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TIME-Stories Revolution: Das Hadal-Projekt

Revolution in der Agency?

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Kategorie: Brett- und Kartenspiele

Als T.I.M.E.-Stories 2015 das Licht der Spielewelt erblickt hat, war es eine kleine Revolution. Mit T.I.M.E.-Stories hat ein Spiel die breite Brettspielwelt erreicht, bei dem statt Ressourcenmanagement und Siegpunktjagd die Story im Mittelpunkt steht. Ein Spiel, bei dem wir fast wie in einem Rollenspiel in die Haut von Charakteren schlüpfen und ein einmal spielbares Abenteuer lösen.

Auch knappe fünf Jahre später hat sich daran wenig geändert. Zwar sind storybezogene Spiele deutlich populärer geworden, der Vorreiter T.I.M.E.-Stories hat aber immer noch einen festen Platz in vielen Spieleregalen.

2020 kündigt sich nun eine zweite Revolution an. Nachdem die erste Staffel (die "weiße Reihe") zum Abschluss gekommen ist, wurde mit TIME-Stories Revolution (jetzt auch kein Akronym mehr) ein Reboot unternommen, der zwar am Grundprinzip festhält, aber einiges anders macht.

In TIME-Stories verkörpern wir Agenten der T.I.M.E.-Agency; einer mächtigen Gesellschaft mit der Aufgabe, Anomalien im Zeitkontinuum aufzuspüren und zu beheben. Dazu werden wir in kritische Ereignisse der Geschichte und Zukunft geschickt, in denen wir in die Körper von Zeitgenossen (sogenannten Wirten) schlüpfen und auf die Geschehnisse Einfluss nehmen können. Was etwas abgedreht klingt, ist ein geschickter narrativer Schachzug, um uns eine Kampagne mit einer besonders breiten Palette an Szenarios zu ermöglichen. So konnten wir in der ersten Staffel etwa den Sonnenkönig treffen, die Manson-Morde beobachten und inmitten einer Zombieapokalypse rettend eingreifen. Außerdem waren die Wirtskörper die perfekte Antwort auf eine eher seltsame Eigenheit der Spiele. So sind die Missionen der ersten Staffel so ausgelegt, dass wir sie nicht in einem Durchgang erfolgreich bewältigen konnten, sondern mehrere Anläufe brauchen und die Mission nur bewältigen können, indem wir die in den ersten Durchgängen gesammelten Erfahrungen für bessere Entscheidungen nutzen. Würden wir direkt historische Figuren verkörpern, wäre weder eine epochenübergreifende Kampagne möglich, noch wäre plausibel, warum wir uns beim Neustart an vorherige Durchgänge erinnern.

Mit Azrak durch die Zeit

Trotz einiger Änderungen ist das Grundprinzip auch in der zweiten Staffel gleich geblieben. Über eine kleine Minimap besuchen wir in unseren Wirtskörpern verschiedene Orte, die als hübsch illustriertes Panorama auf mehreren Karten dargestellt sind. Von diesen Karten wählen alle Spieler*innen je eine Karte aus, deren Rückseite sie sich dann gleichzeitig anschauen dürfen. Hier können wir mit Personen interagieren, Objekte finden, Proben absolvieren und Hinweise sammeln. So entdecken wir neue Orte und neue Puzzleteile und finden am Ende (hoffentlich) einen Weg, um die Zeitanomalie zu verhindern.

Alle Spielinformationen werden auf Karten und mit Markern dargestellt, sodass ein Spielplan entfallen kann. In der Mitte sehen wir eine der Panoramaszenen.

Davon abgesehen hat die zweite Staffel allerdings ein rundum überarbeitetes Regelgerüst bekommen. Am markantesten ist der Verzicht auf eine Zeitleiste. Haben wir in der ersten Staffel noch auf einer langen Leiste nachhalten müssen, wie viel Zeit uns bis zum nötigen Neustart bleibt, nutzen wir in der zweiten ein Aktionspunkte-System. Jeder Charakter verfügt nun über eine bestimmte Anzahl an Azrakpunkten, einer magisch-mystischen Energie, welche die Verbindung zwischen Agenten und Wirten repräsentiert und durch schöne Kristallsteinchen dargestellt wird. Diese Kristalle setzen wir nun ein, um andere Orte zu bereisen, Zusatzaktionen durchzuführen oder Probenchancen zu verbessern. Der Azrakeinsatz funktioniert äußerst gradlinig und ist schnell verstanden. Außerdem wird der Azrakeinsatz auch genutzt, um die Endwertung zu bestimmen. Wann immer unser Vorrat aufgebraucht ist, dürfen wir gegen einen Strafpunkt ein Update durchführen und unsere verbrauchten Zeitkristalle zurückgewinnen. Dadurch, dass wir Strafpunkte einfach in Form von Azrak auf einer Karte platzieren und besuchte Orte ebenfalls mit einem Stein abdecken, nimmt der Zeitdruck langsam zu, da wir bei Updates zunehmend weniger Azrak zurückerlangen. Das gelingt reibungslos nebenbei und ohne jeden Rechenaufwand. Im Hintergrund hat sich dadurch auch das Missionsdesign deutlich geändert. Ging es in der weißen Reihe darum, in ersten Durchläufen Informationen zu sammeln und dann den richtigen Weg zu identifizieren, wird das mehrfache Besuchen eines Ortes nun bestraft und sind mehrfache Durchgänge nicht mehr vorgesehen.

Insgesamt ist das Azrak ein sehr gelungener Mechanismus, der auch bei den nun anders funktionierenden Proben eingesetzt wird. Wurden Proben in der ersten Staffel noch mit Würfeln durchgeführt, ziehen wir nun aus einem kleinen Kartenstapel Karten mit Modifikationen, die unseren Basiswert betreffen. Für vorher aufgewendeten Azrakpunkte können wir unseren Wert verbessern, wodurch etwas Taktik ins Spiel kommt.

Neues Verkaufsmodell

Beide Mechaniken kommen außerdem dem neuen Verkaufsmodell zu Gute. Statt einer teuren Startbox mit großem Spielplan und Holzsteinen, finden wir nun alles, was wir zum Spielen brauchen in einer kleinen und deutlich günstigeren Box. Das dürfte den schnellen Griff zur einzelnen TIME.-Stories Mission leichter machen.

Meines Erachtens fällt der Gesamteindruck des Materials dadurch sogar besser aus. Die Kristalle sind schick und statt auf universale Pappmarker aus dem Grundspiel zurückzugreifen, gibt es jetzt einen eigenen Stanzbogen pro Missionsbox, wodurch Geld, Ressourcen oder Bedingungsmarker viel passender gestaltet werden konnten.

Weitaus plastischer fallen auch die Wirte aus. Wählten wir in Staffel 1 noch für jeden Durchgang aus vielen verschiedenen Wirren aus und war die richtige Charakterwahl Teil des Rätsels, ist die Wirtsauswahl im Hadal-Projekt auf vier Charaktere beschränkt. Die haben dafür eine Ausrüstungskarte, eine Flashbackkarte (gewissermaßen ein geheimes Ziel) und einige Interaktionskarten verpasst bekommen. So verfügen die Charaktere über eine eigene Motivation und die Interaktionskarten sorgen ohne großen Regelaufwand dafür, dass die Umgebung in bestimmten Situationen unterschiedlich auf unsere Charaktere reagiert.

So legt die neue "blaue Reihe" ein rundum überarbeitetes Regelsystem vor, das nicht nur die Verkaufsstrategie verbessert, sondern auch dem Spiel selbst sehr gut tut. Verglichen mit dem etwas sperrigen Regelsystem der ersten Staffel, sind die Regeln von TIME-Stories Revolution wirklich eine Revolution und spielen endlich auf Höhe der Zeit mit.

Das Hadal-Projekt

T.I.M.E.-Stories lebt allerdings nicht durch seine Regeln, sondern die Missionen. Nach dem Promofall Damien (hier frei herunterladbar) ist mit dem Hadal-Projekt der erste große Fall für die neue Reihe erschienen. Diesmal geht es in eine von Überflutung bedrohte Unterwasserstation des Jahres 2099 N.Z. Das futuristische Unterwasserthema ist gelungen getroffen. Regeln für Tauchgänge, Sauerstoff, Boote und epische Kämpfe etc. sind ebenso gut integriert, wie die Illustrationen die Stimmung überzeugend vermitteln. Gute Illustrationen und die überarbeiteten Regeln haben dennoch nicht dazu geführt, dass meine Gruppe das Hadal-Projekt überzeugen konnte.Das hat mehrere Gründe.

Trotz nun deutlich besser ausgearbeiteter Wirte fällt die Identifikation mit den Charakteren äußerst dünn aus. Und die aus Spoilergründen hier nicht näher ausgeführte Handlung bleibt ebenso dünn und unmotiviert. Kontrahenten und das zu lüftende Geheimnis sind einfach zu austauschbar, woran selbst das interessante maritime Thema wenig ändern kann.

Das hat auch mit einem grundsätzlichen Problem des Spielprinzips zu tun. Im Endeffekt arbeiten wir uns als Team recht planlos durch die Panoramen. Es gelingt fast nie eine qualifizierte Entscheidung darüber zu treffen, welcher Ort zuerst besucht werden sollte, welcher Charakter welche Karte auswählen sollte oder welche Karten umgangen werden können. Die Panoramaillustrationen verraten zu wenig über die Effekte ihrer Rückseiten, um sinnvolle Entscheidungen treffen zu können. Eine einmal übersehene Karte kann außerdem zu mühsamen Reisen führen, weshalb man lieber eine Karte zu viel als zu wenig aufdeckt. Hier fehlen einfach Tiefe und Aha-Momente. Weder die Hintergrundgeschichten der Charaktere noch die Interaktionen mit den Karten geben Hinweise die unsere weiteren Schritte klarer machen. Nie haben wir das Gefühl, dem Spiel durch kluge Überlegungen einen Schritt voraus zu sein. Es fehlt also genau das Gefühl, das investigative Spiele so stark machen kann.

Auch wenn es sehr angenehm ist, dass wir nicht mehr die gleiche Geschichte wieder und wieder spielen müssen, fühlt sich auch das Hadal-Projekt am Ende wie ein kräftezehrender Marathonlauf an. Hier bleibt nur zu hoffen, dass andere Missionen mehr aus dem durchaus gelungenen Regelgerüst machen und sich das etwas planlose herumstochern nicht als grundlegendes Designproblem erweist. Der Promofall Damien hat jedenfalls gezeigt, dass das System mehr leisten kann.

Experience: Der Metaplot

Zusätzlich zum ersten Fall ist eine Experience-Box erschienen, welche die einzelnen Missionen über einen Metaplot zusammenführen soll. Da unsere Gruppe aus begeisterten Kampagnenspieler*innen besteht, haben wir uns die Box zusätzlich zum Rezensionsexemplar zugelegt. Der Ersteindruck der etwas mager gefüllten Box ist vielversprechend.

Die optionale Experience-Box ermöglicht es, die neue Staffel als Kampagne zu spielen.

Grundsätzlich erlaubt uns die Box nun auch, unsere Agenten zu entwickeln. So können wir etwa das Alien Rr‘Naam Laarnal oder den Aristokraten James Higgings verkörpern und über Fertigkeitskarten entwickeln, während uns Traumakarten als Strafe für schlecht bewältige Missionen das Leben schwerer machen. Durch die nun auch mit Leben gefüllten Agenten wird die Trennung zwischen Agent*in und Wirt*in deutlicher, allerdings entwickelt das Spiel dadurch schnell absurde Züge. Plötzlich sind wir drei Rollen am Tisch: Ich als taktisch entscheidende*r Spieler*in, mein*e Agent*in und der*die kontrollierte Wirt*in. Das ist nicht nur verwirrend, sondern wird spätestens dann sehr absurd, wenn wir dem Spiel eine Rollenspielebene verpassen wollen. Handeln wir dann als Agent*in oder Wirt*in? Würde unser als frauenfeindlich beschriebener Aristokrat in einen Frauenkörper fahren? Und wenn ja, wie wirkt sich sein aristokratischer Hintergrund auf diese Erfahrung aus? Fragen über Fragen, die im Spiel kaum Berücksichtigung finden können, aber die Absurdität der Situation vor Augen führen.

Zusätzlich zu den Charakteren liefert uns die Erweiterung eine Art Krisenmanagementsystem. Die narrative Idee ist, dass unserer Basis bei längerer Abwesenheit mehr (meist negative) Effekte widerfahren. So kommen die Traumata unserer Charaktere ins Spiel und so werden schlechter abgeschlossene Missionen bestraft. Spielerisch wird das durch eine recht simple Kartenlegemechanik umgesetzt. Nach einer langen Mission war das Basismanagement allerdings eher mühselig als interessant.

Auch wenn die Einzelteile für sich betrachtet durchaus gut umgesetzt sind, entsteht der Eindruck, dass hier eine Metaebene ergänzt wurde, die dem eigentlichen Spielerlebnis wenig hinzufügt. Auch wenn so ein Urteil nach nur einer Mission natürlich nur vorläufig sein kann, ist zu befürchten, dass das gleiche auch für den gesamten Metaplot gilt. So wurden schon die einzelnen Missionen der weißen Reihe über im Hintergrund stattfindende Konflikte zwischen verschiedenen Fraktionen der Agency und Widersachergruppierungen zusammengehalten. Diese Ebene war aber nur mit viel Mühe rekonstruierbar und hatte wenig Einfluss auf die eigentlichen Missionen. Statt ein Mosaik zu erzeugen, das am Ende ein Bild ergibt, wurde hier einfach eine weitere Ebene darübergelegt, die das Bild konfuser macht. Genau das zeichnet sich auch nach der ersten größeren Mission der vermeintlichen Revolution ab.

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