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Watchdogs Legion

Ein Käfig voller Helden

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Kategorie: Games

Man könnte meinen, dass nach zwei bekanntgewordenen Fehlschlägen eine gewisse Antipathie gegenüber der alles kontrollierenden Softaware ctOS bestehen würde. Aber auch London kommt nun in den Genuss der wohl hackanfälligsten Systemsoftware der fiktionalen nahen Zukunft. Doch in Watchdogs Legion geht es nicht mehr nur um die Schwachpunkte dieser alles kontrollierenden Software, sondern um die willkommene Totalüberwachung eines Staates nach einem verheerenden Terroranschlag. Aber war der sogenannte "TOAN-Anschlag" vielleicht doch ein Insidejob? Papperlapapp! Ihr und eure Verschwörungstheorien. Ihr tragt doch alle Aluhüte. Was wir brauchen ist mehr Polizeiüberwachung! Und wer mir nicht zustimmt, ist verdächtig, und den werde ich melden.

Was glauben wir wem und wie zuverlässig ist unsere Quelle? Watchdogs Legion versetzt uns in eine nahe Zukunft, ohne konkretes Datum, in der das Konzept des Cyberpunks mit der Realität der heutigen Gesellschaft kollidiert. Es gibt keine fliegenden Autos, keine Matrix oder verrückte Augmentierungen. Stattdessen wird der Stand der heutigen Technologie in einem realistischen Ansatz weitergesponnen. Theoretisch ist die Vision der Watchdogs-Reihe nicht unmöglich. Ja, sie hat sogar einen beängstigenden Zusammenhang zur realen Welt, in der Medien gekauft, Beweise manipuliert und Geschichte umgeschrieben werden, um einer Agenda zu dienen. Achja, und der Brexit wurde vollzogen. Der Orwellsche Alptraum ist wahr geworden und die KI Bagley, die uns das gesamte Spiel über begleitet, merkt zu Recht in einer Nebenmission an, dass 1984 fälschlicherweise als Gebrauchsanweisung missverstanden wurde.

Das schwarze Schaf

Die Hackergruppe Dedsec ist keine offizielle staatliche Organisation. Sie handelt unabhängig, weltweit und ihre Mitglieder sind technisch versierte Menschen, die zugleich Robin Hood, Batman und James Bond sind. Ihr Ruf hingegen ist äußerst dehnbar. Es genügt ein verheerender Anschlag im Herzen Londons und die Botschaft eines geheimen Hackers namens ZeroDay, dass Dedsec die Drahtzieher hinter all dem sind. Die Botschaft wird trotz der Ereignisse in Chicago und San Francisco widerstandslos angenommen und der Ruf nach mehr Sicherheit wird laut. Um Dedsec zu bekämpfen, übernimmt die Söldnerorganisation Albion die Kontrolle und regiert mit eiserner Faust. Angst als Mittel der Kontrolle und die Gefahr, mit Dedsec zusammen gesehen zu werden, macht die verängstigten Bürger Londons zu nervlichen Wracks. Nach einigen Monaten ist London nicht mehr wiederzuerkennen. Seit der Nacht des Anschlags wurden nahezu alle Dedsec-Mitglieder ausgelöscht. Jetzt heißt es bei Null anzufangen. Wir brauchen neue Mitglieder und die müssen wir erstmal rekrutieren. Wer dafür in Frage kommt? Alle!
(Außer Kinder und Haustiere. Die gibt es in London nicht.)

Wegwerfcharaktere

Das verheerende Konzept des akzeptierten Überwachungsstaats ist die große Stärke von Watchdogs Legion. Doch weiß Ubisoft dieses Szenario mit all seinem Potenzial voll auszukosten? Wir übernehmen nicht mehr nur ein bestimmtes Mitglied von Dedsec. Stattdessen haben wir jeden einzelnen Bürger Londons zur Auswahl. Ja, sogar beim Feind können wir Anhänger finden, vorausgesetzt, wir erfüllen der Person einen Gefallen, der ihre Loyalität zum Noch-Arbeitgeber erschüttert. Legion macht sich dazu das Profiling-Tool von ctOS zu Nutze und zeigt uns Vor- und Nachteile jeder Person an, die uns über den Weg läuft. So sieht also das Headhunting der Zukunft aus. Ob jung oder alt, männlich, oder weiblich, reich oder arm, ein Knopfdruck zeigt uns an, welche "Spezialfunktionen" jemand hat: ein eigenes Auto mit Extras, eine durchschlagende Waffe, Beziehungen zur Justiz, Zugang zu Sperrgebieten, erweiterte Hackingfähigkeiten und spezielle Gadgets auf Abruf. So mancher Bürger hat keine Vorteile. Manche haben sogar nur Nachteile: ältere Leute können nicht mehr so gut sprinten oder in Deckung gehen. Andere sind temperamentvoll und haben längere Gefängnisaufenthalte.

Letzteres ist allerdings nur möglich, wenn wir den optionalen Permadeath-Modus nicht aktiviert haben. Watchdogs Legions ursprüngliches Konzept sah einen standardmäßigen Modus vor, in denen Bürger nicht verhaftet, sondern endgültig ausgeschaltet wurden. Waren alle Dedsec-Mitglieder verstorben, war das Spiel vorbei. Diesen Modus gibt es noch immer, doch nun ist er optional. Mit aktiviertem Permadeath-Modus wiegt jeder Verlust ungleich schwerer, denn die Rekrutierung der Mitglieder dauert manchmal bis zu einer halben Stunde und kann in letzter Sekunde mit einem weiteren toten Mitglied enden, wenn der Zufallsalgorithmus spontan entscheidet, ein Exekutionskommando direkt vor meiner Nase aufploppen zu lassen, die meinem tapferen Helden binnen einer Sekunde das Lebenslicht ausbläst. Dazu entwickelt der enttäuschte Kandidat eine Abneigung gegen Dedsec und ist nun noch schlechter zu überzeugen. Situationen in denen alles glatt läuft, bis ein Malleur geschieht und wir völlig unerwartet sterben, geschahen besonders vor den ersten Updates nicht selten. Einmal wurde ich durch eine massive Wand erschossen oder fiel durch eine Baudrohne hindurch und klatschte 100 Meter unter mir auf den harten Asphalt. All diese Bugs gab es schon in anderen Spielen, doch hier verliert man wertvolle Mitglieder, was die Bugs zu einem größeren Problem macht, als sonst. Glücklicherweise arbeitet Ubisoft fleißig daran, die Bugs zu beseitigen, denn eigentlich macht es Spaß, so viel zu riskieren. Man verhält sich weniger wie ein Crash-Test-Dummy und passt auf seine Charaktere auf.
Das Rekrutierungssystem selbst hat aber auch eine andere fundamentale Schwäche, die das eigentliche Konzept in Frage stellt.

Die Frage der Nützlichkeit

Bis zu 40 Rekruten können wir aufnehmen. Nicht alle davon müssen wir rekrutieren. Für jeden befreiten Stadtteil erhalten wir ein zusätzliches Mitglied mit speziellen Talenten. Darunter befinden sich Geheimagenten mit Schalldämpferpistole, einer entwaffnenden Uhr und einem bewaffneten Auto, das sich tarnen oder Raketen schießen kann. Hacker können mit unbegrenzter Reichweite Passwörter stehlen und Fluchtfahrer können Autos zur Seite fahren, die der Flucht im Weg sind. Aber es befinden sich auch exotische Spezialisten darunter. Darunter ein Mime, der sich in eine Statue verwandelt und damit unsichtbar für die Verfolger wird. Imker hetzen Nanobienenschwärme auf ihre Gegner. Ein Hypnotiseur kann Feinde auf seine Seite ziehen. Drohnenpiloten haben immer eine Drohne dabei. Aber der König unter ihnen ist der Bauarbeiter, der mit seiner Baudrohne auf jedes Dach gelangt und Gebäude infiltrieren kann, ohne sich dabei in Gefahr zu begeben. Außerdem gibt ihm sein Outfit die Möglichkeit, sich auf Baustellen zu bewegen. Verkleidungen haben allerdings weniger Effizienz, als man denkt. Man wird trotzdem schon auf mittlere Distanz kritisch beäugt.
Im späteren Spielverlauf geraten wir aber fast in jeder Mission in "unerwartete" Feuergefechte, sodass der kluge Stratege eher mit dem stark bewaffneten Auftragskiller loszieht, als mit einem Mimen, der innerhalb eines Hochsicherheitstrakts als Statue eher nutzlos ist. Drohnenpiloten sind ebenso sinnlos, da in den Straßen Londons so viele Drohnen herumschwirren, dass man sie einfach nur kapern muss. Am Ende des Spiels habe ich bemerkt, dass ich von meinen Dedsec-Mitgliedern nur vier wirklich nützlich fand. Die wichtigsten Gadgets schalten wir ohnehin mit Technikpunkten für alle Charaktere frei. Wer früh im Spiel auf Punktejagd geht, kann theoretisch mit jedem Charakter alles schaffen, ohne auf die individuellen Spezialistenfähigkeiten zugreifen zu müssen.

Warum denn so ernst!

So austauschbar die einzelnen Spezialisten sind, so sind auch ihre Persönlichkeiten. Zwar wurde das unerträgliche Hipster-Sprech des zweiten Teils reduziert, doch leider besitzt kein Mitglied eine differenzierte Persona. Von einem charismatischen Aiden Pearce aus dem ersten Teil ist man meilenweit entfernt. Trotz der angespannten Atmosphäre, der allgegenwärtigen Brutalität und Gewalt, wirkt jedes Mitglied, als würde es unsere Dedsec-Missionen nebenbei auf dem Weg zum Supermarkt erledigen. Eine persönliche Motivation, die sie emotional hervorstechen lässt, existiert nicht. Dass die Ausnahme von der Regel ausgerechnet von einer künstlichen Intelligenz bestätigt wird, ist dabei besonders absurd. Bagleys Briefings sind voller Sarkasmus, Anspielungen und schwarzem Humor, sodass es wirkt, als wäre die gesamte Seele Großbritanniens in ihm konserviert worden. Bagley ist es, der das Spiel und die Erzählung für mich rettet und Watchdogs zu einem spaßigen Vergnügen macht, das ich trotz seiner Schwächen gerne durchgespielt habe. Ja, am Ende wollte ich sogar noch mehr. Watchdogs Legion ist im Vergleich zu anderen Ubisoft-Titeln überraschend kurz.

Jetzt mit Spiegelbild

Grafisch macht das Spiel eine gute Figur. Die bekannten Bauwerke, wie Big Ben, der Buckingham Palast oder die Tower Bridge wurden gut in das virtuelle London integriert. Allerdings wurden sie auch mit Neontafeln und Hologrammen ergänzt. Cyberpunk muss nun einmal grell und bunt sein. Zum ersten Mal bietet Watchdogs auf dem PC auch Raytracing, was, einen starken Rechner vorrausgesetzt, die Spiegelungen in den Fenstern der Häuser um ein vielfaches realistischer aussehen lässt.
Die deutsche Synchro ist größtenteils gelungen. Warum Nigel Cass, das Oberhaupt von Albion, allerdings von Star-Youtuber Gronkh gesprochen werden musste, ist mir ein Rätsel. Als jemand, der mit dessen Minecraft-Let's-Plays groß geworden ist, kann ich diesen sympathisch klingenden Gutenachtgeschichten-Erzähler als Oberfiesling in keiner Weise ernst nehmen. Besser wäre er auf der Seite von Dedsec aufgehoben gewesen. Wer des Englischen mächtig ist, sollte daher zur besseren britschen Synchro wechseln.
Die Musikauswahl ist erneut sehr gut gelungen. Leider kann man im Gegensatz zum zweiten Teil nun keine Playlist mehr erstellen, sodass man hören muss, was gerade läuft. Darunter sehr viele interessante Podcasts, in die sich ein Reinhören wirklich lohnt, da sie das Worldbuilding von Watchdogs Legion enorm bereichern. Aus diesem Grund habe ich die Metro selten genutzt und bin immer den langen Weg mit dem Auto gefahren, um viel Radio zu hören.

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