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Nikolaus - Ein lausiger Job

Das 6. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Zu Nikolaus haben natürlich auch wir Euch eine besondere Kurzgeschichte in den Stiefel gepackt. Hinter dem 6. Türchen unseres Adventskalenders versüßt euch ein Einblick in die Schattenseite des Nikolaus-Daseins aus Anns Feder den Tag.

Das bärtige Kinn in die Hand und den Ellenbogen auf den wuchtigen Tisch gestützt, blickte der Nikolaus ausdruckslos auf den Rentierbildschirmschoner.
   In der pixeligen Grafik des letzten Jahrtausends machten die Rentiere von rechts nach links unermüdlich ihre Bocksprünge. In einer Endlosschleife.
   ‚Die armen Viecher‘, dachte der Nikolaus gerade. ‚Die mühen sich ab, kommen nie an und eigentlich … niemand beachtet sie je wirklich.‘
   Genau so erging es ihm.
   Der Nikolaus seufzte einmal schwer. Dann griff er nach der Maus und rüttelte daran herum, sodass deren Ohren schlackerten. Die Rentiere verschwanden und der Bildschirm zeigte die Arbeitsoberfläche. Diese war wie ein weihnachtlich geschmückter Schreibtisch gestaltet, auf dem allerlei Dinge herumlagen. Der Nikolaus klickte auf die Schneekugel und ein animiertes Fenster öffnete sich quietschend. Nun konnte er durchs weltweite Internet schneien.
   Der Nikolaus tippte die gewünschte Adresse in das entsprechende Feld. Während das Ladesymbol erschien – eine Schneekugel, in welcher der Schnee herabrieselte – griff er nach dem Becher mit dem heißen, dampfenden Kakao und nahm einen kräftigen Schluck. Als das System zuende geladen hatte, prangte ihm in großen Lettern die Seite „Annason“ entgegen.
   Geübt tippte der Nikolaus die Suchbegriffe in die weltweite Verkaufsplattform ein und nach einem weiteren Schluck Kakao, hatte die Maschine die gewünschte Produktseite aufgerufen.
   Missmutig betrachtete der Nikolaus das Cover des Buches. Es zeigte die schattenhafte Silhouette eines bärtigen Mannes im Profil vor einem gelb-rötlichen Hintergrund. Der Rand war wiederum von schattenhaften weihnachtlichen Symbolen wie kleinen Tannen, Zuckerstangen und Kugeln umrahmt.
    ‚Mein Leben im Schatten – Wie ich wirklich jedem was in die Schuhe schiebe‘ lautete der Titel. Der kleine Einführungstext, der Lust auf das Buch machen sollte, erläuterte, dass dieses Werk von einem Insider geschrieben worden war, der die Menschheit über die echte Geschichte hinter der ganzen Weihnachtssache aufklären wollte. Dass man nichts als die reine Wahrheit erfuhr und kein noch so schmutziges Geheimnis ausgelassen wurde – von dreckigen Plätzchenschüsseln über benutzte Trollunterhosen bis hin zum Rentiermist wurde alles ausnahmslos aufgedeckt. Auch dass Weihnachten natürlich eine eigene Verschwörungsdynamik besaß. Und das Wichtigste: Der Skandal, wie Weihnachtsmann und Christkind den Nikolaus schändlichst in den Schatten gestellt hatten, wurde ausführlich behandelt.
   Der Nikolaus prustete frustriert durch seinen Bart und begann gedankenverloren mit dem Finger auf der Tischoberfläche herumzufahren. Mit seinem Blick blieb er hingegen am Namen des Autors hängen. Nichel Klaus. Hin und wieder fragte er sich, ob die Wahl des Pseudonyms die richtige gewesen war.
   Der Verkauf war seit Erscheinen des Buches vor einigen Jahren gut in Schwung gekommen. Kurz vor Weihnachten stiegen die Zahlen jedes Mal in die Höhe, um dann die nächsten elf Monate gegen Null zu stagnieren. Langsam rollte der Nikolaus die Maus nach unten, um sich die neuesten Rezensionen durchzulesen. Sie waren wie immer sehr durchmischt. Für einige war alles, was mit Weihnachten zu tun hatte, Humbug. Auch dieses Buch. Für andere war es ein Affront gegen die herrliche Festlichkeit und gehörte auf die schwarze Liste. Und wieder andere interessierte es nicht die Bohne, oder man störte sich am Schreibstil, oder was auch immer. Einige wenige fanden es sehr gut. Sie sahen sich in ihrer Weltsicht bestätigt, dass hinter allem und jedem immer die Aliens steckten.
   ‚Keine Ahnung, wie die darauf kommen‘, schüttelte der Nikolaus verständnislos mit dem Kopf. Schließlich wusste jeder Wichtel, dass es so etwas wie Aliens nicht gab.
   Einmal mehr seufzte der Nikolaus. Bereits beim Schreiben war ihm klar gewesen, dass es ein riskantes Unterfangen war, den Menschen dieses Wissen zugänglich zu machen. Es machte die Skeptiker noch skeptischer und die Verfechter noch verfechtender und trieb damit den Keil zwischen Weihnachtsliebhabern und Weihnachtsmuffeln tiefer. Der Nikolaus hatte nie vorgehabt, das Weihnachtsfest als solches in Frage zu stellen und die Welt noch weiter zu spalten. Er selbst liebte die Advents- und Weihnachtszeit. Was er jedoch seit langem nicht mehr liebte, war seine Position, in die er nach und nach gedrängt worden war. Und da man ihm am Nordpol mit seinem Anliegen kein Gehör geschenkt hatte, hatte er seinem Ärger eben auf andere Weise Luft gemacht. Damals hatte er das für eine gute Idee gehalten, heute war er sich da nicht mehr so sicher.
   Selbstverständlich wusste niemand hier, wer Nichel Klaus war. Dieses Geheimnis war das einzige, welches er nicht gelüftet hatte. Das Buch hatte auch am Nordpol für einiges Aufsehen gesorgt, zumindest anfangs. Doch der Weihnachtsmann und das Christkind hatten schnell beschlossen, dass es letztlich zwischen all den Spinnerbüchern sowieso nicht auffiel, was dazu führte, dass es niemanden mehr interessierte.
   ‚Und genau da war es schon wieder‘, knirschte der Nikolaus mit den Zähnen. ‚Der Weihnachtsmann und das Christkind haben das beschlossen. Und hat mich damals auch nur irgendeiner gefragt, wie ich zu diesem Buch stehe? Nein, natürlich nicht. Wie immer.‘
   Empört schubste der Nikolaus die Maus, die quiekend protestierte, nach vorne und verschränkte verärgert die Arme vor der Brust. Der Weihnachtsmann präsentierte sich seit Jahrhunderten, als ob Weihnachten seine Erfindung gewesen war. Dabei war er es gewesen, der Nikolaus, der die Sache mit dem Schenken in Gang gebracht hatte, damals in seinem früheren Beruf als Bischof in Myra. Aber darüber redete heute ja keiner mehr. Was allerdings, das musste selbst der Nikolaus zugegeben, auch daran lag, dass es schon eine gewisse Zeit her war. Trotzdem. Er war der Ältere von ihnen und wenn überhaupt, hätten sie beide zusammen, er und der Weihnachtsmann, die „Shoes Brothers“, die „Brothers in Christmas“ sein sollen. Aber nein, der feine Herr musste ja unbedingt selbstgefällig den 24. Dezember für sich allein beanspruchen. Und die Menschen unterstützten das auch noch wie von Sinnen. Während der Nikolaus mittlerweile sein Schattendasein am Anfang der Adventszeit fristete, führte sich der Weihnachtsmann auf, als wäre er allein derjenige, der dem Geburtstag des Christkindes angemessen huldigen konnte.
   Und überhaupt das Christkind. So wie sich das in Szene setzte, hätte es wohl eher Christking heißen sollen. Was konnte er, ein alter, faltiger Mann mit struppigem Bart einem solch lieblichen, blondgelockten Gesicht entgegensetzen? Gar nichts. Dagegen hatte niemand eine Chance. Diese ganze „Vom Himmel hoch, da komm ich her“-Nummer zur Primetime war nun Mal glorreicher, als den Leuten nachts ungesehen Kekse und Äpfel in die stinkenden Latschen zu stopfen.
   Um sich zu beruhigen, griff der Nikolaus nach einem roten Stift und fing an, auf einem Stück Papier herumzukritzeln. Mit der anderen Hand hob er erneut den Becher an die Lippen und nahm einen weiteren Schluck. Er verzog kurz das Gesicht, denn mittlerweile hatte sich eine kleine Haut auf dem Kakao gebildet. Der Nikolaus dachte daran, dass er gut etwas Stärkeres vertragen konnte. Vielleicht sollte er sich in die Küche schleichen und einen Schuss Sahne genehmigen. Das war schon etwas heikel, da er den Heinzelmännchen, die ihm unsichtbar im Haushalt zur Hand gingen, die Anweisung gegeben hatte, dass sie ihm helfen sollten, auf seine schlanke Linie zu achten. Denn so dick wie der Weihnachtsmann, pfff, so dick würde er bestimmt nicht werden.
   Der Nikolaus stellte den Becher wieder ab und betrachtete das Blatt Papier. Er hatte nicht bemerkt, was er gezeichnet hatte, und begutachtete nun seine Kritzeleien. Neben einigen Weihnachtsmann- und Christkind-Strichwesen, die entweder durchgestrichen waren oder denen ein Hammer auf den Kopf fiel, sah er noch etwas anderes, wohlbekanntes darauf.
   ‚Das ist das Haus vom Nikolaus? Na klar, so eine wackelige Bude ist alles, was man mir lässt.‘
   Empört knallte der Nikolaus den Stift derart laut auf den Tisch, dass die Maus vor Schreck fast von diesem fiel. Er hatte genug! So wie es war, konnte es nicht bleiben. Das war klar. Der Nikolaus musste etwas unternehmen, er musste die Dinge am Nordpol wieder ins rechte Nordlicht rücken. Dafür würde er mal so richtig aufdrehen, würde ihnen allen zeigen, wer hier wirklich das Sagen hatte. Vielleicht würde er einfach in den Streik treten. Sollten die doch sehen, wer dann die Schuhe am 6. Dezember befüllen würde. Oder vielleicht sollte er sich mit der Schneekönigin treffen. Die war auch nicht begeistert davon, ständig in der zweiten Winterliga zu spielen. Vielleicht sollte er aber auch …
   „Nikolaus, bist du startklar?“
   Der Nikolaus sprang erwischt auf und starrte erschrocken zur Tür. Dort stand ein Wichtel und sah in konzentriert an.
   „Wir sind bereit und warten nur noch auf dich. Du kannst mit deiner diesjährigen Runde beginnen.“
   „Was, Runde?“ Der Nikolaus brauchte einen Moment, um zu verstehen, was der Wichtel meinte. „Ach so, die Schuhe, ja genau.“
   „Jawohl, die Schuhe. Ist alles in Ordnung?“, fragte der Wichtel kurz nach.
   „In Ordnung? Sicher ist alles in Ordnung. In bester Ordnung“, eierte der Nikolaus aufgesetzt lachend herum und schob das Blatt Papier unauffällig langsam unter den naheliegenden Aktenstapel, ohne den Blick von dem Wichtel zu lassen. „Alles ist genauso wie es sein sollte.“
   Schnell sperrte der Nikolaus noch den Bildschirm mit einem Vorhängeschloss und eilte dann dem Wichtel hinterher zur Tür hinaus.

 

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