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Ohnmacht

Sex and Crime von Germaine Paulus

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Kategorie: Literatur

Als Hauptkommissar Gerd Wegmann zu einem Autounfall gerufen wird, ahnt er nichts Böses. Doch die auf brutale Weise getötete Frau im Kofferraum zieht ihn und sein Polizeiteam tief in einen Morast aus Gewalt, Drogen und Prostitution … (Triggerwarnung: Wer sensibel auf die Themen Gewalt gegen Frauen, Mord und Drogen reagiert, sollte den Beitrag mit Bedacht lesen).

Was mit einem zufälligen Autounfall beginnt und gleich den Mörder der Frau selber als Leiche mitbringt, erweist sich als ein weitaus tieferes Geflecht. Frauen werden systematisch vergewaltigt und anschließend ermordet. Tatsächlich wird es noch etwas düsterer und schockierender, aber das wird Wegmann und den Leser*innen nur mit der Zeit enthüllt und daher hier auch nicht vorweggenommen. Vorweggenommen werden darf hingegen der harte Stil. Wer von sexualisierter Gewalt getriggert wird oder es überhaupt eher etwas ruhiger mag, sollte einen großen Bogen um dieses Buch machen. Ohnmacht ist nämlich vom ersten Kapitel an eine brutale und sexuell explizite Erzählung. Das betrifft nicht nur den Mord, sondern auch das Privatleben des gesamten Ermittlungsteams. Die Charaktere haben Sex, Sex und nochmal Sex. In (fast) jeder Form und gerne etwas ausgefallener. Mit dem Label „Sex and Crime“ hat Germaine Paulus also eine perfekte Kategorisierung für die nun dreibändige Wegmann-Reihe gefunden.

Leseeindruck

Kriminalarbeit und das „Drumherum“, also Charakterzeichnung und Atmosphäre wechseln sich angenehm ab, wobei der Fall und die Kriminalarbeit selber etwas ins Hintertreffen geraten. Paulus liebt ihre Dramatis Personae und knüpft an deren Erlebnisse aus den Vorgängerbänden an, wodurch sie einen detaillierten Mikrokosmos schafft. Dennoch funktioniert der Band auch, ohne die beiden Vorgänger Pfuhl oder Und die Moral zu kennen. 

Auch dem Kriminalteil lässt sich gut folgen, dieser wird für mich aber zu sehr durch Zufallstreffer und plötzlich auftauchende Zeug*innen gelöst. Die Auflösung ist weitgehend rund, fühlte sich jedoch etwas unbefriedigend und zu geradlinig an.

Schnelle Schnitte

Paulus ist eine Meisterin der harten Sprache und schnellen Schnitte. Ihre Charakterisierungen sind pointiert wie kreativ und die Dialoge könnte man genauso am nächsten Bahnhofskiosk belauschen. Das ist eine große Kunst, die sich mit Szenen aus einem blutigem Kopfkino perfekt ergänzt. Am Ende bleibt eine Sprache so roh wie das Frankfurt, das sie zeichnet. 

Damit die schnellen Schnitte nicht die Handlung verlassen – und unaufmerksame Leser*innen wie ich können schon mal vom Pfad abkommen –, baut sie regelmäßige Zusammenfassungen ein. Dass Wegmann und Co ihre Ermittlungsergebnisse regelmäßig Revue passieren lassen, ist nicht nur realistisch, sondern eine hilfreiche Art und Weise, den Fall präsent zu halten. So gelingt eine Mischung aus Techtelmechtel und Kriminalfall, die sich liest wie die Hardcore-Variante einer Fernsehkrimiserie. Die Charaktere erzeugen Bindung, während der Fall uns gespannt im Bann hält. Das Ergebnis ist ein Buch das sich enorm kurzweilig und unterhaltsam liest.

Crime and Sex²

So weit ein gelungener Cocktail, der allerdings nicht für alle geeignet ist. Schon im Stil zeichnet sich ab, dass es hier ein heftiger Ton vorherrscht. Und nicht nur Blut und Knochenbrüche werden hier ausgiebig zelebriert, sondern zuallererst die Sexualität der gescheiterten Charaktere. Hier geht es mitunter äußerst explizit zur Sache und vor allen Dingen häufig. So häufig, dass mir die Charakterzeichnung weitgehend über sexuelle Vorlieben zu funktionieren scheint. Das ist sicherlich Geschmacksache, aber engt die Charakterisierungen ein bisschen ein. Auch ist etwas schade, dass toxische Sexualität normalisiert wird und sich der Roman weitgehend in einer heteronormative Matrix bewegt. Keine Frage, die raue, teils frauenverachtende Sexualität der Protagonist*innen ist Stillsache und wird in manchen Szenen gebrochen, prägt die Leseerfahrung aber natürlich trotzdem. Paulus scheint es genau um diese Atmosphäre zu gehen. Rau, brutal, sexualisiert. Und ja, das gelingt ihr äußerst gut und zwar so, dass man über die immerhin etwa 530 Seiten ganz in eine Parallelwelt gezogen wird. Die Atmosphäre ist zum Schneiden und die Bilder gehen direkt ins Mark.

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