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Unter den Sternen von Tha: Die Niederschriften zum Fonpo-Rätsel

Technologische Gedankenreise in eine ferne Zukunft

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Kategorie: Literatur

Im Jahr 500.000 AD befindet sich die Menschheit in einer technologischen Superzukunft. Das bekannte Universum wurde kartografiert und der Mensch lebt im bekannten Raum in scheinbarer Einsamkeit. Trotz der erforschten Technologien und der damit entstandenen Möglichkeiten, ist die Suche nach den Antworten auf die großen, transzendentalen Fragen unbeendet. Die geglaubte Grenzenlosigkeit der weit entfernten Zukunft scheint nichts als die Determinierung der Menschheit auf ihre Ratlosigkeit.

Die Menschheit hat es geschafft, das bekannte Universum als Lebensraum zu erschließen. Voraussetzung dafür war nicht nur die Besiedelung des Mondes und auch des Mars', sondern darüber hinaus die Entdeckung neuer Fortbewegungsmöglichkeiten. Durch die Verankerung von Parallelkörpern in der Terunalzone gelingt es, eine Reisegeschwindigkeit zu erreichen, die das Erforschen ungeahnter Entfernungen ermöglicht. Damit gelangen die Menschen zu den unterschiedlichsten Planeten, die wiederum die Schlüssel zur Etablierung weiterer Technologien bergen, um in Nullzeit reisen zu können. Der Erschließung des eigenen sowie weiterer Universen scheint damit keine Grenze mehr gesetzt zu sein und auch die Suche nach extraterrestrischem intelligentem Leben ist greifbar nahe. Scheinbar …

Ein Protokoll über die Menschheitsgeschichte

Ttrebi H*tr wurde beauftragt, die Entwicklung der Menschheit vom Jahr 2017 bis zur Gegenwart im Jahr 499.999 AD zu protokollieren. Um dieser Aufgabe in seiner Tiefe nachgehen zu können, wurde er auf den Planeten Tha versetzt, wo eine einzige Übernachtung mit den Kosten von einer Arbeitszeit um die 20 Lebensjahre verbunden sind. Das liegt nicht nur an der Schönheit des Nachthimmels von Tha, sondern auch an den bewusstseinserweiternden Blüten, die dort wachsen und die Skalen der menschlichen Fassungskraft nahezu sprengen. Zusammenhänge der protokollierten Ereignisse erhalten dadurch für Trebi H*tr zuvor unbekannte Muster und erschließen Erkenntnisse, die weit über technologische Fragen hinaus reichen.

Neben den Protokolleinheiten, die wir als Leser*innen in einer Retrospektive zu lesen bekommen, sind in den Niederschriften auch zusammenfassende Narrationen und Tagebuch-Einheiten zu finden, die zuvor rezipierte Absätze näher erläutern oder Hintergrundwissen liefern, das wir im Jahre 500.000 AD theoretisch haben müssten. Natürlich bleiben dennoch einige Fragen offen, die jedoch dazu einladen, die Lücken des Gedankenexperimentes eigenständig auszufüllen.

Die theoretische Weiterentwicklung der Menschheit gibt einen Einblick in das, was uns noch bevorstehen könnte. Was mir an diesen Protokolleinheiten besonders gefällt, ist, dass hier nicht nur die glorreichen Momente Erwähnung finden, sondern ebenso auf Rückschläge verwiesen wird, die den Menschen in seiner Entwicklung bremsen oder immer wieder zurückwerfen. Das lässt die Geschichte nicht nur umso authentischer wirken, sondern hilft auch dabei, sich auf das Gedankenexperiment unmittelbarer einzulassen. Auch jemand, der sich mit den behandelten Technologien und Wissenschaften nicht wirklich auskennt, kann dem Faden folgen und nachvollziehen, welche Errungenschaften welche Folgen beinhalten. Die genutzten Fachwörter kann man gut in den Kontext einsortieren, ohne ständig bei Wikipedia nachschlagen zu müssen, selbst wenn die Bedeutung nicht zu 100 % erschlossen wird.

Von Wissenschaft zu Philosophie

Je weiter wir uns durch die Niederschriften lesen, desto mehr wechselt der Fokus von möglichen technologischen Fortschritten und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu deren Konsequenzen. Eingebunden in einen transzendentalen Rahmen kommen wir so unweigerlich auch zu den großen Fragen, die wir – wie Kant uns schon in seiner Kritik der reinen Vernunft androhte – vermutlich niemals in ihrer Gänze greifen können.

„Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: dass sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“ (A VII, Kritik der reinen Vernunft, Immanuel Kant)

Clever lässt der Autor Heribert Kurth hier auch immer an den entscheidenden Stellen eine Leerstelle einfließen oder wartet mit unerklärten Barrieren auf, die das Beantworten dieser Rätsel auch in ferner Zukunft nicht möglich gemacht haben. Dennoch strickt er theoretische Zusammenhänge in die Gesamthandlung ein und kitzelt durch wohlplatzierte Impulse immer wieder ein kleines Umdenken in uns hervor, das zumeist mit den Fragen "was wäre wenn" oder "es könnte doch sein" verbunden ist. In erfrischender Sachlichkeit werden so die Konzepte Gott und Schöpfung vollständig in Frage gestellt, ohne sie wirklich auszuschließen oder in esoterische Spiritualität abzudriften. Schlussendlich bekommen wir natürlich keine Antwort auf die Existenz oder Nichtexistenz eines Schöpfers oder einer Schöpferin – aber zumindest bekommen wir eine neue Richtung, in die es sich Hineinzudenken durchaus lohnt.

Das Haar in der technologischen Suppe

Im Gesamtbild wirkt das Werk von Heribert Kurth an der ein oder anderen Stelle etwas unstrukturiert, besonders vor dem Hintergrund, dass es sich um geordnete Niederschriften handeln soll. Zwischendurch stellte sich die Frage, an welchem Zeitpunkt sich die Leser*innen befinden. Manche eingestreuten Nebenhandlungen lassen uns tiefer in eine Welt in 500.000 Jahren Zukunft eintauchen, scheinen aber mit dem eigentlichen Handlungsstrang nicht wirklich verbunden zu sein. Zudem wird durch das Hinweisen auf spätere Kapitel Spannung über bestimmte Ereignisse aufgebaut, die dann – in meinen Augen – zu schnell abgehandelt werden. Hier hätte ich mir ein wenig mehr Hintergrundwissen in die geschaffene Welt gewünscht.

Fazit

Unter den Sternen von Tha ist ein ungewöhnliches Buch. In einer Mischung aus technologischem Gedankenkonstrukt und philosophischer Fragestellung werden wir eingeladen, eine mögliche Entwicklung der Menschheit mitzuerfinden und deren Konsequenzen zu tragen. Dabei verzichtet das Buch völlig auf die üblichen spannungserzeugenden Verdächtigen – Es gibt keine Gewalt, keine Liebesgeschichte, kein Abenteuer. Dennoch kommt keine Langeweile auf. Nicht nur, weil es Spaß macht, sich durch die technologischen Erkenntnisse der SciFi zu lesen, sondern weil unser Gehirn mal wieder richtig gefordert wird, die unvermeidlichen Leerstellen zu füllen und eigene Ideen für aufgeworfene Fragen einzubringen, ohne sie wirklich veri- oder falsifizieren zu können.

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