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Tales from the Loop

Ein illustrierter Roman

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Kategorie: Literatur

Die Mälarinseln im Jahre 1961. Nachdem die Sowjetunion eher zufällig den "Magnetrineffekt" entdeckt hat, beginnen die Bauarbeiten am hochambitionierten Teilchenbeschleuniger. Meist einfach „Der Loop" genannt. Ganze 25 Jahre – von 1969-1994 – sollten die Svartsjölandet und Göholmen zum Ort faszinierender Experimentalphysik werden und neben den üblichen magnetrinbetriebenen Gleitschiffen und Robotern spannende und beängstigende Anomalien hervorbringen. Nicht nur Forscher*innen, sondern auch ganz normale Kinder wie Simon und Olof verbringen in Nähe des Loops ihren Alltag und nehmen uns mit Erzählungen aus ihrer abenteuerlichen Kindheit auf eine Reise in dieses nicht ganz so normale Schweden.

Mit diesem einzigartigen Retrofuturismus hat der schwedische Künstler Simon Stålenhag voll den Nerv der Zeit getroffen. Was mit dem vorliegenden illustrierten Roman seinen Anfang nahm, konnte sich schnell über Sprach- und Genregrenzen hinweg entwickeln. Die phantasieanregende Welt kann bereits seit einigen Jahren als Grundlage für ein gleichnamiges Rollenspiel begeistern und erreicht nun sogar als Fernsehserie die breitere Öffentlichkeit. Das ist nicht nur ein perfektes Timing für die deutschsprachige Lokalisierung des Rollenspiels und eine Brettspielumsetzung, sondern auch, um sich die bei Fischer TOR veröffentlichte Buchvorlage einmal näher anzuschauen …

Ein illustrierter Roman?

Hinter dem zum kleinen Hype gewordenen Buch steckt eine eigentümliche Mischung aus Illustration und Text. Das im Deutschen als „illustrierter Roman“ beworbene Buch versammelt etwa 25 Kurzgeschichten, welche die kindlichen Abenteuer vom Protagonisten (Stålenhag selber?) und seinem Freund Olof rund um den Loop erzählen. Die einzelnen Geschichten erstrecken sich dabei selten über mehr als eine Seite. So ist wenig Platz für Charakterentwicklung, spannende Plots oder allzu komplexe Mysterien. Statt mit echten Kurzgeschichten oder gar einem Roman, haben wir es hier tatsächlich mit Tales zu tun, kurzen Erzählungen in denen weniger die Charaktere als die retrofiktive Welt im Mittelpunkt stehen. Wir lernen etwas über Wartungsarbeiten am Reaktor, Gerüchte über einen Schrottplatz oder wie sich eines der Kinder beim Spielen an einem technischen Gerät verletzt. Die Intensität der Geschichtchen ist dabei – vor allen Dingen im Verhältnis zur Serie – relativ gering. Zwar existieren Raum- und Zeitportale, streifen Dinosaurier um die Häuserecken und säumen technische Artefakte den Wegesrand, die dienen jedoch als Abenteuerspielplatz oder werden in der Form von Gerüchten präsentiert und könnten auch den Übertreibungen der Kinder entspringen. So schließen ein paar Kinder, die sich an einem umgestürzten Eiswagen die Bäuche und Münder vollschlagen können, etwa darauf, dass der Wagen nur von Dinosauriern umgestoßen worden sein könnte. Gesehen hat die Dinos aber niemand und das Eis ist eh viel interessanter als prähistorische Geschöpfe ... 

Die Szenerien und Geschichten sind gleichzeitig ganz alltäglich und surreal

Dadurch unterscheidet sich die Buchvorlage deutlich von der Serie. Auch wenn sich einige der Geschichten bereits im Buch angelegt finden, legt die Serie ein stärkeres Augenmerk auf das jeweilige Mysterium und reizt dieses mit seinen Konsequenzen auf. Im Gegensatz zum weitgehend naiven, positiven – wenn auch häusliche Gewalt oder Verwahrlosung nicht ganz ausblendenden –, kindlichen Blick des Buches wird in der Serie ein deutlich erwachsenerer, düstererer und vor allen Dingen deutlich langsamerer Blick entgegengesetzt. Beides sind legitime Versionen des Loops, Kenner der Serie werden im Buch aber einen anderen Loop zu Gesicht bekommen, in dem Mysterien erst einmal Anlass zur Faszination sind und keine Sinnkrisen auslösen.

Weltenbau

Statt tiefgreifender Geschichten setzt sich im Roman eine faszinierende Welt wie ein Mosaik zusammen. Entscheidend dafür sind die großformatigen Illustrationen vom Autor selber, die weit mehr als die Hälfte des Buches einnehmen. Sie illustrieren die Geschichten, nehmen gekonnt Andeutungen der Erzählungen auf, führen diese weiter oder laden manchmal auch einfach nur zum Verweilen ein. Der realistisch gehaltene Stil zieht uns in den Sog der Welt und verleiht ihr Glaubwürdigkeit. Die technischen Innovationen der vergangenen Mälarinseln sind zwar höchst fiktiv, aber doch so nah am Vorstellbaren, dass sie möglich erscheinen. Die präsentierten Roboter und Schwebeschiffe sind zwar auch heute noch Fiktion, aber fügen sich perfekt in eine Retroästhetik ein und sind für die Kinder so selbstverständlich, dass wir ihre Existenz leicht hinnehmen. Dazu trägt auch der alltägliche Blickwinkel der Geschichten bei und die Anreicherung mit geschichtlichen „Fakten“ und Konzeptskizzen. Für ein paar Seiten hat man dabei fast das Gefühl, ein Rollenspielquellenbuch in der Hand zu halten. Und tatsächlich wurden viele der Skizzen auch fürs gleichnamige Rollenspiel übernommen. Anders als die Serie betont das Rollenspiel die kindliche Perspektive und breitet eine Abenteuerlandschaft vor, die erkundet werden will. Der Loop wird hier als Hintergrund für eine Kids-on-Bikes-Erzählung im Stile von Stranger Things genutzt, nur das statt bedrohlichem Ungetüm eine Reihe an technischen und zeitlich-paradoxen Mysterien im Mittelpunkt stehen. Ja, unsere kindlichen Charaktere können nicht einmal sterben und Erwachsene sind außer Reichweite.

Stellenweise darf es dann doch sehr futuristisch werden

Die deutschsprachige Ausgabe

Um die einzigartige Mischung aus Text und Bild angemessen umzusetzen, wurde auf ein fast quadratisches Großformat mit edler Leinenbindung gesetzt. Die Qualität hat zwar seinen Preis, macht das Buch aber auch zu einem wahren Lesegenuss. Dem entspricht auch die erstklassige Übersetzungsarbeit von Stefan Pluschkat, dem es gelungen ist, dass man dem Text an keiner Stelle  anmerkt, dass er kein deutschsprachiges Original ist. Die Tales from the Loop haben bei FISCHER Tor ihren würdigen Platz gefunden, wenngleich man dem Buch auch eine kostengünstigere Ausgabe wünscht. Insbesondere da es auf Grund der kurzen Textblöcke schneller fertig gelesen ist, als einem lieb ist.

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