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Tales from the North­­

Larp in Westeros

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Kategorie: LARP

Wer ein Game of Thrones-Larp organisiert, steht nicht nur vor der Herausforderung, die komplexe Welt von George R. R. Martin zum Leben zu erwecken, sondern muss sich auch moralischen Fragen stellen und Grenzen des Spielbaren festlegen. Stefan Servos sprach für die Zauberwelten mit Armin und Clara, zwei der Organisatoren der vielgelobten Tales from the North-Cons, die im März 2013 mit A Dead Lord's Game (siehe Bericht in der LARPzeit #44) begannen und Februar dieses Jahres mit A Ghost from the Past fortgesetzt wurden. Das Setting ist etwa 20 Jahre vor der Buchhandlung angesiedelt und verzichtet auf Gastauftritte prominenter Westeros-Charaktere.

Zauberwelten: Wie kam es zur Idee, ein Game of Thrones-Larp zu veranstalten?

Armin: Die Idee stammt ursprünglich nicht von uns. Es gab eine Gruppe, die ein Eis und Feuer-Con organisiert hat, und dort habe ich unter anderem mit Rainer Fränzen, einem weiteren Mitglied der Tales­ from the North-Orga, ein eigenes Haus aus dem Norden bespielt. Vor Ort kam uns bereits der Gedanke, dass wir das machen wollen. Vor allem Rainer hat das Potenzial gesehen und gleich Ideen gehabt. Wir haben uns zusammengesetzt und uns ein Konzept überlegt. Wir hatten die Idee, dass wir alle Charaktere untereinander verknüpfen wollten und den Spielern vor dem Con Fotos der mit ihnen verknüpften Mitspieler zuschicken, damit man sich erkennt. Wir haben es da vielleicht ein bisschen übertrieben ...

ZW: Übertrieben?

Armin: Es wurden Spielern Fotos von anderen geschickt, die niemals auf dem Con auftauchten, damit sie die genauso als Teil ihres Hintergrundes wahrnehmen wie einen anderen Spielercharakter. Dadurch haben sie die ganze Zeit damit gerechnet, dass die Person eventuell auftaucht. Das hat unfassbar gut funktioniert.

ZW: Was unterscheidet eure Game of Thrones­-Cons von anderen Larps?

Clara: Wir haben keinen Plot im herkömmlichen Sinne, also keine Rätsel oder so, allein die Motivationen der Charaktere treiben das Spiel an. Jeder muss dann aber selbst Initiative zeigen. Die Spieler müssen ihre vorgegebenen Ziele selbstständig angehen. Ich glaube, dass unsere Cons mehr persönliche Emotionalität mitbringen. Die Spieler haben die Motivation, sich zu mögen oder zu hassen, was daran liegt, dass die Charaktere durch Fehden oder Liebeleien untereinander verknüpft sind. Der psychologische Faktor ist dadurch größer. Wir erschaffen diese Verbindungen auch unter Leuten, die sich im echten Leben gar nicht kennen.

Armin: Unser Ziel war es, während des Cons das Gefühl der Fernsehserie zu erschaffen. Auf vielen Cons ist man dis​tanziert, weil viele verschiedene Konzepte aufeinanderprallen. Wir nutzen die Serie als Vorlage, und jeder weiß, was für ein Gefühl dort herrscht. Durch die Verknüpfungen hatte jeder Charakter bei seiner Ankunft bereits Freunde und Feinde. Das ist eine Sandbox. Wir greifen als SL nur selten ein, um mit Hilfe der Festrollen-NSCs die Dramaturgie und das Tempo zu beeinflussen. Wenn sich beispielsweise plötzlich alle zu einig werden, versuchen wir, etwas Öl ins Feuer zu gießen.
Ein wichtiger Faktor war die Immersion, das Eintauchen in die Geschichte. In unserer Location, der Ehrenburg an der Mosel, gibt es fast keine out-time Gegenstände. Sogar die Hotelzimmer sind ambientig, die Bäder bestehen aus Holz und gemauerten Steinen.

Clara: Wir wollten, dass die Welt in sich geschlossen ist. Je weniger Brüche es gibt, des​to besser kommt man ins Spiel. Es gab keinen Charakter, der grundlos auf der Burg war. Jeder hatte irgendetwas dort zu tun und war dadurch involviert. Niemand war auf der Durchreise, nur um mal zu gucken.

ZW: Wie seid ihr mit Tabubrüchen umgegangen, insbesondere bei Themen wie Sex und Gewalt?

Armin: Bei den Vorbesprechungen hatten wir gesagt, dass wir mehr zulassen, aber wir wollten es nicht unbedingt fördern. Das Problem bei einer Reglementierung im Vorfeld ist, dass man dadurch erst die Leute inspiriert, das auszunutzen. Das haben wir bewusst umschifft.

Clara: Es gab beispielsweise eine Vergewaltigung und eine Folterszene, beide wurden nicht ausgespielt, sondern im Off besprochen. Die meisten haben gesagt: Ist doch klar, so etwas gehört zu dem Setting dazu, ist okay. Ein paar Spieler empfanden diese Themen aber als Grenzüberschreitung.

Armin: Man muss insbesondere mit der Thematik sexueller Gewalt sehr sensibel umgehen. Wir haben die Regel aufgestellt, dass eine Spielszene in diese Richtung ausschließlich vom Opfer vorgeschlagen werden darf. Das ist ganz wichtig! Denn in dem Moment, wo jemand das Opfer dazu drängt‚ Komm, wir machen jetzt diese Szene, das wird bestimmt ganz cool, ist jemand, der vielleicht schon in einer solchen Situation gewesen ist, womöglich nicht mehr in der Lage zu sagen: Nein, ich will das nicht. Wenn jemand dennoch darauf drängen würde, wäre das ein Regelbruch, der zum Ausschluss vom Con führen kann, gerade da wir so hart an den Grenzemotionen spielen. Wir haben den Gewaltaspekt zurückgeschraubt und an die Larp-Realität angepasst. Es ging uns auch nicht primär um extreme Darstellung von Sex und Gewalt, sondern eher um das unangenehme Gefühl, das dadurch erzeugt wird.

Clara: Wir hatten auch eine lange Diskussion, als es um Gewalt gegen eine Babypuppe ging, und waren innerhalb der Orga nicht einer Meinung. Ganz wichtig ist, dass extreme Situationen wie Folter oder Vergewaltigung bei uns nicht dem Selbstzweck dienen, sondern nur die Hintergrundmotivation für die Ereignisse liefern, die danach geschehen sollen.

ZW: Könnt ihr ein konkretes Beispiel dafür nennen?

Armin: Wir hatten beispielsweise einen Lord und seinen Sohn, die gekommen waren, um ihren Erbanteil einzufordern. In der Vorgeschichte, die von uns kam, sind sie der rechtmäßigen Erbin und ihrer Septa begegnet. Sie haben die beiden vergewaltigt, die Erbin getötet und die Septa aus Mitgefühl am Leben gelassen. Die Charaktere starteten also mit dem Wissen, was sie Schlimmes getan haben, und dass eines ihrer Opfer lebendig herumläuft. Wir hatten den beiden Spielern falsche Fotos der Charaktere geschickt. Beide wussten also, wie die Septa aussieht, die sie anklagen kann. Dieser Lord hatte immer ein Auge auf die Tür, weil er die ganze Zeit fürchtete, die Septa würde auftauchen. Aber das Foto zeigte eine Person, die gar nicht auf dem Con war, es sollte nur für Bedrohung sorgen. Der Spieler hat Blut und Wasser geschwitzt. Viele Spieler haben uns berichtet, dass sie sogar Tage vor dem Con schon ein Gefühl der Beklemmung hatten, was passieren würde.

Clara: Dafür braucht es keine extreme Gewaltdarstellung direkt im Spiel, es reichen Andeutungen, um die entsprechenden Emotionen auszulösen. Wir haben sehr eng mit den Spielern kommuniziert, um gemeinsam die Charaktere zu entwickeln. Manche hatten schon genaue Vorstellungen, andere waren offen für unsere Ideen.

Armin: Diese Bedrohung, dass es jederzeit eskalieren kann und gleich jemand stirbt, habe ich auf keinem anderen Larp zuvor so intensiv erlebt. Bei unseren beiden Game of Thrones-Larps sind etwa 30 Prozent der Charaktere gestorben – nicht durch die SL gesteuert, sondern durch die Spieler selbst inszeniert. Das ist eine sehr hohe Quote für Fantasy-Larps. Jeder Charakter, der stirbt, soll eine Bühne dafür bekommen, und alle anderen haben dann die Verpflichtung, darauf zu reagieren. Der Charakter bleibt in Erinnerung. Ein derart erlebter Charaktertod ist aus unserer Sicht wertvoller, als den Charakter über mehrere Cons vor dem Zelt am Grill sitzen zu lassen, weil man kein Risiko eingehen will.

Clara: Viele Spieler haben selbstständig entschieden, diesen Schritt zu tun. Das waren dann meistens wunderbare Szenen. Es geht mehr um die Inszenierung, als darum, den Charakter sicher durch das Spiel zu bringen. Wenn man weiß, dass man verstümmelt werden oder sogar sterben kann, dann entsteht ein bedrohliches Gefühl. Gewaltszenen sind nicht schön und sollten nicht übermäßig eingesetzt werden, aber dass sie möglich sind, macht einen wichtigen Teil der bedrohlichen Stimmung aus.

ZW: Das erfordert eine relativ hohe Kompetenz in Sachen Larp und einen gemeinsamen Konsens unter den Spielern. Wie erreicht man den?

Clara: Ein Faktor war sicherlich, dass unsere Cons aufgrund der Location relativ teuer sind. Dadurch sind nur Spieler anwesend, die sich intensiv vorbereiten und jede Sekunde nutzen wollen. Im Durchschnitt sind die Spieler etwas älter, wobei ich von vielen Neulingen überrascht war, die verdammt gut gespielt haben. Ich schätze, dass sie unser Konzept leicht annehmen konnten, weil sie bis dahin einfach nur dieses eine Konzept kennengelernt hatten.

Armin: Wir haben viele erfahrene Larper dabei, die teilweise seit 25 Jahren spielen und im Spiel sehr differenziert sein können. Wir haben auch viele erfahrene Spieler aus unserem Bekanntenkreis bewusst dazu geholt. Ein wichtiger Faktor ist, dass wir die Rollen zum Teil vorgeben. Viele entwerfen normalerweise Charaktere, in die sie unterbewusst Eigenschaften einfließen lassen, die sie an sich gerne sehen würden. Wir schreiben für die Spieler aber Figuren, die im Hintergrund Perversionen oder vor kurzem eine brutale Vergewaltigung und Morde begangen haben, womit sie dann vor Ort konfrontiert werden. Dadurch werden sie total aus ihrer Komfortzone gerissen, und es entsteht eine ganz irre Mischung aus persönlicher Identifikation und emotionalem Spiel, woraus cineastische Szenen entstehen können.

ZW: Kamen die Spieler zu euch, um bewusst eine Grenzerfahrung zu erleben?

Clara: Jein. Was die Spieler auf jeden Fall erleben wollten, waren starke Emotionen und das Ambiente von Westeros. Die Gewalt stand nicht im Vordergrund.

Armin: Die Immersion war uns wichtig. Wir hatten heftige Szenen, in denen Leute im Spiel innerlich emotional gebrochen sind. Es sind echte Tränen geflossen.

ZW: Was motiviert die Spieler, so aus ihrer Komfortzone gerissen zu werden?

Armin: Sie wollen in einem sicheren Rahmen Dinge erleben, die sie in der Realität nicht erleben möchten. Aber die Erinnerungen, die durch Szenen im Larp kons​truiert werden, sind echt: Du hast Angst gehabt, Du warst in der Situation. Die Bilder, die Gerüche, das war alles echt.

Clara: Man sucht nach einer Herausforderung und den eigenen Grenzen. Aus psychologischer Sicht ist es spannend, was da passiert. Teil des Konzepts ist, dass wir uns nach dem Con austauschen, um das Erlebte zu verarbeiten. Aber auch schon während des Spiels haben die Spieler die Möglichkeit, mit uns über das Erlebte zu sprechen.

ZW: Zwei Cons habt ihr schon erfolgreich umgesetzt, wird es einen dritten Teil geben?

Armin: Wir haben lange überlegt, weil es schon einen enormen Aufwand bedeutet, für jeden einzelnen der 60 Spieler sechs Seiten Charakterhintergrund zu schreiben, der ungefähr sechs bis 12 Verknüpfungen pro Person enthält. Wir haben zu dritt drei bis vier Monate daran gearbeitet. Aber ja, wir haben uns entschieden, dass es sich lohnt. Es wird also ein drittes Con geben. A Matter of Loyalty findet vom 19. bis 21. Februar 2016 auf der Ehrenburg statt.

ZW: Wir sind sehr gespannt darauf. Vielen Dank für das Interview!
Fotos: Armin Saß

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