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100 Jahre WEIRD TALES

Ein Magazin, das die Fantastik veränderte

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Kategorie: Literatur

Im März 1923 erschien in den USA die erste Ausgabe des Pulp-Magazins „Weird Tales". Es entwickelte sich eine Erfolgsgeschichte, die einen nachhaltigen Effekt auf die moderne Fantastik haben sollte. Dieses Jubiläum zelebriert der fünfbändige Schuber "100 Jahre WEIRD TALES".

Auf billigem Papier in hoher Auflage gedruckt, formten Pulp-Magazine wie Argosy, Astounding Stories und Amazing Stories in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Genreliteratur ihrer Zeit maßgeblich mit. Von Science-Fiction über den Krimi bis hin zum Horror gab es für jeden Geschmack solche Hefte. Die darin veröffentlichten Erzählungen galten in der Regel als schnelllebig und trivial, weswegen der Begriff "Pulp", der ursprünglich vom holzhaltigen Papier, auf dem gedruckt wurde (engl.: "wood pulp"), stammte, schon bald als Synonym für die Schundliteratur fungierte. Daher stammte auch Quentin Tarantinos Inspiration zum Titel seines berühmten Gangsterfilms Pulp Fiction (1994).

So reißerisch die Erzählungen oftmals gewesen sein mögen: Heute gilt es als unbestritten, dass eben diese schnell produzierten Periodika die moderne Fantastik prägten, denn sie boten unzähligen, oftmals noch unentdeckten Schriftstellern und auch Schriftstellerinnen eine Veröffentlichungsmöglichkeit. Isaac Asimov (Foundation-Zyklus), Frank Herbert (Der Wüstenplanet), Robert E. Howard (Conan der Cimmerier), Philip K. Dick (Träumen Androiden von elektrischen Schafen?) und Robert Bloch (Psycho) – sie alle haben in Pulp-Heften veröffentlicht.

Das berühmteste dieser Magazine dürfte Weird Tales sein, das in seiner ersten Phase von 1923 bis zur Einstellung 1954 veröffentlicht wurde, anschließend mehrfach wiederbelebt wurde und seit 1988 erneut mehr oder weniger regelmäßig erscheint. Inhaltlich war der Name Programm, denn die präsentierten Kurzgeschichten bildeten zwar eine heterogene Bandbreite von Fantasy, Science-Fiction und Horror ab, konnten aber alle der sogenannten Weird Fiction (dt. etwa seltsame Erzählung) zugeordnet werden. Der bekannteste Autor solcher Erzählungen ist der US-Amerikaner Howard Phillips Lovecraft, für den das Magazin Weird Tales eine seiner wichtigsten Veröffentlichungsmöglichkeiten darstellte. Mit Erzählungen wie Cthulhus Ruf (1928) und Das Grauen von Dunwich (1929) ist Lovecraft, der zu Lebzeiten kaum von seiner Kunst leben konnte, heute weltbekannt.

Diese Popularität liegt unter anderem darin begründet, dass Lovecraft gemeinsam mit Schriftstellern wie Clark Ashton Smith und Robert E. Howard die Horrorliteratur maßgeblich neu erfand: Weg von klassischen Monstern wie dem Vampir oder dem Werwolf, hin zum kosmischen Horror, der oftmals mit den Gesetzen der Physik spielt und dessen Kreaturen so fremdartig sind, dass die unglücklichen Figuren, die ihnen begegnen, dem Wahnsinn verfallen. In seinem Aufsatz Literatur der Angst formulierte Lovecraft seine Vorstellung von Weird Fiction als die "Atmosphäre atemloser und unerklärlicher Furcht vor äußeren, unbekannten Mächten" und "die Vorstellungen von einer […] Ausschaltung jener unveränderlichen Naturgesetze, die unseren einzigen Schutz gegen die Attacken des Chaos und der Dämonen des unergründlichen Weltraums darstellen." Viele der Geschichten, die den Lesenden in Weird Tales begegneten, stellten nach eben diesem lovecraft'schen Prinzip oftmals die Naturgesetze infrage und erzählten von einer zweiten Welt hinter dem Schleier der menschlichen Wahrnehmung – eine Welt, die deutlich komplexer ist, als der menschliche Verstand verarbeiten kann.

Bedenkt man die schnelle und billige Produktion des Pulp-Magazins, so ist das Nachwirken der darin enthaltenen Geschichten auch 100 Jahre später an und für sich bereits ein Statement. Wer wissen möchte, welche Inspirationsquellen Autoren wie Stephen King und Wolfgang Hohlbein antreiben, stößt unausweichlich auf Weird Tales. Der Schuber 100 Jahre WEIRD TALES aus dem Hause Festa bietet nun die Gelegenheit, die Ursprünge des Magazins auch auf deutscher Sprache im Detail nachzuvollziehen. In fünf hochwertig gedruckten und illustrierten Hardcover-Bänden enthält der Schuber nicht nur eine Auswahl von 111 Erzählungen aus dem Veröffentlichungszeitraum 1923 bis 1954, sondern auch mehrere Sekundärtexte, die die Historie des Magazins beleuchten, sowie sämtliche Cover-Illustrationen. Der Festa Verlag hat sich in der Vergangenheit bereits um zahlreiche Horrorautorinnen und -autoren verdient gemacht, von denen viele ebenfalls in Weird Tales veröffentlichten. Auf dem deutschen Buchmarkt führt derzeit für Horrorfans kein Weg an diesem Verlagshaus vorbei und der Schuber führt einmal mehr vor Augen, warum das so ist.

Sowohl für Literaturinteressierte im Allgemeinen als auch Genrefans im Spezifischen bietet sich bei den enthaltenen Kurzgeschichten eine interessante Mischung dar, denn die Kollektion enthält nicht nur die Werke bekannter Autoren, wie H. P. Lovecraft, H. G. Wells und Robert Bloch, sondern auch solcher Schriftsteller, deren Erzählungen nur schwer im deutschsprachigen Raum zu finden sind, darunter August Derleth und Donald Wandrei. Erfreulicherweise sind gleich mehrere Erstübersetzungen in die deutsche Sprache enthalten, wobei diese Ehre vor allem weiblichen Autorinnen wie Alice Olsen und Leah Bodine Drake gebührt.

Viele der Kurzgeschichten sind allerdings auch ein Zeichen ihrer Zeit, sind beispielsweise von Rassismus und Chauvinismus geprägt. Für ebensolche Ansichten wird Lovecraft heute immer wieder und völlig zurecht kritisiert, doch Spuren dessen finden sich auch in zahlreichen anderen Weird Tales-Publikationen ebenso wie auf mehreren der Cover-Illustrationen. Somit eröffnet die kritische Lektüre auch eine zwiespältige Perspektive auf die gesellschaftlichen und historischen Umstände, unter denen die US-amerikanische Genreliteratur des frühen 20. Jahrhunderts verfasst wurde.

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