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Spiele-Comics: Sherlock Holmes

„Die vier Fälle“ und die „Moriarty-Akte“

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Kategorie: Literatur Pen & Paper

Ob Krimi-Dinner, BBC-Serie oder Escape Room: Detektivarbeit und der berühmte Londoner mit dem karierten Hut stehen zurzeit hoch im Kurs. Mit den Sherlock-Holmes-Spiele-Comics wird der zahme Rätselspaß direkt in unseren gemütlichen Lesesessel serviert. Pegasus hat die innovativen Comics aus Frankreich auf den deutschsprachigen Markt gebracht.

Fangen wir mit der grundsätzlichen Frage an, was ein Spiele-Comic genau ist. Die Grundidee liegt gewissermaßen auf der Hand. Das altbekannte Spielbuchprinzip wurde „einfach“ auf das Comicformat angewendet. Wer hier zum ersten Mal von einem Spielbuch hört, sei auf Wikipedia, oder besser noch die Seiten 13–15 der aktuellen Zauberwelten verwiesen. Ansonsten reicht es auch, zu wissen, dass wir die Holmes Fälle nicht linear, also nicht Seite für Seite, lesen, sondern es immer wieder Entscheidungsmöglichkeiten gibt.

Konkret bedeutet das bei Holmes Folgendes: Wir werden mit einer kurzen klassischen Comicgeschichte eingeführt und geraten dann irgendwann an eine Stelle, die mehrere Zahlen offenbart. Diese weisen auf nummerierte Panels hin, die wir nur lesen, wenn wir uns entscheiden, den jeweiligen Weg zu gehen oder ein nummeriertes Objekt näher zu betrachten. Klassischerweise wäre das ein Flur, der mehrere nummerierte Türen aufweist, oder eine Leiche mit Zahlen am Einschussloch, der Blutlache und einer fallen gelassenen Waffe. Vielleicht entdecken wir zudem noch eine etwas verstecke Zahl, die uns eine weitere Option anbietet, wie ein auffälliger Blutspritzer.

So spielen wir uns Abschnitt um Abschnitt bzw. Panel um Panel durch den Fall. Das Grundprinzip ist also nicht umwerfend neu, die Adaption des Spielbuchprinzips auf das Krimigenre ist aber äußerst gut gelungen. Jenseits der ganz grundlegenden Wegführung, also dem nichtlinearen Lesen, trennen sich nämlich die Wege von Spiele-Comic und Spielbuch. Während Spielbücher zumeist mit mehr oder minder komplexen Regeln daherkommen und so Kämpfe, Ressourcenknappheit und andere Hindernisse umsetzen, setzt der Holmes-Spiele-Comic voll auf Investigation.

Suchen und Befragen

Das sich der Krimi-Comic wie eine echte Investigation anfühlt, gelingt durch mehrere Aspekte. Zuerst wäre da ein kleiner Suchfaktor. Wie in einer richtigen Investigation, müssen die Szenen aufmerksam betrachtet werden, um etwaige versteckte Zahlen oder Hinweise zu finden. Das wird noch einmal durch ein kleines Suchspiel unterstützt. So sollen wir im ersten Band verstreute Schreibmaschinentasten finden, während wir bei der Moriarty-Akte versteckte Diamanten sammeln müssen. Diese Suchspiele sind zwar optional, belohnen aber aufmerksames Lesen und wirken sich auf die Endwertung aus.

Ein zweiter Aspekt sind Befragungen. In jedem Fall treffen wir auf eine Handvoll Verdächtige, die uns unterschiedliche Fragemöglichkeiten bieten. Hier will klug gewählt werden, da wir nur drei oder vier aus bis zu 10 Fragen stellen dürfen und wir die Personen sogar verärgern können, woraufhin sie uns jede weitere Antwort verweigern. Hier haben wir es dann doch mit „Regeln“ und „Ressourcenknappheit“ zu tun, die jedoch perfekt zum Thema passen und gleich im Geschichtsverlauf erklärt werden.

Zu guter Letzt sind in den Büchern verschiedene Rätsel verstreut, die nützliche Zusatzinformationen versprechen und das Knobelthema tragen. Ein nicht gelöstes Rätsel blockiert aber – anders als im Escape-Room – nicht unser Vorkommen, sodass auch keine Tipps nötig sind.

Durch Knobeln, Fragen und genaues Hinschauen wird das Krimithema perfekt umgesetzt, was zu einem ganz eigenen Spielgefühl führt. Die Spiele-Comics eignen sich so nicht nur für Spielbuchkenner, sondern auch für Gelegenheitsspieler. Das Prinzip ist so intuitiv, dass es ohne Vorkenntnisse nachvollziehbar ist und tatsächlich in drei Panels auf der Buchrückseite erklärt werden kann.

Aufmachung

Die optische Umsetzung der Bücher ist rundum gelungen. Das fängt beim robusten Hardcover mit glänzendem Reliefdruck auf Front und Rücken und hilfreichem Leseband an und gilt natürlich auch für die Innengestaltung. CEDs Zeichenstil ist locker und deutlich. Wir haben es nicht mit einem ernsten Sherlock zu tun, sondern seiner Comicversion. Auch die befragten Charaktere haben hohen Wiedererkennungswert und ihre Emotionen in Befragungen sind tendenziell etwas überzeichnet, wodurch das spielerische Thema gut unterstützt wird. Auch Rückblicke und die Nacherzählung des Lösungsteils sind farblich gut abgesetzt.

Insbesondere die Einbettung von Spielelementen ist äußerst gut gelungen. Die Zahlenverweise fügen sich in das Gesamtbild ein, sind wenn möglich Türschilder, Notizen auf Zetteln oder ähnliches. Auch versteckte Hinweise sind gut umgesetzt worden. Sie müssen zwar gesucht werden, sind aber nie unfair verborgen. Das gilt auch für die Suchobjekte die – einmal gefunden –, immer klar als solche zu erkennen sind. Dadurch müssen wir die Bilder aufmerksam betrachten, ohne dass das Erlebnis zu einem Wimmelbildspiel verkommen würde.

Die Zeichnungen finden einen guten Kompromiss zwischen Detailverliebtheit und Reduzierung auf das Wesentliche. Das wird zusätzlich durch die Konzeption der Fälle unterstützt. Aufmerksames Hingucken wird belohnt, ein übersehener Hinweis bedeutet aber nie das Ende einer Geschichte.

Überhaupt ist die gesamte Umsetzung des Buches äußerst durchdacht. Zuerst einmal wird Komfort großgeschrieben. Wer sich nicht ziert, im Buch zu malen, kann alle Notizen und Hinweise gleich dort vermerken; ein Blatt Papier tut es aber auch. Die Fälle werden zudem mit Lageplänen und den Kerninformationen eingeleitet.

Vom Spielbuch zum Comic

Auch der durchaus schwierige Transfer des Spielbuchmediums auf den Comic wurde durchdacht. Kann bei einem Spielbuch auch mal auf die gleiche Seite verwiesen werden, so wäre das bei einem Comic problematisch, da das Auge Bilder schneller erfasst als Text. Konsequenterweise wurden alle wichtigen Panels gut verstreut angelegt.

Ebenso ist das Problem, dass die Panelnummerierung naturgemäß schwerer zu finden ist als Spielbuchabschnitte, berücksichtigt worden. Jede Seite gibt statt einer Seitenzahl die Nummern aller Panels der Seite an, sodass wir uns sich fast so gut orientieren können wie in einem klassischen Spielbuch.

Mit anderen Worten: Optisch und Konzeptionell sind die Bücher eine rundum gelungene Angelegenheit.

Die Fälle

All die gute Konzeption steht und fällt mit den konkreten Fällen. Zur Zeit sind zwei Bände der Reihe auf Deutsch erschienen. Band 1 versammelt vier Fälle, die durch eine grobe Rahmenhandlung zusammengehalten werden und in weitgehend freier Reihenfolge bearbeitet werden können. Band 2, Die Moriarty-Akte, schließt an diese Abenteuer mit zeitlichem Abstand an und bietet eine noch enger verzahnte Geschichte. Die drei Fälle des zweiten Bandes sind zwar wiederum recht eigenständig, werden aber durch eine Zugfahrt und ein Leitproblem verknüpft.

Beide Bände sind dabei problemlos unabhängig voneinander spielbar, weshalb sie auch nicht durchnummeriert wurden. Wir haben also nie das Gefühl, dass etwas fehlt, auch wenn wir nach einem der beiden Bände vermutlich schnell zum anderen greifen wollen.

Die Fälle selber variieren in Umfang und Schwierigkeit, können aber allesamt mit einem angemessenen Schwierigkeitsgrad überzeugen, der auch von Krimineulingen nachvollzogen werden kann, selbst wenn wir nicht immer selber auf die Lösung kommt. Auch wem – wie dem Rezensenten – jegliche detektivische Gabe abgeht, kann also seine Freude mit den Büchern haben.

Dazu trägt nicht zuletzt die gelungene Auflösung der Fälle bei, die die zu rekonstruierenden Geschehnisse in Holmes' Erzählung retrospektiv zusammenfasst. So wird zumindest klar, wie wir auf die Lösungen hätte kommen können, und wir lernen gewissermaßen noch etwas hinzu. Die Fälle sind dabei allesamt logisch entworfen und wirken nicht sonderlich konstruiert, was im Genre leider keine Selbstverständlichkeit ist.

Wiederspielwert?

Einzig der Wiederspielwert bleibt etwas auf der Strecke. Einmal gelöst, verlieren die Fälle natürlich an Reiz, dennoch möchten wir vielleicht jeden Hinweis finden. Gerade wenn wir uns bei der Täterin vertun, wollen wir nachvollziehen, wie wir auf die Lösung hätten kommen können. So finden wir uns nach einem Fall schnell beim „Schummeln“ und auf der Suche nach übersehenen Hinweisen wieder, was allemal für die Abenteuer spricht.

Eine zusätzliche Motivation zum neuen Spielen ist die Möglichkeit Watson, Holmes oder – im zweiten Band – sogar Moriarty zu kontrollieren. Die Charaktere unterscheiden sich im Kern zwar nur durch eine unterschiedliche Anzahl möglicher Fragen, bieten aber in manchen Panels exklusive Optionen und Hinweise. Als Watson dürfen wir beispielsweise Leichen und Wunden genauer untersuchen, Moriarty stellt dafür nur wenige Fragen, darf aber einen verärgerten Zeugen bedrohen und so eine enthüllende Antwort herauspressen. Wer sich also in die Fälle vertiefen will, kann unterschiedliche Perspektiven einnehmen, ohne dass große Regeln vonnöten wären.

Die Sherlock-Holmes Comics lassen keine Wünsche offen. Das Prinzip Spiele-Comic oder vielleicht sogar besser Krimi-Comic ist stimmig und erschließt sich ab dem ersten Entscheidungspanel. Das Leseerlebnis ist so angenehm, wie wir es von Comics gewöhnt sind, und wird gekonnt mit etwas Suchen und Grübeln gepaart.

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