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Basement Tales

Geschichten aus dem Keller

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Kategorie: Literatur

Etwa alle drei Monate dürfen sich Fans der düsteren und auch mal abseitigeren Phantastik seit einigen Jahren auf die Basement Tales freuen. Das ebenso unscheinbare wie ungewöhnliche Heft versammelt zuverlässig hochwertige Kurzgeschichten aus der (meist) deutschsprachigen Phantatsik. Schon vor dem Blick auf die Autor*innen und ihre Geschichten kann sich die Reihe abheben. Obwohl das Heft in Tradition der Pulp-Magazine bewusst auf einfachem Papier gedruckt ist und ganz schwarz-grau gehalten wird, schafft es ein aufgeräumter Textsatz in Kombination mit Einleitungszeichnungen und seltenen, aber wirkungsvollen Gimmicks wie einem gelegentlichen Prägedruck, einfach stimmig auszusehen. Überhaupt sind Gimmicks beim Dandy großgeschrieben. Sehen wir von Buttons und Stickern ab, die mich für die Rezension erreicht haben, kommen alle neueren Hefte mit hochwertigen Filmpostern zu den Kurzgeschichten daher. Ja, richtig gelesen: Kurzgeschichtenposter in Filmposteroptik!

Kommen wir aber zu den Storys selbst. Die Basement Tales verstehen sich als Heft in der Pulp-Tradition, sind aber eigentlich viel mehr kleine avantgardistische Anthologien. Den Heften ist ein Thema – etwa: „Der Anhalter“, „Who is the Dead Person in the Pool“ oder neulich: „Last exit“ – vorangestellt. Die Autor*innen (ich darf kurz die selbstverständliche Präsenz vieler Autorinnen erwähnen) interpretieren dieses Thema unterschiedlich und zeigen, was mit dem Grundgedanken alles machbar ist. Dabei sind die Ansätze innovativ wie äußerst unterschiedlich. Möchte man die Tales einem Genre zuordnen, ist das nämlich gar nicht so einfach. Schaut man auf die Homepage, erfährt man, dass alles erlaubt ist: „Fantastik, Crime, Sci-Fi, Horror, new Beat-Generation, Groteske, Pop, Satire, Sick Shit. Ob linientreu oder wüstes Cross-over“. Den Eindruck kann ich nur bestätigen. Die Geschichten sind durchweg eher dem düsteren Spektrum zuzuordnen. Irgendwo zwischen grotesk, makaber oder klassisch bedrohlich, loten aber Genregrenzen beständig aus und können so mit gutem Gewissen avantgardistisch genannt werden. Fast auf jede Story gehört ein kleiner Ab 18-Stempel und auch Content Notes täten manchmal gut, aber da man sich das Heft kaum unbedacht am Bahnhofskiosk kaufen kann (schade eigentlich), ist das vielleicht etwas zu vernachlässigen.

Diese Pluralität macht es auch schwer, den Storys der Reihe in einer Rezension gerecht zu werden. Viel zu divers sind die einzelnen Zugänge, Ansätze und Zielsetzungen. Grundsätzlich eint alle Geschichten – neben einem nahezu perfekten Lektorat – ein durchweg hochwertiger Stil. Wer in den Basement Tales schreibt, versteht sein oder ihr Handwerk.

Das heißt natürlich nicht, dass ich alle Geschichten gleichermaßen genossen habe. Mancher Twist ist mir zu offensichtlich und manche Geschichte auch reine Provokation. Statt aber die wenigen Geschichten zu betonen, die mich nicht erreicht haben, möchte ich mich lieber auf die Highlights der neuesten Ausgabe Last Exit konzentrieren.

Lina Thiede: Penis Parvus

Mit Penis Parvus legt Lina Thiede, Autorin von im gleichen Verlag erschienenen Homo Femininus, eine schmerzhafte feministische Dystopie vor. Sie führt uns in eine Gesellschaft, die ähnlich wie die Handmaids Tale völlig um Reproduktion organisiert ist. Statt aber die gebärende Frau zu unterjochen, zeigt sie eine Gesellschaft, in der Männlichkeit als Makel verstanden wird. Es sind die Männer, die als bloße Samengeber fungieren und aufgrund des Blutverbrauchs ihres Genitals des Denkens unfähig erachtet werden. Dabei wird die provokante These so konsequent durchgeführt, dass man sich fragen muss, wie sich so lange das Gegenteil durchsetzen konnte. Lina Thiedes Provokation ist blutig, schmerzhaft und explizit. Nicht immer ein Lesegenuss, aber ein penetrierender Denkanstoß. Mit In einem Wort: Feministische Avantgarde.

Faye Hell: wenn möglich, bitte wenden

Dass ich Faye Hells Arbeiten überaus schätze, habe ich schon andernorts zum Ausdruck gebracht. Insofern muss ich die Geschichte etwas außer Konkurrenz laufen lassen. Der Auftaktgeschichte gelingt es jedenfalls, eine schneidende Atmosphäre zu erzeugen und sie konstruiert eine Endzeit mit gänzlich anderen Parametern als üblich. Als ständige Bedrohung lauert hier die Angst vor dem (endgültigen) Schlaf, der wirklich überall warten kann. Auch auf dem stillen Örtchen des letzten Burger-Queen-Diners. Wie es sich für eine Autorin aus der Hölle gehört, geht das Ganze nicht ohne Ekelszenen vonstatten, der inoffizielle Auftakt zum Romanprojekt Der letzte Traum setzt aber einen Ton, der allemal Lust auf mehr macht.

Christian von Aster: Der Besuch bei der alten Dame

In eine ganz andere Richtung geht der Besuch bei einer alten Dame vonstatten. Ein Nachbar möchte das gemeinsame Gartenstück einer verstorbenen Nachbarin übernehmen und dazu bei einer alten Mitnutzerin Eindruck schinden. Seite für Seite ergibt sich daraus ein Einblick in ein ethisch-mörderisches Komplott, das so skurril wie interessant ist und durch seine langsam eingestreuten, neuen Informationen durchweg spannend bleibt.

Christian Endres: Schrödingers Bigfoot

Deutlich pulpiger geht es schließlich im Bonusteil zu. In der ersten der beiden nicht dem Hauptthema verpflichteten Geschichte findet sich ein Junkie in einem Bigfootkostüm wieder. Irgendwo zwischen skurril, eklig und lustig folgen wir dem armen Kerl auf seiner Flucht vor wildgewordenen Jäger*innen. Sicher nicht allzu ernst, aber flott und unterhaltsam geschrieben und in seiner Absurdität nur schwer zu überbieten. Man darf ja auch mal Spaß beim Lesen haben. Und der Autor hatte sichtlich auch den seinigen beim Schreiben.

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