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Warnstreik: Wichtel-Gewerkschaft legt Weihnachten lahm

Das 22. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Es ist der 22. Dezember und auch am Nordpol liegen die Nerven blank, sodass die Wichtel*innen streiken. Ob dieser Streik, über den Nadine hinter dem heutigen Türchen unseres Kurzgeschichten-Adventskalenders berichtet, in letzter Minute geschlichtet werden kann?

Es schneite in Weihnachtsstadt, wie üblich – so knapp vor Weihnachten stand bei den Wolken nur “Schnee” im Terminkalender. Die Flocken huschten wuselnd durch die Luft, so wie es die vielen Wichtel am Boden taten – eine perfekte Mimik des jeweils anderen. Doch an diesem Tag war auf den Straßen kein Schneesturm aus geschäftig wuselnden Wichteln zu sehen und die Flocken tanzten ihr übliches Duett alleine.  

“Was zum gütigen Weihnachtsmann ist denn hier los?!”, riefen Krampus und Knecht Ruprecht, die Chefs der Personalverwaltung und des Controlling, fast wie aus einem Munde. “Wir streiken”, entgegnete Jillar mit einem ernsten Blick, “und wir nehmen keinerlei Last-Minute-Wunschzettel mehr an.” Die Wichtel-Frau setzte sich wieder auf eine der Bierbänke, mit denen die streikenden Wichtel die Wunschzettelannahmestelle C blockiert hatten, um allen angestellten Wichteln Platz zu bieten. Außerdem gab es viele Sorten Glühpunsch, Plätzchen und Stollen zur Stärkung der Streikenden.  

Hätte Krampus es nicht besser gewusst, er würde meinen, dass er sich hier auf einer After-Work-Party befand, die nach Weihnachten stattfand und nicht auf einem Streik, zwei Tage vor Weihnachten. “Das ist eine Katastrophe”, meinte Krampus leise an Knecht Ruprecht gewandt, während die Schneeflockendichte vor der Halle langsam weniger wurde.  

Warum diese Situation eine Katastrophe war, fragt ihr euch? Wir befinden uns, ganz allgemein gesehen, nicht einmal mehr 48 Stunden vor dem großen Showdown, was allein schon für die Bezeichnung als Katastrophe ausreichen würde. Allerdings ist die Last-Minute-Wunschzettel-Annahmestelle ein ganz besonderer Service, der überaus beliebt bei allen Kundinnen und Kunden ist. Hier schlechte Kritiken zu erhalten, kann den Ruf – und den Umsatz – des Unternehmens massiv gefährden.  

Aber nicht nur schlechte Google-Bewertungen drohen, Weihnachten 2022 hängt somit für viele Menschen an einem seidenen Faden. Zugegeben, sie hätten lange vor dem 22.12. daran denken können, ihre Wunschzettel abzugeben, aber nicht jeder Lebensumstand ist gleich und nicht immer sind Weihnachten und Geschenke Priorität Nummer 1 bei den Menschen. (So realistisch darf ich als Erzählerin durchaus sein, aber erzählt das bitte niemanden in Weihnachtsstadt.) 

Jillar war sich der Wirkung ihrer wenigen Worte sehr bewusst. Sie blickte den beiden Männern entgegen und wartete geduldig auf deren Reaktion. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, welcher Film gerade in den Gedanken von Krampus und Knecht Ruprecht ablief: 

Malen wir uns die Szenen doch einmal aus, was es heißen würde, wenn die Last-Minute-Wunschzettel-Annahme ausgerechnet am 22.12. ihren Betrieb für dieses Jahr einstellen würde. Ein gerade losgeschickter Wunschzettel wird mit der automatischen Nachricht beantwortet, dass dieses Jahr leider keine Last-Minute-Wunschzettel angenommen werden können. Man bittet um Verständnis und wünscht fröhliche Feiertage. 

Die Folgen sind alles andere als fröhlich: Verzweifelte Geschenkekaufende stürmen die Innenstädte und die Industriegebiete, auf der Suche nach den wunscherfüllenden Habseligkeiten. Vieles, gerade begehrtes, ist bereits ausverkauft und nicht mehr zu ergattern. (Für die älteren Lesenden sei mir die Referenz auf den Film “Versprochen ist versprochen” vergönnt.) Auch der Onlinehandel wird nur bedingt noch Linderung in dieser schweren Zeit bringen. Überlastete Lager- und Postengel zerbrechen nicht erst zu Weihnachten unter der Last der Lieferungen. An den Feiertagen gibt es so viel, das schieflaufen kann, wenn Besinnlichkeit und Hektik kollidieren. 

Die Folge: Frust, Wut, Unverständnis, Verzweiflung und ein unfröhliches Weihnachtsfest. Gerade um soetwas zu verhindern, wurde vor sehr langer Zeit Weihnachtsstadt und Co. KG gegründet – damit Weihnachten so perfekt wie möglich sein kann ( – formal gesehen. Gegen stinkstiefelige Verwandtschaft kann nicht einmal der Weihnachtsmann etwas unternehmen). 

“Wie ...”, begann Controlling-Krampus seinen Dialog mit der Streikführerin, doch er hielt inne, räusperte sich. Die Rute rauszuholen würde Weihnachten nicht retten, also musste es anders gehen. “Wie können wir Weihnachten wieder möglich machen?”, brachte er schließlich hervor. “Das liegt ganz am Management”, entgegnete Jillar heißen Heidelbeerpunsch schlürfend.  

Und so kam es, an diesem nunmehr leicht verschneiten Morgen kurz vor Weihachten dazu, dass sich sehr schnell eine kleine Runde aus Wichteln mit dem oberen Management und dem Weihnachtsmann zusammensetzt. Bei heißem Kakao mit Sahnetopping wird so heiß diskutiert, dass auf den Fensterbrettern der Schnee zu schmelzen beginnt. Worte und Argumente werden sich zugeworfen wie sonst Schneebälle und auch in diesem Meeting gibt es das ein oder andere “blaue Auge”, was bei einer unvorsichtigen Schneeballschlacht schon mal passieren kann. Doch jede Person ist sich der Regeln bewusst und spielt fair ihr Verhandlungsspiel, während die Schneeflocken langsam beginnen, ihren winterlichen Tanz vor dem Fenster wiederaufzunehmen.  

Als Jillar die Wunschzettel-Annahmestelle C wieder betrat, fegte der Wind eine kleine Schneeverwehung mit in die Halle. “Leute, es geht weiter, ran an die Wunschzettel, und mögen sie auch noch so spät kommen – wir sorgen für ein wunderbares Weihnachtsfest!”  

Die Wichtel machten sich sogleich daran, die Halle wieder betriebsbereit zu machen, während Mantyn, ein älterer Wichtel, an Jillar herantrat: “Und, wie liefen die Verhandlungen? Haben wir unser Ziel erreicht?” “Oh ja, das haben wir”, entgegnete Jillar stolz. “Dass es uns darum ging, an die wahren Werte von Weihnachten zu erinnern, kam ihnen zunächst seltsam vor. Aber sie haben diese Erinnerung einfach mal gebraucht.”

 

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