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Oblivion Song 1

Eine vielversprechende Katastrophe

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Kategorie: Literatur

Seit dem monumentalen Comic- und Serienerfolg von The Walking Dead ist Kirkman auch für Comicfremdlinge kein Unbekannter. Sein Name steht für erfolgsgarantierende Welten, welche die us-amerikanische Gegenwart mit phantastischen Elementen konfrontieren und die Protagonisten täglich vor moralische Fragen stellen. Oblivion Song ist dahingehend keine große Ausnahme, auch wenn das Thema noch etwas phantastischer ist und unerwartete Wendungen verspricht. Der erste Sammelband ist jüngst bei Cross Cult auf Deutsch erschienen.

Folgt man Kirkmans Nachwort, so ist der Oblivion Song eine Herzensangelegenheit für ihn gewesen. Seit etwa 10 Jahren sei ihm die Grundidee zu der Geschichte nicht mehr aus dem Kopf gegangen. In enger Zusammenarbeit mit dem Comickünstler Lorenzo De Felici konnte diese Idee nun endlich Gestalt und dank Annalisia Leoni auch Farbe annehmen. Wie schon Outcast glänztOblivion Song anders als die wandelnden Toten in Vollfarbe. Dabei ist die Umsetzung erfrischend locker geraten. Wurde Outcast noch in gedämpften Farben präsentiert, wirkt Oblivion Song eher farbenfroh und verspielt. Und das obwohl das Thema durchaus einige Härte bereithält. Bereits die ersten Seiten kommen nämlich mit einem ominösen Scharfschützen in Kutte und einer Verfolgungsjagd durch organisch überwucherte Ruinenfluchten daher. Worum geht es also im Oblivion Song?

Weltenbau

Obwohl Kirkmans große Reihen kontemporär angelegt sind, gewinnen sie einen großen Teil ihrer Faszination aus den großen Überraschungen. Sei es die Gesellschaft nach der Zombieapokalypse oder der okkulte Hintergrund von Outcast: Die Ergründung einer irgendwie doch nach anderen Gesetzen wirkenden Welt ist fast so spannend wie die Konflikte der treibenden Charaktere selber. Das gilt für den Oblivion Song fast noch stärker, kommt hier doch eine ganz andere Welt ins Spiel: das Oblivion.

Da die Entwicklung des Mysteriums selber Teil der Geschichte ist, kommt man in der Beschreibung nicht ohne Vorwegnahmen aus. Obwohl im Folgenden nicht mehr verraten werden soll, als in den ersten beiden von sechs Kapiteln deutlich werden dürfte, bleiben kleine Spoiler nicht aus. Wer sich also ganz überraschen lassen und dennoch keinen Blindkauf tätigen will, sollte direkt zum Fazit springen. Spannend sollte es aber auch trotz kleinerer Spoiler bleiben.

Was hat es also mit Oblivion auf sich? So ganz kann und soll diese Frage nach dem ersten Band natürlich noch nicht erklärt werden können.  Grundsätzlich konfrontiert Kirkman Philadelphia mit einer gigantischen Katastrophe, die schon laut Klappentext 300.000 Einwohner verschluckt haben soll. Ursache war die sogenannte „Transition“, bei der etwa 30 Quadratmeilen Philadelphias von einer anderen Welt – Oblivion – befallen wurden. Unförmige und gigantische Kreaturen stürzten sich in und auf die Welt und besagte 300.000 Einwohner wurden nach Oblivion gezogen.

Das Militär konnte diesen Überfall eindämmen und einen Suchtrupp in die andere Welt aussenden, der die Suche nach den Vermissten inzwischen offiziell beendet hat. Den nun als tot geltenden Menschen wurde ein Denkmal am Rande der abgesperrten Katastrophenfläche errichtet und kleinere Forschungsunternehmen zur Ergründung Oblivions aufgebaut. Ein Museum dient der Erinnerung und Verarbeitung des kollektiven Traumas und bietet dem Comic einen geschickten Anlass, die Katastrophe zu schildern.

Für die Regierung scheint das Thema damit abgeschlossen zu sein – nicht aber für Nathan, der als Teil eines Suchtrupps und unterfinanzierten Forschungsprojektes immer noch semilegal in die andere Welt reist und Vermisste zurückholt.

Konflikte

Vor dem Hintergrund der Katastrophe sind nicht nur politische Interessenskonflikte garantiert, sondern auch ein gewisser persönlicher Horror. Nicht nur ist unklar, ob die Vermissten wirklich in unsere Welt zurückkommen wollen, auch haben sie Schwierigkeiten, ihren Platz zu finden. Fast resigniert schaffen es einzelne von ihnen, langweilige Alltagsberufe auszuüben, während ein christlicher Hassprediger die Rückkehrer als unchristlich stigmatisieren will, da sie Gottes Strafe nicht akzeptiert hätten. Zudem werden die Rückkehrer von Symptomen heftigster PTSD (Post-Traumatic Stress Disorder) geplagt und tragen eine Erinnerung an das Oblivion in sich, die sich in einer sirenenhaften Verlockung – dem Oblivion Song – niederschlägt.

Denn auch das Oblivion selber ist nicht leer. Es ist nicht nur der Ort von Grauen und Kampf, sondern auch Heimat verschiedener Konfliktgruppen und vermutlich sogar Versprechungen. Deren omnipräsente Kreaturen scheinen nicht einfach grundlos böse Monster zu sein, sondern werden eher als Tiere präsentiert, was Hauptcharakter Nathan selbst diskutiert. Gleichzeitig scheint in Oblivion noch eine größere und unsichtbare Macht zu herrschen, die das Feld spannend hält.

Der erste Band schafft es so, spannende Themen und vielversprechende Konflikte einzuführen. Im Hintergrund schweben das Trauma von 9/11, die Instrumentalisierung des Gedenkens und das Vergessen von Opfern. Daneben werden Fragen, persönliche Verantwortung, die Konfrontation mit dem Anderen und natürlich das große Rätsel, was Oblivion ist, thematisiert. Ein vielversprechender Start!

Umsetzung

Auch qualitativ kann die Cross Cult-Umsetzung vollends überzeugen. Der Druck ist hochwertig und in ein schickes Hardcover gebunden, die Übersetzung wirkt stimmig. Einige wenige Tippfehler sind etwas ärgerlich, werden aber durch die Gesamtpräsentation überdeckt. Alle sechs Kapitel werden mit einem stimmigen Cover und einer weiteren, ganzseitigen Illustration eingeleitet. Natürlich dürfen auch fünf Seiten Zusatzmaterial nicht fehlen. Ein Nachwort von Kirkman erhellt den Entstehungszusammenhang, zudem macht uns Lorenzo de Felici mit früheren Entwürfen von Nathan vertraut und reflektiert über Details zweier Charaktere und der Kreaturen.

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