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Der Ominöse Keynote-Speaker

Das 17. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Im 17. Türchen unseres Adventskalenders dürfen wir uns gemeinsam mit den Wichteln auf einen besonderen Keynote-Speaker freuen. In ihrer Geschichte, lässt uns Ruka an der Vorfreude teilhaben.

„Hallo und herzlich Willkommen zu unserem diesjährigen BarCamp. Bevor wir mit der Auftaktveranstaltung 'Deeskalation mit Methode' beginnen, darf ich den Keynote-Speaker des Abends ankündigen. Ich freue mich sehr, Euch einen der Urgesteine der Weihnachtszeit vorstellen zu dürfen. Er ist quasi einer der Gründer des Weihnachtsfestes und jedes Jahr fester Bestandteil der besinnlichen Zeit. Bereits seit vielen, vielen Jahrhunderten begleitet er uns auf der magischen Reise der Güte und des Zusammenhalts. In seiner langen Liste aus guten Taten befinden sich unter anderem die …“

Der Wichtel auf der Bühne begann, endlose Reihen an moralisch hochwertigen Geschehnissen aufzulisten. Ein kollektives Aufstöhnen ging durchs Publikum, das sich wie auf einen Startschuss hin bequemere Sitzpositionen suchte. Irgendwo am mittleren Gang, in einer der hinteren Reihen, stupste Simsa ihre Wichtelfreundin Brella an und schaute ihr fragend ins Gesicht. Brella erwiderte ihren Blick, zuckte jedoch lediglich mit den Schultern. Simsa wandte sich wieder nach vorne und dachte darüber nach, wer dieser ominöse Gast sein könnte, der bereits zu Beginn der Adventszeit auf Plakaten als der wichtigste Keynote-Speaker des diesjährigen Nordpol-BarCamps angepriesen wurde. Es waren bereits einige Tipplisten durch die Büros gegangen, in denen man eintragen konnte, wen man hinter dem großen Geheimnis vermutete. Simsa hatte „Der große Rote“ notiert und war damit zum Gespött der Belegschaft geworden. Der Große Rote hatte sicher besseres zu tun, als kurz vor Heiligabend noch zu ihnen zu sprechen. Aber dieser große Tumult, der um den geheimnisvollen Gast gemacht wurde, der sprach doch schon dafür, dass es eine Berühmtheit im Weihnachtsgeschäft sein musste. Irgendjemand aus dem hohen Management oder der Dreifaltigkeit persönlich oder sowas. Die meisten Kollegen und Kolleginnen hatten auf das Christkind getippt, aber das war so oft zu irgendwelchem Weihnachtsvorträgen eingeladen, dass es eigentlich überhaupt keine Besonderheit war, es zu Gesicht zu bekommen. Nein, es musste jemand anderes sein. Jemand besonderes halt. Jemand einzigartiges. Mit einem Kopfschütteln verscheuchte sie die Gedanken und versuchte, sich wieder auf die Vorstellung auf der Bühne zu konzentrieren.

„Im Jahr 1843 bekam er dann endlich die Würdigung, die ihm zusteht: Eine Buchveröffentlichung über sein Wirken unter den Menschen.“

Ein Buch über ihn? Hm … gut, Geschichten gab es nun wirklich zuhauf über die Bewohner und Bewohnerinnen des Nordpols. Vielleicht handelte es sich um Knecht Ruprecht. Das würde Sinn machen, der war so wichtelscheu, dass er sich im Advent kaum am Nordpol zeigte. Allerdings würde sich auf den auch keiner freuen. Ständig wedelte der mit der Peitsche oder der Rute umher und fragte mit wild rollenden Augen, ob man auch brav gewesen sei. Vööööllig nervig, vor allem im Jahr 2022, wo brav sein höchstens noch ein Kopftätscheln erntete, während die Coolen und Draufgängerischen die Karriereleiter nur so emporgejubelt wurden. Aber vielleicht dauerte die Vorstellung des Gastes auch deswegen so lange, gerade weil es Knecht Ruprecht war. Eine Image-Kampagne quasi.

„Umso erfreulicher finden wir es, dass er vor 21 Jahren sogar sein eigenes Musical bekommen hat, in dem seine Ruhmestaten geehrt werden. In 47 Aufführungen wurden seine Taten besungen und betanzt“, verkündete der Wichtel auf der Bühne strahlend.

Ah, nee, über den alten Ruprecht gabs bestimmt kein Musical. Schon gar keins mit einer Jugendfreigabe unter 16, dachte Simsa kichernd. Es musste also jemand anderes sein. Vielleicht … ein Gast-Weihnachtsmann aus einem der anderen Länder? Sinterklaas aus den Niederlanden vielleicht? Oder Papa Noel? Oh, Papa Noel! DAS würde ihr gefallen, der braungebrannte Spanier wurde im letzten Jahr zum sexiest Christmas-Man alive gekürt. Unter seinem torrero-roten Weihnachtsmantel versteckte sich mit Sicherheit ein ausgeprägter Keksbauch. Und die fein definierten Pelzbesätze auf seiner schicken Uniform gaben ihm sowas verruchtes. Mit einem glückseligen Grinsen rutschte Simsa auf ihrem Stuhl nach unten. Oh ja, lass es bitte Papa Noel sein, der einen Vortrag über den Verzehr von Zuckerstangen hielt.

„Wobei wir eigentlich sagen müssen, dass es sich um gleich drei Ehrengäste handelt, die jedoch am stärksten sind, wenn sie als Einheit auftreten.“

Verdammt. Also kein Papa Noel. Und Sinterklaas wäre auch eher zu zweit, wenn man den Zwarten Piet mitzählte. Dann vielleicht doch die heilige Dreifaltigkeit persönlich? Also, DAS wäre ja echt eine Ehre. Simsa rutschte aufgeregt wieder in eine aufrechtere Position und warf einen Blick auf ihre Freundin. Auch Brella hatte ihre Augen weit aufgerissen, was darauf hinwies, dass sie die gleichen Schlussfolgerungen zog. Wer sollte es auch sonst sein? Es gab sonst keine Grundgerüste der Weihnachtszeit, die eine Dreierkonstellation bildeten, die eigentlich als Einheit empfunden wurde. Die kollektive Langeweile wechselte auch bei den anderen Zuhörenden zu einer verhaltenen Anspannung. Einige Wichtel in den ersten Reihen zogen ihre Kleider glatt und versuchten, die letzten Rentierhaare von ihren Gewändern zu zupfen. In den hinteren Reihen wurden Köpfe gereckt.

„Wer ihre kaum greifbaren Präsenzen zu Gesicht bekommt, darf damit rechnen, dass sich sein Leben grundlegend verändert“, berichtete der Moderationswichtel weiter und machte eine bedeutungsschwangere Geste mit der flachen Hand Richtung Publikum.

Große Güte, sie waren es wirklich. Brella beugte sich zu Simsa und flüsterte leise: „Warte noch mit Deiner Aufregung. Es könnten auch die drei heiligen Könige sein …“ Hm, guter Hinweis. Das stimmte. Aber … die waren eigentlich ziemlich greifbare Präsenzen. „Die könnte man aber doch anfassen, oder?“ Simsa und Brella sahen sich einen Moment lang nachdenklich an. „Stimmt auch wieder“, bestätigte Brella und begann, mit den Händen ihre etwas strubbeligen Haare zu entwirren.

„Natürlich haben wir Verständnis dafür, dass sie nur wenige Augenblicke Zeit haben, bis sie sich wieder ihren eigentlichen und wirklich bedeutungsvollen Aufgaben zuwenden müssen. Umso stolzer sind wir, dass wir sie hier heute begrüßen dürfen.“

Die Anspannung im Saal wurde langsam zum Greifen wirklich. Überall wurde inzwischen aufgeregt gewispert und getuschelt. Mittlerweile war jedem bewusst, wer hier gleich den Saal betreten würde. Ein unglaublich ehrenvoller Moment, dass ausgerechnet sie – die normalen Weihnachtswichtel – die Ehre haben würden, der einen, der sagenumwobenen und international verehrten Dreifaltigkeit lauschen zu dürfen. Sie waren nicht nur die Mitbegründer von Weihnachten, sie WAREN Weihnachten. Simsa hielt es kaum noch aus, mit den Füßen wippelnd starrte sie zur Eingangstür, durch die gleich die just angekündigten Gäste hereinkommen würden. Große Güte, was für ein Ereignis. Simsa war unglaublich froh und dankbar, dass sie sich doch noch freimachen konnte, um bei dieser Session dabei zu sein.

„Jetzt wollen wir Euch aber nicht weiter auf die Folter spannen. Hier sind sie endlich. Unsere Ehrengäste des diesjährigen BarCamps, die bekannten und beliebten, die geehrten und geheiligten, die gepriesenen und besungenen.“

„Nun mach doch endlich“, flüsterte Simsa aufgeregt zu niemand bestimmten. Sie hatte so viele Fragen, die sie der Dreifaltigkeit stellen wollte. Wo kamen sie her, wo gingen sie hin und vor allem, was wäre, wenn es den Nordpol gar nicht gäbe. Endlich, endlich, ENDLICH bekam sie Antworten auf all diese Fragen, die sie schon ihr Leben lang quälten. Gespannt wie ein Flitzebogen richtete sie sich in ihrem Stuhl auf und starrte Richtung Tür, als ob sie die Gäste durch ihre Blicke herbeihexen könnte.

„Und hier sind sie: Die Drei, die einer sind. Die …“

„OH MEIN GOTT, MACH ENDLICH!“, brüllte eine hysterische Stimme aus den vorderen Reihen herrisch.

„Jaja, is ja schon gut! Meine Güte. Also, hier ist unser heutiger Gastspeaker: Der Geist der Weihnacht!“ Mit einer ausladenden Geste zeigte der Moderator-Wichtel auf die Eingangstür, in der eine graue, schemenhafte Präsenz aufgetaucht war, die so wirkte, als sei sie noch nicht ganz in der Realität angekommen.

Ein Moment verging, in dem die Worte des Moderators, die Erscheinung in der Tür und die Erwartungen der Anwesenden miteinander um die Vorherrschaft stritten. Eine Grille, von der er sich fragte, wie zum Geier sie an den Nordpol gelangt war, zirpte ein-, zweimal verunsichert, blickte sich dann ihrerseits um und verschwand gleichgültig unter einer Holzdiele. Langsam ließ nun auch der Moderator-Wichtel seine Arme sinken, blickte auf die Karteikarten in seiner Hand und winkte eilig seinen Gast auf die Bühne. Während dieser schüchtern winkend Richtung Bühnenmitte schwebte, neigte sich Simsa langsam Richtung Brella, die ebenso erstarrt auf nach vorne blickte, wie alle anderen. Eine einzelne Frage brannte ihr auf den Lippen und formte die Essenz des Moments in Töne: „Wer?“

 

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