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Träume voller Schatten

Wenn Alptraum auf Wirklichkeit prallt

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Kategorie: Literatur

Patrick ist Model. Na ja, er möchte eines werden, daher pflegt er sein Aussehen mit äußerster Sorgfalt. Als er bei der Auswahl zu Germanys Next Topmodel – Men auftritt, steht der Kurs auf Erfolg. Bis zu einer Begegnung, die sein Leben verändert.

Patrick ist zu Höherem berufen als einer einfachen Arbeit als Lagerarbeiter oder Verkäufer. Daher sieht er es eher als Last an, jeden Morgen aufstehen zu müssen, um solch niedere Arbeiten zu verrichten. Auf dem Weg zu seinem aktuellen Job trifft er zudem ständig auf diese nervige kleine Gans Melissa, die sich ihm quasi an die Fersen heftet. Vermutlich, weil er so schön ist. Richtig verübeln kann er es ihr ja nicht, wenn sie nur nicht so nervig wäre. Bei der Vorauswahl zu Germanys Next Topmodel Men will er endlich seine Modelkarriere starten, um dem ganzen nieder-weltlichen Firlefanz entkommen zu können. Als er fast schon das Ticket zur Modelvilla in den Händen hält, muss er allerdings nochmal aufs Klo. Und auf dem Weg dorthin ändert sich alles. Statt um das Foto für die nächste Runde, kämpft Patrick plötzlich ums nackte Überleben.

Vorsicht – Harter Tobak!

Auch die Geschichte um Patrick und seine Träume schneidet – wie nahezu alle Adaptionen der Märchenspinnerei – ein äußerst ernsthaftes und sensibles Thema an: Sexuellen Missbrauch und seine Folgen. In detail- und bildgewaltigen Kapiteln beschreibt Christina Löw, was mit einem missbrauchten Seelchen geschieht und mit welchen Herausforderungen und Alpträumen es sich auseinandersetzen muss. Verdrängung, Konfrontation und der Weg aus dem Trauma werden in den Kontext des Märchens Zwerg Nase gesetzt und somit lesebereit abgemildert, ohne an ihrer Ernsthaftigkeit zu verlieren. Ganz märchengerecht muss Patrick zunächst stürzen und sich mit all seinen Ängsten und Alpträumen konfrontieren, um dann zu einem höheren Selbst aufzusteigen und als Held der Geschichte zu einem Happy End gelangen zu können. Und auch in Träume voller Schatten wird ein theoretisch-fantastischer Rahmen geboten, um sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, das in unserer Gesellschaft gerne verdrängt, tabuisiert oder schlicht totgeschwiegen wird.

Meerschweinchen, Gänse, Eichhörnchen und Co.

Träume voller Schatten enthält nahezu alle Elemente, die das Märchen Zwerg Nase von Wilhelm Hauff ausmachen. In einer fiktiven, psychischen zweiten Ebene, die sich innerhalb der Geschichte durch Realität und Träume hindurch zieht, werden die Schrecken, die Patrick in seiner verletzten Seele verdrängt hat, hervorgeholt, zu den bildgewordenen Folgen des Traumas adaptiert und mit psychischen Tendenzen in Beziehung gesetzt. Die neue Form des Zwerges geht mit dem Wunsch nach unauffälliger „Hässlichkeit“ einher, um nicht mehr begehrenswert zu wirken. Eichhörnchen und Meerschweinchen, die im Originalmärchen eigentlich selbst Opfer sind, hier aber an der Verdrängung nagen, werden somit selbst zu ungewünschten Angreifern, die bedrohlich wirken. Und nicht zuletzt tritt auch der eigentlich Verursacher der Psychose auf den Plan: Nicht als hässliches Weib, sondern als angsteinflößender Zombie, der mit gierigen Fingern genau in die seelische Wunde bohrt, die Patrick eigentlich als längst abgehakt glaubte. Selbst die Gans, die ebenfalls in der Traumwelt gefangen ist, steht mit Rat und Tat zur Seite, wenngleich sie in der fiktiven Realität wohl auch in anderer Gestalt auftaucht als in der eines schnöden Federviehs.

Fazit

Träume voller Schatten hat mir rundherum gut gefallen. Nicht nur, dass ein solch tabuisiertes Thema auf den Plan gerufen wird, sondern auch die zarte, aber doch schonungslos konfrontierende Art, mit der es behandelt wurde. Mit fantastischen Elementen wird den Konsequenzen und teils „unschönen“ Wahrheiten zu Leibe gerückt, die mit dem Thema sexuellen Missbrauchs einhergehen und vor denen sich die Gesellschaft nur allzu gerne drückt. Für Betroffene ist das Thema und die Umsetzung sicherlich zwischendurch harter Tobak, doch das Weiterlesen lohnt sich, denn natürlich dürfen wir bei einem Märchen immer auf ein Happy End und eine glückliche Auflösung hoffen. Naja, vielleicht nicht für jeden.

Als einzigen Kritikpunkt möchte ich aufführen, dass sich manches Kapitel etwas gezogen hat, und auch die ein oder andere Figur aus den Träumen ein wenig mehr Beachtung hätte bekommen können. Aber das ist mal wieder – wie von mir gewohnt – Meckern auf sehr hohem Niveau.

Offenlegung: Christina Löw schreibt und lektoriert für Zauberwelten-Online. Diese Rezension wurde unabhängig von inhaltlichen Vorgaben geschrieben. 

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