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Unaussprechliche Kulte

Wir Diener Cthulhus

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Kategorie: Pen & Paper

Dunkle Kapuzen, ein abscheuliches Opfer und Beschwörungen in einer unaussprechlichen Sprache. Nur um Haaresbreite kommen unsere Investigatoren rechtzeitig, um dem Grauen ein Ende zu bereiten! Was aber, wenn wir diesmal auf der anderen Seite stehen und sich die Cthulhu und andere große Alte anbetende Kulte als mehr entpuppen, als willenlose Diener des Bösen? In Unaussprechliche Kulte können wir genau dieser Frage nachgehen. Mit Hilfe des ungewöhnlichen Hitos-Regelsystems schlüpfen wir im von Truant übersetzten Rollenspiel in die Rollen von Menschen, die dem Horror nicht mit Abscheu, sondern Faszination begegnen …

Dass Unaussprechliche Kulte auf dem Cthulhu-Mythos aufbaut, kann Kennern der Materie bereits beim Titel auffallen. Der leider ziemlich schwer in Sätze einzubettende Titel lehnt sich nämlich an das fiktive Buch "Von unaussprechlichen Kulten" eines ebenso fiktiven Friedrich Wilhelm von Junzt an. Das ursprünglich von Robert E. Howard erfundene Buch hat schnell seinen festen Platz im Mythos gefunden und findet auch beim eigensinnigen Meister H.P. Lovecraft höchstpersönlich Erwähnung. Und als ob damit die Namensverwirrung nicht schon genug wäre, hat bereits ein anderes deutschsprachiges Rollenspiel vom Titel Gebrauch gemacht. Aber als echte Jünger lassen wir uns von solchen Schwierigkeiten natürlich nicht entmutigen.

Die Grundidee des Buches ist damit schon umrissen. Wie in einigen anderen Rollenspielen bespielen wir eine Welt, in der der cthuloide Horror real ist. Anstatt uns aber den dunklen Mächten und seinen Verbündeten entgegenzustellen, wollen wir die schrecklichen Geheimnisse zu unserem eigenen Vorteil nutzen. Dieser Perspektivwechsel darf nicht falsch verstanden werden. Einen unaussprechlichen Kult zu spielen bedeutet nicht, dass wir uns in sadistischen Anbetungen des Grauens verlieren, sondern einen anderen Umgang mit der Realität des Mythos gefunden haben. Gleich zu Beginn des umfangreichen Grundregelwerkes wird klargestellt, dass wir nicht notwendig "die Bösen" spielen, sondern uns von klassischen Investigatoren dadurch unterscheiden, dass wir das Wissen des Mythos zu unserem Vorteil nutzen wollen. Wir mögen selbstsüchtig und skrupellos sein, können aber auch einfach nur eine wissbegierige Forschergruppe verkörpern, welche die Geister die sie rief nicht mehr so recht loswerden kann. Damit ist ein ungewöhnliches Setting vorbereitet, dass auch für längere Kampagnen funktionieren kann und sich dabei deutlich von anderen Rollenspielen um den Cthulhu-Mythos abhebt.

Das Spiel hebt sich aber nicht nur durch den Perspektivwechsel, sondern auch durch die Aufbereitung des Mythos ab. Zum Ersten spielen wir statt in den 20ern im gegenwärtigen Informationszeitalter. Zwar gibt es bereits Cthulhu-Bände, die im "Now" spielen, das Setting der Unaussprechlichen Kulte legt aber einen leicht anderen Blick auf den Mythos an, was sich bereits an den wunderbar illustrierten Monstren und unseren etwas überzeichneten Charakteren zeigt. Zwar setzt das Spiel darauf, unsere Welt mit dem Mythos zu verschmelzen, das geschieht aber auf eine freiere Weise. Wir verkörpern keine möglichst realistischen einfachen Menschen, die dem Horror hilflos ausgeliefert sind, sondern einen Kult mit außergewöhnlichen Kräften. Das Setting und Spielgefühl lässt sich eher als etwas ernsthaftere Urban Fantasy beschreiben, denn als realistischer Horror.

Von unaussprechlichen Kulten

Dreh- und Angelpunkt einer Kampagne von Unaussprechliche Kulte sind die titelgebenden Kulte. Noch vor der Charaktererstellung erstellen wir gemeinsam eine Gruppe von Menschen, die mit dem Mythos in Kontakt gekommen und von ihm fasziniert sind: Einen Kult. Der kann sich nah am Klischee einer okkultistischen Sekte bewegen, aber auch die erwähnte Forschergruppe, skrupellose Börseninvestoren, Umweltaktivisten oder eine Zirkustruppe sein.

Um diesen Kult zu erstellen, bekommen wir einige Hilfestellung an die Hand. Neben Beispielen und Erläuterungen zur Struktur von Kulten erstellen wir unsere Gruppe anhand von vier Eigenschaften (Ressourcen, Einfluss, Wissen und Größe), sowie einem Konzept und einer Motivation. Statt bloße Zahlen zu verteilen spezifizieren wir außerdem die Werte durch eine kurze Beschreibung und entwickeln zusätzlich Meilensteine, womit schnell ein lebendiger Kult erschaffen werden kann. Dieser fügt sich sogar ins Regelsystem ein. Die Eigenschaften des Kultes können auch im Spiel genutzt werden, indem etwa Einfluss oder Ressourcen des Kultes für Proben verwendet und die Beschreibungen als Aspekte aktiviert werden. Damit wären wir beim Regelsystem angekommen …

Das Hitos-System

Als Regelsystem setzt Unaussprechliche Kulte auf das Hitos-System. Das bisher nur in Spanisch zugängliche Regelsystem verbindet ein innovatives 3W10-Würfelsystem mit einigen Aspekten von Fate. Dabei ist die Grundüberlegung des Spiels nicht allzu ungewöhnlich. Wir finden zwar kurze Erläuterungen über Erzählrechte, die Regeln greifen dies aber schwächer als viele Erzählspiele auf und auch Szenenstrukturen bleiben ganz bei der Spielleitung. Hitos will einen Mittelweg zwischen klassischem Rollenspiel und narrativem Erzählspiel einschlagen und kann vielleicht genau dadurch für manche Gruppen ein guter Schritt in Richtung narratives Rollenspiel sein:

Aspekte

Das Hitos-System ist fraglos von Fate inspiriert, einem Rollenspiel, das eine stärker narrativ orientierte Spielweise populär gemacht hat. Die hier entscheidende Idee ist der Einsatz von Aspekten und eine gewisse Freiheit im Verwenden und Beschreiben von Fertigkeiten und Eigenschaften. Für Hitos bedeutet das, dass ein recht klassisches Gerüst an Spielwerten mit beschreibenden Sätzen verbunden wird. So verfügen Charaktere über vier Attribute und Fertigkeiten in sieben, durch Symbole dargestellte Kategorien. Sowohl Attribute als auch Fertigkeiten werden nicht nur mit Werten versehen, sondern von der Spielerin selber mit einem erklärenden Wort oder Satz beschrieben. Unser wissenshungriger Redneck – einer der sechs Beispielscharaktere – ist nicht einfach nur "Stark 4", sondern verfügt über "Eiserne Gesundheit" und seine "Reflexe 5" erweisen sich als "Nerven wie Drahtseile". Seine Heimlichkeitsfertigkeit heißt "Barmherzige Lüge" und seine Sportlichkeitsfertigkeit ist "Hiking". Auch wenn die meisten Proben im Spiel einfach Würfe auf etwas wie "Reflexe – Sportlichkeit" durchgeführt werden, geben diese Schlagworte oder Sätze dem Charakter nicht nur etwas Farbe, sondern können im Spiel durch den Einsatz von Dramapunkten aktiviert werden. So aktivierte Aspekte erlauben es besonders gute Probenergebnisse zu erzielen oder Erzählrechte zu erwerben, kurzum: Fakten in der Spielwelt zu etablieren. Die Spielerin entscheidet dabei weitgehend selber, wann ein Aspekt passend eingesetzt werden kann und der Einsatz der Dramapunkte verhindert, dass eine weit gefasste Fertigkeit unbegrenzt oft genutzt wird. Auf der Kehrseite können sich Aspekte auch negativ auswirken, was den Charakter mit schlechteren Ergebnissen und einem Dramapunkt belohnt. Die Idee ist ebenso einfach wie genial: Statt vor dem Spiel Punkte für Vor- und Nachteile ausgeben zu lassen, obwohl sich manche Vor- oder Nachteile vielleicht nie auswirken werden, verbrauchen oder generieren Aspekte erst im Spiel Dramapunkte. So wird nur das belohnt, was wirklich ins Spiel kommt und kann sich sogar ein vermeintlich positiver Aspekt als negativ erweisen oder anders herum. Vielleicht kann mein ängstlicher Charakter gerade durch seine Angst bei anderen Personen Vertrauen erwecken oder besonders vorsichtig vorgehen? Auch sonst sind der Kreativität wenig Grenzen gesetzt. So können auch Umgebungen oder Gegner Aspekte haben, die genutzt werden können.

All das ist allerdings keine Besonderheit der Unaussprechlichen Kulte allein, sondern folgt weitgehend der Fate-Philosophie, die im vorliegenden Regelbuch auch nur begrenzt vermittelt werden kann. Besonders ist das Hitos-System vielmehr dadurch, dass es diese Aspekte mit einem ungewöhnlichen Würfelmechanismus verschränkt …

Würfelwürfe

Auf der Regelseite werden im wesentlichen Proben zum Überwinden von Hindernissen und Kämpfe geregelt. Das dabei zur Anwendung kommende Probensystem hebt sich aber deutlich von vielen bekannten Rollenspielen ab: Die Grundidee ist, dass wir bei jeder Probe drei zehnseitige Würfel (also: 3W10) werfen. Statt diese allerdings als W 1.000 zu interpretieren, bringen wir die drei Ergebnisse in eine aufsteigende Reihe und erhalten dadurch einen Unteren (U), Mittleren (M) und Oberen (O) Wert. Ein Wurf von einer 4, 3 und 6 ergibt also den Satz  3 (U) | 4 (M)| 6 (O). Bei einer einfachen Probe betrachten wir nun den mittleren Wert auf den wir einen Attributs- und Fertigkeitswert addieren und mit einer von der Spielleitung oder einem Gegner gesetzten Schwierigkeit vergleichen. Was sich wie eine gescheiterte Matheformel liest, dürfte nach einigen Würfen schnell von der Hand gehen und ermöglicht einige ungewöhnliche Spielereien. Zum Ersten tritt durch diese 3-Würfel-Regel eine Stabilisierung von Würfelergebnissen ein. Es braucht schon Paschs, um eine 1 oder 10 als M-Wert zu erhalten. Spannender als diese stochastische Eigenschaft ist hingegen, dass die anderen Würfel für manche Effekte hinzugezogen werden. So wird etwa zur Bestimmung von Kampfschaden je nach Waffentyp der untere Wert (etwa: Waffenloser Angriff), das mittlere Ergebnis (leichte Nahkampfwaffen), der obere Wert (etwa ein Baseballschläger) oder bei Fernkampfwaffen sogar eine Summe mehrerer Werte zur Schadensbestimmung genutzt. Auch für den Verlust geistiger Stabilität wird auf ähnliche Weise auf die anderen Werte zurückgegriffen. Das spart einen separaten Schadenswurf und erzeugt spannende Wechselspiele zwischen Probenerfolg und "Qualität" einer Probe.

Besonders interessant wird eine Probe, wenn eine Spielerin einen Aspekt aktivieren kann, indem sie Dramapunkte einsetzt. Kommt ein eigener, positiver Aspekt zum Einsatz, dürfen beliebig viele Würfel neu geworfen werden und es wird der O-, statt der M-Wert genutzt. Außerdem werden in diesem Fall Paschs aufaddiert und können den O-Wert ersetzen. Eine 4 | 4 | 7 würde also bei Aspekteinsatz einen O-Wert von 8 (4+4) ergeben. Werden negative Aspekte aktiviert, wird das Prinzip umgekehrt. Es kommt der U-Wert zum Einsatz und ein Pasch wird sogar abgezogen. Die genaue Berechnung liest sich komplizierter als sie ist, wird am Anfang aber noch zu Fragen führen und leider sind auch genau diese Passagen im Regelwerk etwas uneindeutig. Grundsätzlich erlauben uns Aspekte also auf die extremeren Würfelergebnisse (U und O) zuzugreifen und durch Paschs über die üblichen Werte hinauszugehen. Zwar kann ich hier nicht aus der Praxis sprechen, diese Regel dürfte Aspekten aber eine deutlich stärkere Bedeutung als bloße Neuwürfe geben und rechtfertigt dadurch den Mehraufwand. Allerdings zeigen sich hier auch erste kleine Ungereimtheiten. So kommt die Schadensermittlung hier an seine Grenzen. Eine vollwertige Nahkampfwaffe profitiert durch die Anwendung des O-Wertes massiv von einem Aspekteinsatz, während eine Waffe, die nur den U-Wert nutzt, kaum Vorteile davon haben wird.

So interessant und erfrischend ich die Verwendung der drei Würfel finde, die Eigenaussage, ein regelarmes System zu sein, kann ich nicht bestätigen. Das Hantieren mit drei Werten und der Umgang mit Paschs sind nicht sofort eingängig und auch die Regeln für geistigen und physischen Schaden sind alles andere als leichtfüßig. In drei Zeilen wird Schaden abgetragen, der sich in vergänglichen und konsolidierten Schaden unterteilt, was durch Schrägstriche oder Kreuze dargestellt wird. Nach einer Szene wird dann die Hälfte des durch Schrägstriche dargestellten Schadens geheilt und die andere Hälfte konsolidiert. Das ist durchaus durchdacht, aber kann längst nicht mehr als besonders regelarm gelten. Etwas irritiert hat mich auch die Zuteilung von Fertigkeiten mittels kleiner Symbole. Auf dem Charakterbogen oder im Regelwerk mag dies gut aussehen, im Spiel selber muss aber über die Fertigkeitsgruppen gesprochen werden, was durch Symbole nur erschwert wird. Und auch beim Lesen musste ich das ein oder andere Mal blättern, was welches Symbol denn genau meint. Hierdurch soll vermutlich der Fokus auf die selbstgewählten Beschreibungen der Fertigkeiten gelegt und der Charakterbogen übersichtlich gehalten werden, im Spiel dürfte die Symbolik aber eher hinderlich sein.

Aufmachung und Umfang

Mittlerweile sehen Rollenspiele einfach schick auf. Das vollfarbige Buch von Truant muss sich dabei schon in der Vorab-PDF nicht verstecken. Die Seiten sind durch Infoboxen aufgelockert, Kurzgeschichten wurden auf antiquarisch anmutende Buchseiten gedruckt und das Monsterkapitel versinkt sogar in sattem Schwarz. Durch das Buch zu blättern macht einfach Spaß. Dazu tragen auch die zahlreichen Illustrationen bei, die durch eine zwischen Comicstil und Realismus schwebende eigene Interpretation des Cthulhu-Mythos überzeugen können.

Auch der Umfang des fast 300 Seiten umfassenden Buches lässt keine Wünsche übrig. In hilfreich strukturierten Kapiteln erfahren wir alles über Charakterbau und Regeln und kriegen einen weitreichenden Einblick in die Spielwelt. So finden sich Hinweise zum Mythos und dem Erstellen eines eigenen Kultes, Werte und umfangreiche Beschreibungen für cthuloide Widersacher, eine Konvertierungshilfe für Geschöpfe aus dem Cthulhu-Rollenspiel, 20 Seiten Spielleitertipps und zwei ausgearbeitete Abenteuer. Ganze zehn Kurzgeschichten führen darüber hinaus erzählerisch in die düstere Welt von zeitgemäßem Lovecraft-Horror.

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