X

Cookie Notice

Wir nutzen auf unserer Website Cookies und andere Technologien, um zu analysieren wie Sie unsere Webseite nutzen, Inhalte zu personalisieren und Werbung zu schalten. Durch die weitere Nutzung erklären Sie, dass Sie mit der Nutzung von Cookies einverstanden sind. Beachten Sie bitte, dass dieser Hinweis und die Einstellungen nur für die AMP Version unserer Seite gelten. Auf der regulären Website treffen Sie die Auswahl über den Cookiebot.

Startseite
Brett- und Kartenspiele Cosplay Filme Games Intern Interview Kurzgeschichten LARP Literatur Musik Pen & Paper Rezepte Sonstiges Tabletop Veranstaltungen

Pagan – Das Geheimnis von Roanoke

Eine spannungsgeladene Hexenjagd

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Brett- und Kartenspiele

Das Geheimnis von Roanoke lädt zum Schaudern und Spekulieren ein. Die erste Siedlung englischer Kolonialisten in der "neuen Welt" wurde nach nur wenigen Jahren völlig verlassen aufgefunden: Mehr als 100 Menschen waren wie vom Erdboden verschluckt. Bis heute kann nur gemutmaßt werden, was 1586 wirklich geschah. Hat eine Seuche das Dorf ausgelöscht? Gingen die Siedler*innen in den umliegenden Stämmen der Ureinwohner auf? Steckten okkulte Kräfte dahinter?

Im ambitionierten Kartenspiel Pagan – Das Geheimnis von Roanoke legen Kasper Christiansen und Kåre Storgaard in Zusammenarbeit mit dem Spieleverlag Wyrmgold eine eigene Interpretation der Ereignisse vor. Eine Hexe oder ein Hexer hat sich im Dorf versteckt und ein schreckliches Ritual ausgelöst, das zum Untergang der Siedlung führte. Im taktischen Zweierspiel will je einer von uns das Ritual auslösen und der oder die Andere das Ritual verhindern.

Zusammen mit Verlagsleiter Alexander Ommer hatte ich die Gelegenheit, eine digitale Partie zu spielen und ihn dabei gleich ausführlich über das Spiel auszufragen. Dass ich am Ende als Hexenjäger Roanoke dem Untergang überlassen musste, gebe ich ungern zu, spricht aber für die taktische Tiefe des Spiels. Als Mitentwickler hatte mir Alexander natürlich ein paar Kniffe voraus, was meinem Spielspaß aber nichts anhaben konnte …

Eine Hexe, eine Hexe!

Bereits die Grundidee von Pagan ist etwas ungewöhnlich. Anstatt, dass beide Spieler*innen das gleiche Ziel verfolgen – etwa die Zerstörung der gegnerischen Armee oder das Sammeln von Siegpunkten –, haben Hexe und Hexenjäger ganz unterschiedliche Ziele und leicht andere Optionen, um diese zu erreichen. Während die Hexenseite einen Charakter im Dorf kennt, der im Geheimen an einem Ritual zur Auslöschung der Siedler werkelt und dieses Vorhaben unterstützt, will der Hexenjäger diesen Charakter identifizieren und unschädlich machen. Das könnte man in ähnlicher Form von Großgruppenspielen wie Werwolf oder Der Widerstand kennen. Anstatt dass wir hier aber eine Gruppe von Spieler*innen als Übeltäter identifizieren müssen, dreht sich in Pagan alles um die neun Charaktere, von denen sich einer als Hexe oder Hexer entpuppt und die gleichzeitig unsere Spielaktionen bestimmen.

Dieses Grundprinzip ist äußerst klug umgesetzt. Zu Spielbeginn zieht die Hexe zufällig aus einem Verdächtigenstapel einen der neun Charaktere, der als Hexe oder Hexer fungiert. Der Hexenjäger kennt diesen Charakter nicht, kann aber im Spiel durch verschiedene Aktionen Karten vom übriggebliebenen Verdächtigenstapel ziehen und so mit der Zeit immer mehr Charaktere als Verdächtige ausschließen. Das alleine dürfte jedoch selten reichen, weswegen er genau beobachten wird, welche Charaktere die Hexe besonders stark vorbereitet. Das führt wiederum für einige Heimlichtuerei auf Hexenseite und sorgt so für eine spannende Mischung aus Taktik und Täuschung.

Die neun Charaktere sind nicht nur potentielle Verräter, sondern bestimmen auch unsere Aktionsmöglichkeiten. Sowohl Hexe als auch Jäger aktivieren diese Charaktere, um etwa Ressourcen zu sammeln, Karten auszuspielen oder neue Karten zu ziehen. Die Charakter sind also gewissermaßen unsere Aktionsfelder, auf die wir je Runde bis zu drei Aktionsmarker platzieren. Wie bei anspruchsvollen Workerplacement-Spielen ist diese Entscheidung jedoch nicht leicht. Zum einen blockieren wir mit unseren Figuren die Charaktere für den Gegner, zum anderen sind die Aktionen gleichzeitig mit dem Verteilen von Einfluss verbunden. So erlaubt uns nämlich jede Karte neben der Aktion selber, eine bestimmte Anzahl an Einflussmarkern auf andere Charaktergruppen zu verteilen. So müssen wir nicht nur überlegen, was wir mit einer Aktion erreichen wollen (Ressourcen sammeln, Karten ziehen, Karten spielen), sondern auch ob wir vielleicht eine andere oder schwächere Aktion in Kauf nehmen, die uns dafür erlaubt, den Einfluss auf den richtigen Charaktere zu legen oder ob wir vielleicht sogar etwas ganz anderes machen, um die entscheidende Aktion des Gegner zu verhindern.

Die Probepartie fand digital statt. Schön zu sehen sind die Charaktere in der Mitte des Spielpans. Als Hexenjäger haben wir bereits zwei Verdächtige (unten links) ausgeschlossen.

Diese Entscheidungen sind taktisch nicht nur hochgradig knifflig und spannend, sondern auch noch äußerst thematisch eingebettet. Was ich eben vereinfachend "Einfluss" genannt habe, stellt auf Jägerseite Gerüchte dar, die die Dorfbewohner*innen übereinander verraten und die sich von Hinweisen zu handfesten Beweisen verdichten können, während die "böse" Seite Geheimnisse entdeckt, die in Gefälligkeiten umgewandelt werden können, mit denen entweder mächtige Aktionen ausgelöst werden oder sogar das Spiel gewonnen wird. Und genau hier liegt der bereits angesprochene Kniff. Da einer der Charaktere auch noch Hexe oder Hexer ist, muss die Hexenseite bei unserer Aktionswahl darauf achten, der richtigen Person zum günstigen Zeitpunkt genug Geheimnisse bzw. Gefälligkeiten zuzuteilen. Der Jäger muss dagegen dafür sorgen, dass der entsprechende Charakter nicht aktiviert werden kann. Hier bahnt sich dann ein Täuschungsspiel an, bei dem die Hexenseite unter moderatem Zeitdruck dafür sorgen muss, dass Ritual auszulösen, ohne die Person preiszugeben, während der Hexenjäger auch mal verfrüht zum Scheiterhaufen ruft. Zusätzlich zum anspruchsvollen und hochkonfrontativen taktischen Gerangel um Ressourcen kommt so ein Deduktionselement hinzu, bei dem wir beständig bluffen und Risiken eingehen. Eine seltene Mischung, die zu einem höchst intensiven Spielgefühl führt, wie wir es nur von Ausnahmespielen kennen. Kein Wunder also, dass der Prototyp in Dänemark bereits einen Innovationspreis einheimsen konnte.

Spielerlebnis mit Ausbauoptionen

Schon die Fähigkeiten der Charakter und die richtige Verteilung von Hinweisen und Geheimnissen ergeben zusammen mit den Täuschungsmanövern ein hoch komplexes und spannendes Spiel. Außerdem kommt noch ein Spielstapel mit je 50 individuell zusammengestellten Karten zum Einsatz, die uns eine Reihe weiterer Optionen an die Hand geben. So können wir etwa Vertraute anheuern oder Zugang zu mächtigen Gebäuden erlangen. Dabei wurde Pagan asymmetrisch entwickelt, sodass sich die beiden Seiten nicht nur durch ein anderes Spielziel, sondern auch durch andere Karten und Mechaniken unterscheiden. Als Hexenjäger können wir so etwa die Charaktere beeinflussen, indem wir sie mit Karten unter Hausarrest stellen oder zu Informanten machen, um Vorteile beim Aktivieren einzelner Charaktere zu erlangen. Die okkulte Seite kann hingegen mit mächtigen globalen Flüchen für ständigen Druck sorgen, die vom Hexenjäger nur mit zeitaufwändigen Gegenaktionen gelüftet werden können. Dadurch entsteht durch die Aktionen der Spieler*innen eine zunehmend komplexere Spielsituation, die sich auch noch thematisch sinnvoll anfühlt und kleine Geschichten in unseren Köpfen entstehen lässt.

Ein Beispiel kann außerdem zeigen, wie klug die Verzahnung der einzelnen Elemente gelingt. So können wir als Hexe bedrohliche Tränke vorbereiten, für die wir Geheimnisse benötigen. Einmal einen Trank ausgespielt, dürfen wir uns entscheiden, unsere Geheimnisse nicht zur Vorbereitung des Rituals zu gebrauchen – also sie nicht auf die Bewohner*innen zu verteilen –, sondern dem Trank hinzuzufügen. Wir tauschen also Einfluss gegen einen mächtigen, meist einmaligen Effekt aus. Dadurch ergibt sich eine spannende taktische Entscheidung, die auch noch thematisch sinnvoll ist.

Dabei spielt sich eine Partie Pagan ganz anders als viele, oft kampfbetonte Spiele mit Deckbaumechanik, wie etwa Magic, Game of Thrones oder Legend of the Five Rings. Durch Aktionsauswahl, Asymmetrie und Bluffen erinnert das Spiel noch am ehesten an das äußerst innovative Android: Netrunner und kann ähnlich intensive Situationen erzeugen. Durch die Beeinflussung der Charaktere und die Deduktionsmechanik entwickelt Pagan aber eine ganz eigenes Flair.

Dieses Flair wird auch durch das ungewöhnliche Thema der frühen amerikanischen Kolonialzeit und ein stimmiges Artwork getragen. Dass die Illustrationen alle aus der digitalen Feder von Maren Gutt stammen, verleiht dem Spiel ein rundes Design, das uns ganz in die Welt der frühen Kolonialzeit eintauchen lässt.

Lebendiges Mysterium

Pagan ist nicht als einfaches, abgeschlossenes Kartenspiel angelegt, sondern als "LCG" konzipiert. LCG steht kurz für Living Card Game und ist ein Kartenspielformat, dass sich an Sammelkartenspiele wie Magic: The Gathering anlehnt. Ähnlich wie beim Urvater der Sammelkartenspiele bauen wir auch in einem LCG unsere eigenen Spielkartendecks, mit denen wir gegeneinander antreten. Dazu kaufen wir bei einem LCG jedoch keine zufälligen Kartensätze, sondern erhalten vorgefertigte Erweiterungen, was dazu führt, dass wir ohne große Probleme an ein vollständiges Kartenset gelangen und nicht ganz so tief in den Geldbeutel greifen müssen. Wie genau Pagan veröffentlicht wird, ist noch offen. Sicher ist nur, dass das Spiel in einem ersten Schwung kickstarterfinanziert werden wird und gleich mit Erweiterungen gekauft werden kann. Ob wir danach mit regelmäßigen kleinen Erweiterungen rechnen können oder ob es in unregelmäßigen Abständen umfangreiches neues Material geben wird, ist allerdings abzuwarten.

So schön soll das Spiel in Echt aussehen. Die gerenderte Präsentation gibt einen vielversprechenden Vorgeschmack.

Unabhängig davon, in welchem Turnus Erweiterungen erscheinen werden, ist es besonders spannend, wie das Spielergebnis durch diese Erweiterungen beeinflusst werden wird. Das Fundament ist äußerst solide und man merkt, dass das Spiel mit zahlreichen Schnittstellen für neue Karten und Mechaniken versehen ist. Auch ein kurzer Ausblick auf die Zukunft war schon vielversprechend. So hat Alexander mir Ideen für Karten und neue Mechanismen gezeigt, die vor allen Dingen das Szenario anpassen. Dies dürfte primär durch neue Charakter geschehen. Schon ein Austausch von wenigen Karten kann hier ein ganz neues Spielgefühl für beide Seiten schaffen und neue Themen einführen, die sich um das Geheimnis von Roanoke drehen. Wenn es gelingt, Mechaniken und das Thema um Roanoke über innovative Effekte, Kurzgeschichten, abweichende Spielziele oder neue Bedrohungen frisch zu halten, werden wir sicher noch lange von Pagan hören.

Noch offen bleibt es hingegen auf der taktischen Seite. Viele Sammelkartenspiele leben von einer Vielzahl an unterschiedlichen Decktypen und einer aktiven Turnierszene. Auch in Pagan können wir unser Deck selbstverständlich individualisieren, ob am Ende aber wirklich andere Strategien möglich sind oder wir doch eher unsere Lieblingskarten zu einem Deck kombinieren, bleibt abzuwarten. Auch die modulare Charakterauswahl mit dem Deckbau zusammenzubringen, dürfte eine herausfordernde Designaufgabe sein. Hier wird sich zeigen, ob es Pagan gelingt, auf dem anspruchsvollen Markt der LCG-Spiele zu bestehen. Die richtigen Grundpfeiler sind gesetzt und es ist sehr zu hoffen, dass das Spiel seine Siedlung einige Jahre länger halten kann als das historische Vorbild.

Weitere Artikel: