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Der W7-Gipfel

Das 13. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Auch der Weihnachtsmann muss "Nettworking" betreiben. Wie es ihm dabei auf seiner Reise zum Geschäftstermin ergeht, erfahrt ihr hinter dem dreizehnten Türchen unseres Kurzgeschichten-Adventskalenders von Ann.

Der Wind über dem Atlantik peitschte in dieser kalten Dezembernacht extra stark über das weite Wasser. Er trieb die grauschwarzen Wolkenberge jammernd vor sich her, wirbelte sie erbarmungslos durcheinander. 
   „Rudiiii! Kurs halten!“, rief der Weihnachtsmann durch das Geheule nach vorn. Rudolph antwortete nicht, denn er musste sich konzentrieren. Es war dunkel, sehr windig und er flog auf Sicht. Und die war erwartungsgemäß nicht besonders gut.
   „Ach herrje!", murmelte der Weihnachtsmann in seinen langen, weißen Rauschebart. „So etwas musste ja passieren … ooooo!“
    Das Neuner-Rentiergespann sackte in ein Luftloch ab und der Schlitten, in welchem der Weihnachtsmann saß, sackte mit. Der Reise-Geschenkesack, der auf dem Rücksitz lag, brauchte einen Moment länger und schwebte kurz in der Luft, bevor er sich entschloss, der Erdenschwerkraft zu folgen und ebenfalls einzusacken. Mit einem satten Rumms landete er wieder auf seinem angestammten Platz.
   Nachdem der Weihnachtsmann einen kurzen Schlittencheck gemacht und registriert hatte, dass alles in Ordnung war, muckelte er sich wieder auf seinem Platz zurecht.
  „Ich verstehe nicht, warum sie diesen Termin immer in den Dezember legen müssen“, murrte er vor sich hin. „Ich sage es jedes Mal, aber auf mich hört ja keiner. Wir könnten das Treffen im Sommer veranstalten, wenn die Sonne scheint. Aber nein, es muss unbedingt im Dezember sein. Als ob da nicht schon genügend Termine liegen würden.“
   Normalerweise hatte der Weihnachtsmann kein Problem mit Geschäftsreisen, die gehörten schließlich zu seinen Kernaufgaben. Aber wenn er einen  Auswärtstermin in der Hochsaison absolvieren und noch dazu das Gebiet des winterlichen Nordwindes durchqueren musste, dann wurde selbst dem Weihnachtsmann ein Schlittenflug zur Last.
   „Rudi, denk an die Tiefdruckgebiete über Skandinavien!“
   Rudolph blinkte zweimal mit seiner Nase, um zu signalisieren, dass er die Tiefdruckgebiete auf dem Rentierradar hatte. Der Geweihträger hatte sich angewöhnt bei diesen lauten und dunklen Wetterverhältnissen nur noch mit Lichtzeichen zu reagieren.
   Es würde noch eine kleine Weile dauern, bis sie in Schweden ankommen würden. Dieses Jahr fand das Treffen der internationalen Weihnachtsmänner unter der Schirmherrschaft von Jultante statt. Ein sehr freundlicher Kollege, wie der Weihnachtsmann fand. Aber er atmete etwas schwer aus, als er an die schwedischen Kobolde dachte, die das skandinavische Weihnachtsgeschäft unterstützten. Die konnten ganz schön frech werden. Dagegen waren seine Wichtel am Nordpol wahre Engel.
   Doch die schwedischen Helfer waren das geringste Problem des Weihnachtsmannes. Viel schwerwiegender wogen die gewichtigen Diskussionen, die eigentlich so gut wie jedes Mal stattfanden. Der W7-Gipfel war dazu gedacht, dass sich die europäischen und nordamerikanischen Weihnachtsmänner wiedersahen und untereinander konstruktiv austauschten – er war als  Nettworking-Termin angesetzt. Stattdessen brach beinahe immer Streit aus, der mit einer Schlacht am kalten Buffet endete. Der persönliche Gipfel des Weihnachtsmänner-Gipfels war für den Weihnachtsmann vor ungefähr zwei Jahrzehnten erreicht. Da hatte der italienische Babbo Natale ihm und Knecht Ruprecht mit Schmackes jeweils eine Götterspeisetorte ins Gesicht gedrückt. Und das nur, weil sie beide dafür waren, darüber nachzudenken, ob man das Salz beim Salz- und Haferausstreuen für den Krippenesel nicht weglassen könnte. Wegen des Bluthochdruckes. Babbo Natale war empört über den Vorschlag gewesen und hatte zum nächststehenden Mittel gegriffen, um seinen temporären Bluthochdruck zu senken. Und das waren eben die zwei rot-grünen Götterspeisetorten gewesen. Trotz mehrfachen Ausspülens klebten die Bärte von Weihnachtsmann und Knecht Ruprecht noch drei Tage später. Seitdem kam Knecht Ruprecht auch nicht mehr auf die W7-Gipfel mit, womit es eigentlich nur noch ein W6-Gipfel war. Aber diese Diskussion wollte der Weihnachtsmann nun wirklich nicht anschneiden.
   Apropos anschneiden. So gut wie jedes Jahr reichte Père Noel, der französische Weihnachtsmann, den Antrag ein, dass der Bûche de Noël als offizielles Weihnachtsgebäck bindend für alle Länder gelten sollte. Der Weihnachtsmann mochte den leckeren Kuchen durchaus, aber auf seinen geliebten Stollen wollte er deshalb nicht verzichten. Und auch für Father Christmas blieb Weihnachten ohne Plumpudding unvorstellbar. Daher flogen spätestens beim Buffet, in schönster W7-Tradition, die traditionellen Gebäcke durch den Raum und selbst Santa Claus, dem es eigentlich egal war, was es zu essen gab, solange es reichlich und lecker war, bekam sein zuckriges Fett weg.
    Die Rentiere legten sich in eine scharfe Kurve und der Reise-Geschenkesack rutschte auf die andere Seite. Der Weihnachtsmann warf beruhigt einen kurzen Schulterblick auf den Sack, bevor er wieder nach vorne in das mittlerweile einsetzende Schneetreiben starrte. Seitdem sich der Brauch der Buffetschlacht entwickelt hatte, nahm der Weihnachtsmann lieber noch ein zweites Wechseloutfit mit. Er war nicht glücklich über die vielen Flecken, die teilweise auch nicht mehr rausgingen, doch Frau Weihnachtsfrau meinte, es war wichtig, nach solch einer handfesten Auseinandersetzung möglichst schnell wieder einen guten Eindruck zu machen und zu zeigen, dass man weiterhin gemeinsam im Team Weihnachten spielte. Und da seine liebe Frau ein gutes Gespür für solche Dinge hatte, befolgte er ihren Rat und erschien am Morgen danach immer im frischen roten Mantel. Die anderen Weihnachtsmänner hatten diese Tradition ebenfalls übernommen und beim Weihnachtsfrühstück war es dann so, als hätte es das vorabendliche Vorkommnis nie gegeben.
   Rudolphs Nase blinkte dauerhaft.
   ‚Aha‘, dachte der Weihnachtsmann, ‚Skandinavien ist nicht mehr fern. Das Tiefdruckgebiet wird uns nochmal einheizen. Naja, oder eher runterkühlen. Aber das ist nichts, was sich nicht mit einem heißen Lumumba wieder in den Griff kriegen lässt.‘
   Beim Gedanken an das Getränk schmatzte der Weihnachtsmann einmal laut und rief dann nach vorn:
   „Also los, Jungens, ihr wisst was zu tun ist. Wir machen es so wie immer, wenn wir es mit einem Schneesturm zu tun haben. Schnauzen etwas senken, Augenlider zusammenkneifen und halbes Tempo. Wir sind gut in der Zeit, die Sonne geht erst in einer Stunde auf. Bis dahin sind wir zweimal in Schweden gelandet.“
   Alle neun Rentiere antworteten mit einem einstimmigen Röhren, bevor sie mit dem Schlitten und dem Weihnachtsmann in der nächsten dicken Wolkenwand verschwanden.

 

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