren Spielverlauf – mittels drei sechsseitiger Würfel mit Werten von drei bis 18 definieren. Hinzu kommt ein abgeleiteter Infektionswert, der sich immerhin auf bis zu 200 Punkte steigern lässt und angibt, wie nah wir daran sind, selber zu einem Zombie zu werden.  All diese Werte können dabei komfortabel auf dem Charakterblatt abgestrichen werden, das gleicht aber dadurch trotz aller Bemühungen einer Excel-Tabelle. Und auch die kurzen Regelhinweise zeigen gleich, wo es in Kämpfen hingeht. Den Gewinner bestimmen wir aus einem Vergleich von unserer und der gegnerischen Ausdauer, der wir jeweils drei Würfel hinzu addieren. Der Sieger addiert nun zu seiner Ausdauer den Waffenschaden, teilt beides durch vier und bestimmt so den Konstitutionsverlust. Je nach Höhe der Konstitution senkt sich dann die Ausdauer noch einmal um ein bis drei Punkte. Puh …

Auch wenn ich dem Autor und erfahrenen Spieletestern zutraue, dass sie hier ein gutes Spielgleichgewicht hinbekommen haben, fühle ich mich von solch einem Regelkonstrukt doch etwas erschlagen. Habe ich erwähnt, dass es dann noch pro Kampf an die Infektionswerte geht, wir unsere Menschlichkeit nicht verlieren dürfen und es für die Wundenversorgung eine eigene Regel gibt? Während einige neuere Spielbücher – etwa Somorra – darum bemüht sind, ohne Statistiken und Würfel auszukommen, nimmt es Death Asylum sehr genau. Hier sind wir deutlich näher am klassischen, herausfordernden Spielbuch mit harten Proben und gnadenlosen Konsequenzen als am modernen interaktiven Roman.

Aufmachung und Spielgefühl

Geht einem die düstere Thematik nicht an die Substanz und kann man die mitunter etwas komplexen Regeln handhaben, erwartet einem im Death Asylum ein erstklassiges Gesamtpaket. Man merkt, dass der Autor geübter Romanschreiber ist und sein Handwerk im Schlaf beherrscht. Der Schreibstil vermag es, uns mit in den Abgrund zu ziehen und an den richtigen Stellen mit eingestreuten Kommentaren aus dem „Off“ auf dem Boden zu halten. Die Charaktere sind für ein Spielbuch außergewöhnlich tief gestaltet und durch eine Kapitelstruktur gelingt ein gut getakteter Spannungsbogen. Das sind die Aspekte, welche das Attribut „interaktiver Roman“ rechtfertigen und die das Horrorasylum von klassischen Spielbüchern abheben. Dabei setzt der Autor nicht einfach ein Spielbuchgerüst auf einen Roman auf, sondern beherrscht auch das Spielbuchhandwerkszeug. Die Pfade sind gut verwoben und haben viel aus der immerhin etwa 40-jährigen Spielbuchgeschichte gelernt. Hier steckt weit mehr drin als ein Regelgerüst und ein Höhlensystem, sondern es finden sich komplexe und sinnvoll verzahnte Entscheidungen und eigenständige, plausible Handlungspfade. Auch durch innovative Rätsel und eingestreute Handouts sorgt das Buch dafür, dass wir wirklich mitten im Spiel stecken. Und natürlich sorgen auch die Illustrationen von Hauke Kock für ein stimmungsvolles Erlebnis (Beispiele: [1], [2], [3], [4]). Mit anderen Worten: Steinmetz führt mit Death Asylum eine im deutschsprachigen Raum primär vom Mantikore-Verlag eingeleitete Entwicklung innovativer Spielbücher mit abwechslungsreicher Thematik würdig weiter.

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