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Sieben Heere

Ein Dorf rüstet zum Krieg

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Kategorie: Literatur

Stell dir vor, es herrscht Krieg, und niemand bekommt es mit. Als plötzlich dreißig Soldaten und ein Gryph vor dem verschlafenen Dörfchen Hagetmau stehen, das inmitten des friedlichen Reiches Akitania liegt, weiß keiner der Bewohner so recht, was geschehen ist. Die Soldaten gehören zum Nachbarreich Nafarroa und verkünden auf dem Dorfplatz, dass Hagetmau nun selbst kein Teil Akitanias mehr ist. 

Ohne Schlacht, brutale Kämpfe oder auch nur einen Tropfen Bauernblut wurde Akitania eingenommen durch sieben gewaltige Heere, die sich in kleine Truppen zerteilten, damit jedes Dorf des Landes seine eigenen Besatzer erhält. Es herrscht ein stiller, friedlicher Krieg, dem sich die meisten Dörfer stumm beugen.

Doch obwohl Capitar Jerlo Angaszin alles versucht, die Besatzung so „anständig“ und schmerzlos über die Bühne zu bringen, wie eine feindliche Landübernahme nun einmal vonstattengeht, kann er nichts gegen das wachsende Unbehagen der vor allem jungen Dorfbewohner ausrichten. Als dann noch zwei Soldaten bei einem anfangs harmlosen Streit ums Leben kommen, rüttelt die Furcht vor Vergeltung die Menschen wach und sie entscheiden sich, Hagetmau zurückzuerobern. Fünfhundert Bauern gegen dreißig Soldaten – so beginnt der wahre Krieg zwischen Akitania und Nafarroa. 

Protagonisten und Perspektive

Sieben Heere kommt scheinbar ohne Protagonisten daher; auf zu vielen Schultern lastet das Schicksal Hagetmaus, ohne dass sich einer der Beteiligten als Held des Romans hervortut. Und dies, obwohl sich gleich mehrere Dorfbewohner dazu eignen würden: Die junge Nendlèce ist ein wahrer Wildfang und tobt lieber durch den Wald, statt zuhause ein braves Mädchen zu mimen. Ihre ältere Schwester Varlie ist nicht nur schön und klug, sondern vor allem mutig und dadurch die Erste, die sich traut, das Wort gegen die Nafarroaner zu erheben. Leider ist sie verliebt in Tauntun, den Raufbold, der nie Ruhe geben kann und auch seine ganz eigene Rechnung mit Hagetmau offen hat. Sein genaues Gegenteil ist Sinion, der Stotterer, der sich als ausgezeichneter Stratege herausstellt und somit der wichtigste Berater für Baresin wird. Der Sohn der Byrgherin, der Vorsteherin des Dorfes, will endlich aus dem Schatten seiner Mutter treten und beweisen, dass auch in ihm ein Anführer steckt. Aber Byrherin Rauthne kann nicht akzeptieren, dass ihr friedliches Dorf den Kampf wählt, und selbst der alte Semane Maredein, eine Mischung aus Priester und Magier, will nicht länger an ihrem Traum von einem beschaulichen Hagetmau festhalten.

Passend zu den vielen Akteuren wählte Meißner nicht die übliche personale Erzählperspektive, wie sie mittlerweile Standard innerhalb der Fantasyliteratur ist. Stattdessen gleitet er als allwissender Erzähler von Kopf zu Kopf und beleuchtet jede Situation aus den spannendsten Blickwinkeln. Dadurch wird nicht nur Langeweile vermieden, sondern auch der wahre Protagonist des Romans ins rechte Licht gerückt: Hagetmau. Sieben Heere erzählt die Geschichte eines Dorfes, das sich aufgrund der Ereignisse widerstrebend zu wandeln beginnt, und benutzt die Geschichten und Positionen der einzelnen Bewohner nur als exemplarische Beispiele, als einen kurzen Blick ins Kleine, damit das Große tiefer nachempfunden werden kann.

Leider werden die Bewohner dadurch manchmal in eine Rolle gezwungen, anstelle als authentische Figuren zu agieren. Obwohl Varlie Tautuns Blutdurst abstoßend findet, wächst ihre Liebe nur noch mehr. Und damit sie es ist, die die große Mutmach-Rede vor dem Dorf hält, müssen ausgerechnet die beiden ansonsten guten Redner Rauthne und Baresin in diesem Moment scheitern. Auch die feindlichen Soldaten lassen sich manches Mal so leicht überwältigen, als wären sie nur bemalte Pappfiguren, die dastehen, damit der Hintergrund etwas lebendiger wirkt. Hier wurde leider viel Potenzial verschenkt, denn das Szenario des erwachenden Dorfes ist bestens geeignet für eine tiefere Charakterzeichnung.

Strahlendes Grau

Es könnte so einfach sein, Gut und Böse innerhalb der Geschichte zu benennen, schließlich gibt es auf der einen Seite das unterdrückte Dorf und auf der anderen das große Besatzungsheer. Doch mit dieser klaren Schwarz-Weiß-Zeichnung lässt Meißner die Leser nicht davonkommen. Capitar Angaszin versucht alles in seiner Macht Stehende, um die Soldaten friedlich in Hagetmau zu integrieren. Es gibt keine Plünderungen, Demütigungen oder gar Vergewaltigungen. Selbst die Geiseln, die er sich zu Beginn wählt – mögliche Unruhestifter innerhalb Bevölkerung –, behandelt er gut und lässt sie schnell wieder frei. Und auch seine Soldaten benehmen sich, träumen von ihren Familien daheim, statt sich in der Fremde wie grausame Herrscher aufzuführen. Der erste Angriff geht von Hagetmau aus, von einem einzelnen Mann, der hinter der sanften Fassade immer noch das sieht, was diese Besatzung trotz aller Freundlichkeit nun einmal ist: eine Besatzung. Und damit beginnt die Spirale der Gewalt.

Statt einer klaren Zuordnung kommt dieser Roman grau daher, was nicht unüblich für das moderne Fantasygenre ist. Doch so wie den meisten grauen Geschichten die/der Gute fehlt, da jede Figur ihr bösartiges Potenzial voll ausschöpft, ist es bei Sieben Heere genau andersherum: Alle haben nur das Beste für ihre Fraktion im Sinn und keiner taugt so recht als Bösewicht. Und das macht das wahre Grauen der recht flotten Kämpfe aus. Denn das Mitleid ist gar nicht so selten aufseiten der Soldaten, man möchte den Hagetmauern zurufen, sie mögen sich doch einfach fügen – doch natürlich ist das keine Option. Denn mit jedem weiteren Toten rückt ein friedliches Ende in unerreichbarere Ferne, da die Ängste vor der nafarroanischen Rache nicht unbegründet sind. So bleibt der Leser recht ratlos zurück und kann für sich die eine Frage einfach nicht beantworten: Wer hat den Krieg begonnen? Nafarroa, als sie Hagetmau besetzten, oder Hagetmau selbst, als es den ersten Soldaten erschlug?

Zu guter Letzt

Sieben Heere ist so unaufgeregt geschrieben wie Hagetmau selbst und glänzt dabei doch zugleich mit ganz wunderbaren Bildern und liebevollen Details wie die Robe des Unter den Menschen Ausgezeichnetseins, in die sich Byrgherin Rauthne kleidet. Andere Wortneuschöpfung wirken jedoch übertrieben. An den Capitar kann man sich noch gewöhnen, aber Soldaren statt Soldaten oder Generar statt General stört einfach den Lesefluss, anstelle eine authentische Welt zu erschaffen. Auch ist schade, dass es sich bei dem Buch nur um den Auftakt einer Reihe handelt, da es auch (fast) als einzelner Roman mit etwas abruptem Ende funktionieren würde.

Das Buch ist kein Wohlfühlroman, der sich rasch runterlesen lässt und schnell wieder vergessen ist. Dafür sind die moralischen Fragen zu groß, der Zwiespalt zu stark, welche Seite im Recht sein könnte. Und so bleibt am Ende nur die Einsicht: Krieg ist immer scheiße.

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