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Cthulhu Pulp

Den Kampf zu Cthulhu tragen

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Kategorie: Pen & Paper

Das Cthulhu-Rollenspiel hebt sich von klassischem Fantasyrollenspiel durch seine tiefe Atmosphäre und Härte gegenüber den Charakteren ab. Wer Cthulhu spielt, ist mit dem unbeschreiblichen Grauen des Altmeisters Lovecrafts konfrontiert und erwartet üblicherweise eher, den kosmischen Horror zu erleben, als sich Schussgefechte mit den Großen Alten zu liefern. Dieser Ansatz wird vom durch Chaosium und Pegasus vertriebenen Cthulhu-Rollenspiel nachdrücklich unterstützt. Ein recht simples, aber tendenziell realistisches Würfelsystem sorgt dafür, dass die Spieler nicht auf zu heldenhafte Ideen kommen und legt konsequenterweise mehr Wert auf detaillierte Regeln für Horror und Wahnsinn als schnittige Sonderfertigkeiten. Pulp Cthulhu dreht diesen Spieß um. Statt auf beklemmendes Spielgefühl setzt es auf starke Helden, überzeichnete Gegner, viel Fantasie und eine gute Portion Wumms! Kompatibel mit den bekannten Grundregeln gibt uns Pulp Cthulhu alles an die Hand, um ein etwas anderes Cthulhu-Rollenspiel zu erleben …

Heldenglück

Eines der Grundmerkmale von Pulp-Erzählungen sind die überdurchschnittlich mächtigen Helden. Wilde Schussgefechte und teils hochexplosive Lösungen gehören zum festen Baustein von Pulp, ob mit Mythos oder ohne. Nicht umsonst setzt das Buch mit einem Ruf an alle Helden ein, den Kampf zu Cthulhu zu tragen. Also gewissermaßen das Gegenteil vom klassischen Cthulhu-Rollenspiel.

Um dieses Gefühl umzusetzen, bedient sich Pulp Cthulhu einiger Regeländerungen.

Zum ersten sind die Charaktere, die hier konsequenterweise Helden genannt werden, grundsätzlich ein bisschen mächtiger. Durch einen zu wählenden Archetypus wie Abenteurer, Femme Fatale oder Mystiker verfügen sie über ein besonders gut ausgeprägtes Hauptattribut. Dazu kommt jeder Held mit mehr Trefferpunkten daher, die sich durch angepasste „Erste Hilfe“ besonders schnell wiederherstellen lässt, sodass wir es schon auf Grund von ein paar anderen Werten mit kampfbereiteren Helden zu tun haben.

Dieses Gefühl wird noch einmal durch Pulp-Talente unterstützt. Je nachdem, wie pulpig eine Runde sein soll – ganz passend je nach Level eines Pulp-O-Meters –, verfügen die Charaktere über eine unterschiedliche Anzahl dieser Superfertigkeiten. Die bleiben zwar immer im Rahmen des irdischen, haben aber spürbare Effekte, die den Helden das Leben deutlich einfacher machen. So sind Pulp-Helden beispielsweise leichtfüßig und ignorieren starke Überzahl, bekommen dank Scharfsinn oder fotografischem Gedächtnis Bonuswürfel bei Wissens- oder Ideenwürfel oder ignorieren ganz abgebrüht Stabilitätsverluste durch grausige Szenen. Insgesamt können die Helden aus 40 dieser Sondertalente auswählen, die sich je in wenigen Zeilen zusammenfassen lassen und daher vollständig in vier kleine Tabellen gesteckt wurden.

Häufiges Motiv dieser Talente ist der Einsatz von Glückspunkten, um einen Effekt auszulösen. Die sind auch sonst besonders wichtig für Pulp-Helden, da sie weitaus flexibler als im Grundspiel eingesetzt werden können. Glück darf hier auch Stabilitätsverluste mindern oder gar Schaden abwenden. Mit etwas Glück im Gepäck erhalten die Helden sogar ein zweites Leben, regenerieren augenblicklich Lebenspunkte, halten sich noch über Runden bei Bewusstsein oder setzen im Angesicht des eigenen Ablebens zu einer finalen, verzweifelten Aktion an. Doch nicht nur vor unerwarteten Toden sind wir bei Pulp Cthulhu gefeit, sondern auch vor vorzeitigem Wahnsinn. Irrsinnige können können bei Pulp Cthulhu sogar gestärkt aus dem Wahn hervorgehen und wahnsinnige Talente erlernen.

Zwischenfazit: System

Pulp Cthulhu orientiert sich eng an den Grundregeln von Call of Cthulhu, modifiziert diese aber, um den Charakteren – pardon: Helden – etwas mehr Durchschlagskraft zu verleihen. Die eigentlichen Änderungen passen auf wenige Seiten und lassen sich grundsätzlich auch für herkömmliche Cthulhu-Runden anwenden. Gewissermaßen haben wir es hier mit einem Baukasten für Pulp-Runden zu tun, was durch die Idee eines Pulp-O-Meters unterstützt wird. Die Regeln wollen als optionale Möglichkeiten verstanden werden, um Cthulhu-Runden aufzupeppen und kein ganz neues Regelsystem einzuführen. Das ist Stärke und Schwäche zugleich. Wer mit dem Cthulhu-System vertraut ist, fühlt sich gleich heimisch, der anvisierte schnelle und harte Spielstil wird dafür durch die doch etwas trockenen Grundregeln etwas gebremst. Für das volle Pulp-Gefühl wären beispielsweise Savage Worlds oder auch Trail of Cthulhu die konsequentere Variante, wer aber das Würfelsystem von Cthulhu schätzen gelernt hat, wird hier nichts vermissen und froh sein, nichts neu lernen zu müssen.

Besonders der flexible Glückspunkteinsatz konnte mich dabei überzeugen, da er äußerst gut zum Thema passt. Statt die Helden bloß mit unsichtbaren Rüstungen zu versehen, führt er zu besonders markanten Wendepunkten und erlaubt es genretypisch, eingesteckte Treffer als glückliche Streifschüsse zu interpretieren und so das Gefühl von (zu) glücklichen Helden nachzubilden.

Von den Goldenen Zwanzigern zur Großen Depression

Neben den harten Regeländerungen kommt Pulp Cthulhu auch mit weichen Hinweisen für ein anderes Spielgefühl daher. Auf etwa zehn Seiten wird das leiten von Pulp-Runden thematisiert und mit nützlichen Hinweisen für Kernmotive, abgekürzte Reisen und Abenteueraufhänger – McGuffin-Generatoren – versehen. Weiter angereichert werden diese Überlegungen durch zahlreiche konkrete Hintergrundelemente. Ein ausführliches Kapitel stellt pulpige, weltumspannende Organisationen für Helden und Schurken vor. Ein Kapitel widmet sich Pulp-Schurken wie dem Jadekaiser und seinen Gefolgsleuten, Sir Caravaggio oder dem an Watchmen erinnernden Raben. Hinzu kommen einige generische Gegner, die tendenziell als Mooks, also letztlich Kanonenfutter behandelt werden können, aber ohne vereinfachte Regeln daherkommen. Zu guter Letzt dürfen Dinosaurier oder Kampfroboter als potentielle Feinde ebenso wenig fehlen wie ein paar Seiten zu verrückten Erfindungen.

Obwohl sich die Pulp-Regeln und ein pulpiger Spielstil in allen Zeiten und Orten umsetzen lassen, wird das Standardsetting in den USA der 30er Jahre verortet. Etwa 20 Seiten stellen die USA (und den Rest der Welt) während der 30er Jahre dar. Das Kapitel hat gewohnt hohe Cthulhu- bzw. Pegasus-Qualität, fällt aber im Endeffekt doch etwas dünn aus. Das darf aber vielleicht dem Thema gemäß auch so sein. Schließlich wollen wir nicht das dramatische Schicksal der verarmten Massen nachspielen, sondern die Weltenflucht, also eben Pulp-Geschichten.

Diese werden übrigens in einem einleitenden Kapitel vorgestellt und in den Kontext ihrer Entstehungszeit eingeordnet. Das hilft zwar, um das Genre besser zu verstehen, verpasst aber Chancen, da die eigentlichen Stilmerkmale etwas hinter der Geschichte der diversen Publikationsorgane verschwindet. Gerade für einen Einstieg ist das gut recherchierte Kapitel etwas sperrig und zieht nicht gleich in den Bann. Auch fallen zwar immer wieder die gleichen Namen, eine Liste bekannter Pulp-Helden, Autoren, Welten oder gar einen Leitfaden zum Eintauchen in die meist gemeinfreien Texte vermisst man aber.

Zwischenfazit: Welt und Spielstil

Die Kapitel über die 30er Jahre und den veränderten Spielstil sind gelungen, fallen aber etwas knapp aus. Wir bekommen weder eine Schablone zur Gestaltung von Pulp-Abenteuern an die Hand, noch ein wirklich erschöpfendes Monster-, Waffen oder Schurkenhandbuch für das Setting. Stattdessen bekommen wir eine große Handvoll Ideen mitgegeben, aus denen wir selbst etwas zusammenstellen müssen. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Pulp mehr ein Spielstil als eine Spielwelt ist und daher ganz unterschiedliche Themen und Realitäten vorstellt. Dennoch wären etwas erschöpfendere Listen oder ein paar zusätzliche Worte über den Entwurf einer eigenen Pulp-Welt schön gewesen.

Aufmachung und Umfang

Was Gestaltung und Umfang angeht, lässt Pulp Cthulhu wenig Wünsche übrig. Am auffälligsten ist wohl das Cover, das hier im wahrsten Wortsinne eine Softcover ist. Das Buch liegt durch eine Polsterung völlig anders in der Hand und die von Cthulhu verschlungene Freiheitsstatue in Hochglanz wertet das Buch noch einmal auf. Der vollfarbige Inhalt ist thematisch passend gelayoutet und reich illustriert. Hier stechen äußerst imposante ganzseitige Illustrationen hervor, die actionreiche Pulp-Szenen darstellen. Auf Fotografien wurde bis auf den Geschichtsteil meist zu Gunsten von kohleartigen Charakterskizzen verzichtet. Die treffen das Thema meines Erachtens nicht ganz, passen aber dafür gut zu den jeweiligen Abschnitten. Insgesamt gehen die Illustrationsstile manchmal etwas auseinander, was aber durch ein gelungenes Gesamtlayout zusammengehalten wird. Hier wäre aber ein markanter, durchgängiger Stil das i-Tüpfelchen gewesen. Die ein oder andere bunte Illustration mit knalligen Pow!- und Zack!- Effekten fällt hier besonders gut auf und hätte das Buch meines Erachtens durchgehend begleiten dürfen.

Dafür sind die fast 280 Seiten prall gefüllt. Auch wenn ich mir manchmal etwas ausführlichere Listen oder Beschreibungen gewünscht hätte, wird das durch die Vielfalt an Inhalten wettgemacht. Etwa die Hälfte der Seiten ist schließlich ganzen vier umfangreichen Abenteuern gewidmet, die Cthulhu-typisch mit umfangreichen Handouts daherkommen. Man kann das Buch daher sowohl als Pulp-Baukasten als auch erweiterten Abenteuerband betrachten. In beiden Fällen ist der moderate Preis von etwa 30 € mehr als angemessen.

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